1. DER GOTTMENSCH







 Maria Valtorta


DER GOTTMENSCH


Leben und Leiden unseres Herrn

Jesus Christus




Originaltitel


Il poema dell’Uomo-Dio


Aus d. Ital. von Johannes Höricht




Inhaltsverzeichnis


Verborgenes Leben Jesu 31


1 »Maria kann die Zweitgeborene des Vaters genannt

werden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32


2 Joachim und Anna machen dem Herrn ein Gelübde . . 33

3 Das Gebet Annas im Tempel wird erhört . . . . . . . . 38

4 »Joachim hat sich mit der Weisheit Gottes vermählt, die


eingeschlossen war im Herzen der gerechten Frau« . . 42

5 Mit einem Lobgesang verkündete Anna ihre Mutterschaft 44

6 »Die Makellose war nie Gottes Gedenken bar« . . . . . 48

7 Geburt der Jungfrau Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

8 »Ihre Seele erscheint schön und unbefleckt, wie der Va-


ter sie ersann!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

9 »In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie« . . 69

10 »Sieh die vollkommene Magd mit dem Herzen einer


Taube« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

11 »Meine Freude, woher weißt du diese heiligen Dinge?


Wer hat sie dir gesagt?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

12 »Hat nicht der Sohn die Weisheit auf die Lippen der


Mutter gelegt?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

13 Mariä Darstellung im Tempel . . . . . . . . . . . . . . . 84

14 »Die ewig Jungfräuliche hat nur einen Gedanken: ihr


Herz hinzurichten auf Gott« . . . . . . . . . . . . . . . . 91

15 Der Tod von Joachim und Anna . . . . . . . . . . . . . . 92

16 »Du sollst die Mutter des Gesalbten sein« . . . . . . . . 96

17 »Sie schaute wieder, was ihr Geist in Gott gesehen hatte« 103




18 »Gott wird dir den Bräutigam geben, und er wird heilig

sein, denn du vertraust auf Gott. Du sollst ihm dein

Gelübde bekennen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106


19 Josef wird zum Bräutigam der Jungfrau bestimmt . . . 111

20 Die Vermählung der Jungfrau mit Josef . . . . . . . . . 118

21 »Josef ist gesetzt als „Siegel des Siegels“, wie ein Erzen-


gel an der Schwelle des Paradieses« . . . . . . . . . . . 125

22 Das Brautpaar kommt nach Nazaret . . . . . . . . . . . 128

23 Die Verkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

24 Der Ungehorsam der alten Eva . . . . . . . . . . . . . . 140

25 Die neue Eva war in jeder Beziehung gehorsam . . . . 145

26 Noch ein Wort der Erklärung über die Erbsünde . . . . 151

27 Die Schwangerschaft Elisabets wird Josef verkündet . . 155

28 »Überlasse mir die Aufgabe, dich bei deinem Bräuti-


gam zu rechtfertigen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

29 Maria und Josef auf dem Weg nach Jerusalem . . . . . 162

30 Von Jerusalem zum Haus des Zacharias . . . . . . . . . 164

31 »Entzieht euch nie dem Schutz des Gebetes!« . . . . . . 166

32 Ankunft im Haus des Zacharias . . . . . . . . . . . . . . 168

33 Maria enthüllt Elisabet den Namen . . . . . . . . . . . . 174

34 Maria spricht von ihrem Kind . . . . . . . . . . . . . . . 178

35 »Das Gnadengeschenk Gottes muß uns immer besser


machen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

36 Die Geburt des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

37 »Die Hoffnung blüht für alle, die ihr Haupt an meinen


Mutterschoß legen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

38 Die Beschneidung des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . 192

39 »Macht euren Geist empfänglich für das Licht!« . . . . 195

40 Darstellung des Täufers im Tempel . . . . . . . . . . . . 197

41 »Wenn Josef weniger heilig gewesen wäre, hätte Gott


ihm sein Licht nicht gewährt« . . . . . . . . . . . . . . . 203

42 Maria von Nazaret spricht sich mit Josef aus . . . . . . 206


4




43 »Überlaßt dem Herrn die Sorge, euch als seine Diener

kundzutun!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210


44 Die Verordnung der Volkszählung . . . . . . . . . . . . 212

45 »Lieben heißt, den Geliebten über Gefühl und Interesse


hinaus befriedigen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

46 Die Reise nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

47 Die Geburt Jesu, unseres Herrn . . . . . . . . . . . . . . 224

48 »Ich, Maria, habe die Frau mit meiner göttlichen Mut-


terschaft erlöst« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

49 Die Anbetung der Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

50 »In den Hirten finden sich alle Eigenschaften der wah-


ren Anbeter des Wortes« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

51 Der Besuch des Zacharias . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

52 »Josef ist auch der Schutzherr der Gottgeweihten« . . . 250

53 Darstellung Jesu im Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . 254

54 Lehren, die aus der vorhergehenden Vision zu ziehen


sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

55 Wiegenlied der Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

56 Anbetung der Weisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

57 Bemerkungen über den Glauben der drei Weisen . . . 273

58 Die Flucht nach Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

59 »Der Schmerz war unser treuer Freund und hatte die


verschiedensten Gesichter und Namen« . . . . . . . . . 287

60 Die Heilige Familie in Ägypten . . . . . . . . . . . . . . 293

61 »In diesem Haus herrscht Ordnung« . . . . . . . . . . . 299

62 Erste Arbeitslehre für Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . 303

63 »Ich wollte nicht durch eine meiner Altersstufe unange-


paßte Verhaltensweise auffallen« . . . . . . . . . . . . . 305

64 Maria, die Lehrerin von Jesus, Judas und Jakobus . . . 309

65 Anfertigung des Gewandes für den volljährigen Jesus . 318

66 Die Reise von Nazaret nach Jerusalem zur Feier der


Volljährigkeit Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

67 Die Prüfung des volljährigen Jesus im Tempel . . . . . 323


5




68 Das Streitgespräch Jesu mit den Gelehrten im Tempel . 328

69 Der Schmerz Marias, weil Jesus fehlt . . . . . . . . . . . 338

70 Der Tod des Heiligen Josef . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

71 »Maria hat beim Tod Josefs tief gelitten« . . . . . . . . . 347

72 Zum Abschluß des verborgenen Lebens Jesu . . . . . . 349


Erstes Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 354


73 Der Abschied von der Mutter und der Aufbruch von

Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355


74 »Sie weinte, weil sie die Miterlöserin war« . . . . . . . 359

75 Die Taufe Jesu am Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

76 »Johannes benötigte kein besonderes Zeichen« . . . . . 370

77 Jesus wird in der Wüste vom Teufel versucht . . . . . . 373

78 »Satan zeigt sich immer wohlwollend« . . . . . . . . . . 379

79 Begegnung mit Johannes und Jakobus . . . . . . . . . . 381

80 »Ich liebte Johannes wegen seiner Reinheit« . . . . . . . 383

81 Johannes und Jakobus berichten Petrus vom Messias . 386

82 Erste Begegnung des Petrus mit dem Messias . . . . . . 392

83 »Johannes war groß auch in der Demut« . . . . . . . . 402

84 Jesus begegnet im Haus des Petrus zu Betsaida Philip-


pus und Natanaël . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

85 Judas Thaddäus kommt nach Betsaida, um Jesus zur


Hochzeit von Kana einzuladen . . . . . . . . . . . . . . 414

86 Jesus an der Hochzeit von Kana . . . . . . . . . . . . . . 419

87 »Frau, was habe ich nunmehr mit dir zu schaffen?« . . 425

88 Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel . . . . . . 427

89 Begegnung mit Judas Iskariot und Thomas • Wunder


an Simon, dem Zeloten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

90 Thomas wird Jünger Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

91 Judas des Alphäus, Thomas und Simon werden am Jor-


dan angenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

92 Nach Ostern, Rückkehr mit den sechs Jüngern nach Na-


zaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456


6




93 Die Heilung des Blinden in Kafarnaum . . . . . . . . . 461

94 Der Besessene von Kafarnaum wird in der Synagoge


geheilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469

95 Die Heilung der Schwiegermutter des Petrus . . . . . . 477

96 Jesus predigt und wirkt Wunder im Hause Petri . . . . 485

97 Jesus betet in der Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

98 Der Aussätzige bei Chorazin wird geheilt . . . . . . . . 496

99 Heilung des Gelähmten im Hause Petri in Kafarnaum 502

100 Der wunderbare Fischfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

101 Iskariot findet Jesus erneut im Getsemani und wird als


Jünger angenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

102 Jesus wirkt am Fischtor das Wunder der zerbrochenen


Klingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

103 Iskariot ist im Tempel, wo Jesus predigt . . . . . . . . . 522

104 Jesus belehrt Judas Iskariot . . . . . . . . . . . . . . . . 529

105 Jesus begegnet Johannes des Zebedäus im Garten Getse-


mani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

106 »Johannes, der Stammvater aller, die sich als Hostien


hingeben aus Liebe zu mir« . . . . . . . . . . . . . . . . 545

107 Jesus und Judas Iskariot begegnen Simon dem Zeloten


und Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

108 Jesus, Johannes, Simon und Judas gehen nach Betlehem 550

109 Jesus in Betlehem im Hause des Landwirts und in der


Grotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

110 Jesus in der Herberge von Betlehem – er predigt auf


den Trümmern von Hannas Haus . . . . . . . . . . . . . 568

111 Jesus und die Hirten Elija, Levi und Josef . . . . . . . . 580

112 Jesus in Jutta beim Hirten Isaak . . . . . . . . . . . . . . 588

113 Jesus in Hebron • Das Haus des Zacharias • Aglaia . 598

114 Jesus in Kerijot • Tod des alten Saul . . . . . . . . . . . 608

115 Jesus mit den Hirten auf dem Rückweg nach Hebron . 623

116 Jesus auf dem Berg des Fastens und am Felsen der Ver-


suchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630


7




117 Am Übergang des Jordan • Begegnung mit den Hirten

Johannes, Matthias und Simeon . . . . . . . . . . . . . . 645


118 Iskariot verkauft Diomedes die Schmuckstücke der

Aglaia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652


119 Jesus weint über Judas • Simon der Zelote tröstet ihn . 660

120 »Bei euch stehen die Guten im selben Verhältnis zu den


Bösen wie die Apostel zu Judas« . . . . . . . . . . . . . 667

121 Begegnung Jesu mit Lazarus in Betanien . . . . . . . . 668

122 Jesus kehrt nach Jerusalem zurück und hört im Tempel


Iskariot • Im Ölgarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676

123 Jesus spricht mit dem Soldaten Alexander am Fischtor 683

124 Jesus und Isaak bei Dok • Aufbruch nach Jesreel . . . 689

125 Jesus beim Hirten Jona in der Ebene von Jesreel . . . . 694

126 Abschied von Jona und Rückkehr nach Nazaret . . . . 701

127 Am Tag darauf im Haus von Nazaret . . . . . . . . . . 711

128 Jesus unterrichtet die Jünger im Olivenhain . . . . . . . 718

129 Jesus unterweist die Jünger zu Hause . . . . . . . . . . 723

130 Unterweisung der Jünger mit der allerheiligsten Jung-


frau Maria im Garten von Nazaret . . . . . . . . . . . . 728

131 Heilung der Schönen von Chorazin • Predigt in der


Synagoge von Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . 735

132 Jakobus des Alphäus wird als Jünger angenommen •


Jesus predigt neben dem Zahltisch des Matthäus . . . . 745

133 Jesus predigt vor der Menge in Betsaida . . . . . . . . . 753

134 Berufung des Matthäus zum Jünger . . . . . . . . . . . 761

135 Jesus auf dem See von Tiberias • Belehrung der Jünger


vor der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770

136 Jesus sucht Jonatan im Hause Chuzas, in Tiberias . . . 782

137 Jesus im Hause des Onkels Alphäus und danach in sei-


nem eigenen Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789

138 Jesus befragt seine Mutter über die Apostel . . . . . . . 802

139 »Wieviel Menschliches bei den Aposteln!« . . . . . . . . 804

140 Heilung Johannas des Chuza, bei Kana . . . . . . . . . 806


8




141 Jesus im Libanon bei den Hirten Benjamin und Daniel 816

142 Jesus erhält in der Stadt am Meer Briefe über Jona . . . 823

143 Jesus schließt im Hause Marias des Alphäus mit dem


Vetter Simon Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833

144 »Die Gnade wirkt immer, wo der gute Wille zur Gerech-


tigkeit vorhanden ist« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839

145 Jesus wird in Nazaret schlecht empfangen . . . . . . . 840

146 Jesus mit der Mutter im Hause der Johanna des Chuza 845

147 Jesus bei der Weinlese im Hause Hannas • Das Wun-


der am gelähmten Kinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848

148 Jesus bei Doras • Der Tod des Jona . . . . . . . . . . . 856

149 Jesus im Hause des Jakobus am See Meron . . . . . . . 874

150 Rückkehr zur Furt des Jordans bei Jericho . . . . . . . . 882

151 Jesus im Hause des Lazarus • Marta spricht über Mag-


dalena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888

152 Wieder im Hause des Lazarus nach dem Laubhütten-


fest • Einladung von Josef aus Arimathäa . . . . . . . 896

153 Jesus begegnet Gamaliël beim Mahle Josefs von Arimat-


häa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898

154 Heilung des sterbenden Kindes • Der Soldat Alexan-


der • Mißtrauen gegen Jesus . . . . . . . . . . . . . . . 909

155 Jesus spricht bei Nacht mit Nikodemus im Getsemani . 915

156 Jesus bei Lazarus, bevor er zum „Trügerischen Gewäs-


ser“ geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929

157 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: Vorbereitung der


Jünger auf das Gemeinschaftsleben . . . . . . . . . . . . 934

158 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Ich bin der Herr,


Dein Gott!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943

159 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst keine


Götter neben mir haben« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954

160 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst mei-


nen Namen nicht unnütz aussprechen« . . . . . . . . . 960


9




161 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst Vater

und Mutter ehren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970


162 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht

Unkeuschheit treiben« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984


163 Die Verschleierte beim „Trügerischen Gewässer“ . . . . 995

164 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst die Fei-


ertage heiligen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002

165 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht


töten« • Tod des Doras . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009

166 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Die drei Jünger


des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019

167 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht


begehren Deines Nächsten Frau« . . . . . . . . . . . . . 1028

168 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Er heilt den be-


sessenen Römer • Er spricht zu Römern . . . . . . . . 1035

169 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst kein


falsches Zeugnis ablegen« . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045

170 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht


begehren deines Nächsten Gut« . . . . . . . . . . . . . . 1053

171 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Abschluß der


Erklärung zum „De profundis“ und „Miserere“ . . . . 1058

172 Jesus verläßt das „Trügerischen Gewässer“ und geht


nach Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069

173 Die Heilung der krebskranken Jeruscha in Dok . . . . . 1080

174 In Betanien • Im Hause Simons des Zeloten . . . . . . 1087

175 Das Lichterfest im Hause des Lazarus in Anwesenheit


der Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099

176 Rückkehr zum „Trügerischen Gewässer“ . . . . . . . . 1118

177 Ein neuer Jünger • Aufbruch nach Galiläa . . . . . . . 1126

178 Auf den Bergen bei Emmaus . . . . . . . . . . . . . . . 1132

179 Im Hause des Synagogenvorstehers Klopas . . . . . . . 1138


10




Zweites Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 1148


180 Unterweisung der Jünger auf dem Weg nach Arimathäa 1149

181 Auf dem Weg nach Samaria • Unterweisung der Apostel 1153

182 Die Samariterin Fotinai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156

183 Bei den Bewohnern von Sychar . . . . . . . . . . . . . . 1164

184 Verkündigung der Heilsbotschaft in Sychar . . . . . . . 1168

185 Der Abschied von den Bewohnern Sychars . . . . . . . 1173

186 Unterweisung der Apostel • Wunder an der Frau von


Sychar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1176

187 Jesus besucht den Täufer bei Änon . . . . . . . . . . . . 1182

188 Jesus unterweist die Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . 1186

189 Jesus in Nazaret • »Sohn, ich werde mit dir kommen« 1191

190 In Kana im Haus der Susanna • Der königliche Beamte 1194

191 Im Haus des Zebedäus • Salome angenommen als Jün-


gerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1197

192 Jesus spricht zu den Seinen vom Apostolat der Frau . . 1200

193 Jesus in Cäsarea am Meer • Er spricht zu den Galee-


rensklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1202

194 Heilung der kleinen Römerin in Cäsarea . . . . . . . . 1211

195 Annalia legt das Gelübde der Jungfräulichkeit ab . . . 1219

196 Die Unterweisung der Jüngerinnen in Nazaret . . . . . 1227

197 Jesus spricht auf dem See mit Johanna des Chuza . . . 1237

198 Jesus in Gerasa • Die Jünger des Johannes . . . . . . . 1242

199 Von Naftali nach Gischala • Begegnung mit dem Rabbi


Gamaliël . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1248

200 Die Heilung des Enkels des Pharisäers Eli in Kafarnaum 1256

201 Jesus im Hause von Kafarnaum nach dem Wunder an


Elischa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261

202 Das Mahl im Hause des Pharisäers Eli in Kafarnaum . 1269

203 Unterwegs in die Einsamkeit der Berge vor der Erwäh-


lung der Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1274

204 Die Erwählung der zwölf Jünger zu Aposteln . . . . . . 1278

205 Die erste Predigt Simons des Zeloten und des Johannes 1286


11




206 Im Hause der Johanna des Chuza • Jesus und die Rö-

merinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1298


207 Aglaia im Hause Mariens in Nazaret . . . . . . . . . . . 1312

208 Die Bergpredigt: »Ihr seid das Salz der Erde« . . . . . . 1326

209 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Erster Teil) . . . 1336

210 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Zweiter Teil) . . 1351

211 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Dritter Teil) . . . 1359

212 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Vierter Teil) . . . 1373

213 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Fünfter Teil) . . 1384

214 Heilung eines Aussätzigen am Fuße des Berges . . . . 1412

215 Am Sabbat nach der Bergpredigt am Fuße des Berges . 1418

216 Der Diener des Zenturio wird geheilt . . . . . . . . . . 1424

217 »Laß die Toten ihre Toten begraben!« . . . . . . . . . . . 1427

218 Das Gleichnis vom Sämann . . . . . . . . . . . . . . . . 1431

219 In der Küche des Petrus • Belehrung Jesu und Ankün-


digung der Gefangennahme des Täufers . . . . . . . . . 1442

220 Das Gleichnis vom guten Weizen und vom Unkraut . . 1456

221 Jesus spricht auf dem Weg nach Magdala zu Hirten . . 1466

222 Jesus in Magdala • Zweite Begegnung mit Magdalena 1471

223 Zu Magdala im Hause der Mutter Benjamins . . . . . . 1477

224 Jesus gebietet dem Sturm auf dem See . . . . . . . . . . 1487

225 »Heimsuchungen dienen dazu, daß ihr euch eures eige-


nen Nichts bewußt werdet« . . . . . . . . . . . . . . . . 1490

226 Die besessenen Gerasener . . . . . . . . . . . . . . . . . 1492

227 Von Tarichäa zum Tabor • Die zweite Osterreise beginnt 1500

228 In En-Dor • In der Grotte der Wahrsagerin • Bekeh-


rung von Felix, der hierauf Johannes genannt wird . . 1507

229 Auferweckung des Sohnes der Witwe von Naïn . . . . 1521

230 Ankunft in Jesreel und Aufenthalt bei Micha . . . . . . 1526

231 Der Sabbat in Jesreel • Der kleine Jabe . . . . . . . . . 1529

232 Von Jesreel nach En-Gannim über Megiddo . . . . . . . 1538

233 Von En-Gannim nach Sichem in zwei Tagen . . . . . . . 1545

234 Von Sichem nach Beerot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551


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235 Von Beerot nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . 1558

236 Der Sabbat in Getsemani . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1563

237 Im Tempel zur Stunde des Opfers . . . . . . . . . . . . 1574

238 Begegnung Jesu mit seiner Mutter in Betanien . . . . . 1579

239 Die Macht des Wortes Marias . . . . . . . . . . . . . . . 1590

240 Aglaia beim Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1603

241 Die Prüfung Margziams . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1611

242 Am Abend vor Ostern im Tempel . . . . . . . . . . . . . 1618

243 Jesus lehrt das Vaterunser . . . . . . . . . . . . . . . . . 1623

244 Jesus und die Heiden in Betanien . . . . . . . . . . . . . 1633

245 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn . . . . . . . . . . . 1644

246 Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen . . . . . . . . . 1654

247 Das Gleichnis vom König, der seinem Sohn die Hoch-


zeit bereitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1661

248 Nach Betlehem mit den Aposteln und den Jüngern . . 1671

249 Auf dem Weg zu Elisa in Bet-Zur . . . . . . . . . . . . . 1685

250 Im Haus Elisas: »Laßt eure Leiden fruchtbar werden!« 1699

251 Auf dem Weg nach Hebron • Die Absichten der Welt


und die Absichten Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1707

252 Festliche Begrüßung in Hebron . . . . . . . . . . . . . . 1713

253 In Jutta • Predigt im Haus Isaaks . . . . . . . . . . . . 1725

254 In Kerijot • Jesus spricht in der Synagoge . . . . . . . . 1733

255 Im Haus des Judas von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . 1738

256 Das launenhafte Mädchen von Betginna . . . . . . . . . 1746

257 In der Ebene auf dem Weg nach Aschkelon . . . . . . . 1755

258 Im Streit mit den Pharisäern • Jesus Herr auch über


den Sabbat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1760

259 Jesus und die Seinen auf dem Weg nach Aschkelon . . 1765

260 Die Predigten und die Wunder in Aschkelon . . . . . . 1780

261 Jesus verbrennt in Migdal-Gad ein heidnisches Götzen-


bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1789

262 Belehrungen der Apostel auf dem Weg nach Jamnia . . 1798

263 Jesus und die Seinen auf dem Weg nach Modeïn . . . . 1808


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264 Jesus spricht zu Wegelagerern . . . . . . . . . . . . . . . 1813

265 Die Ankunft in Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1820

266 Der Gelähmte am Teich von Betsaida . . . . . . . . . . . 1829

267 In Betanien • »Meister, Maria hat Marta gerufen« . . . 1843

268 Margziam wird Porphyria, der Frau des Petrus, anver-


traut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1847

269 Jesus spricht in Betsaida . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1852

270 Die blutflüssige Frau und die Tochter des Jaïrus . . . . 1854

271 Jesus und Marta in Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . 1860

272 Heilung der beiden Blinden und des stummen Besesse-


nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1869

273 Das Gleichnis vom verlorenen Schaf . . . . . . . . . . . 1876

274 »Nach der Erinnerung an das Gesetz habe ich die Hoff-


nung auf Vergebung singen lassen« . . . . . . . . . . . 1880

275 Jesus sagt zu Marta: »Du hast den Sieg schon in deiner


Hand« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1891

276 Magdalena im Haus des Pharisäers Simon . . . . . . . 1894

277 »Viel wird dem verziehen, der viel liebt« . . . . . . . . 1898

278 Erwägungen über die Bekehrung Maria Magdalenas . 1900

279 »Es lohnt sich, eine Freundschaft zu verlieren, um eine


Seele zu gewinnen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1904

280 In Begleitung von Maria Magdalena unter den Jünge-


rinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1915

281 Das Gleichnis von den Fischern . . . . . . . . . . . . . . 1921

282 Margziam lehrt Magdalena das Vaterunser . . . . . . . 1930

283 Jesus zu Philippus: »Ich bin der machtvolle Liebhaber«


• Das Gleichnis von der verlorenen Drachme . . . . . . 1934

284 »Wissen ist nicht Verderben, wenn es Religion ist« . . . 1942

285 Im Haus von Kana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1954

286 Johannes wiederholt die Rede Jesu auf dem Tabor . . . 1965

287 Jesus in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1974

288 Der Sabbat in der Synagoge von Nazaret . . . . . . . . 1981

289 Die Mutter unterrichtet Magdalena . . . . . . . . . . . . 1994


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290 Zu Betlehem in Galiläa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2001

291 »Die Berufung ist mehr als das Blut« • Auf dem Weg


nach Sykaminon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2016

292 An die Jünger von Sykaminon: »Sich selbst verzehren« 2021

293 In Tyrus • »Beharrlichkeit ist das große Wort« . . . . . 2035

294 Zu den Jüngern von Sykaminon: »Der Glaube« . . . . . 2041

295 Jesus sagt Magdalena: »Ich werde dich schmieden mit


Feuer und Amboß« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2053

296 Syntyche, die griechische Sklavin . . . . . . . . . . . . . 2061

297 Der Abschied von Marta, Magdalena und Syntyche . . 2071

298 Jesus spricht über die Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . 2080

299 Jesus begibt sich mit Jakobus des Alphäus auf den Karmel 2089

300 »Auf vollkommene Weise lieben, um heiligmäßig Vor-


gesetzter zu sein« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2092

301 »Nenne ihn Sohn, der dir Schmerzen bereitet« . . . . . 2104

302 Petrus predigt in Jesreel: »Die Liebe ist das Heil« . . . 2117

303 Jesus spricht zu den Landarbeitern Johanans: »Liebe ist


Gehorsam« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2127

304 Maria, die Hochheilige: »Mein Erbarmen ist stärker als


alles« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2132

305 »Das Gute tun ist ein stärkeres Gebet als die Psalmen« 2146

306 Ein Tag Judas Iskariots in Nazaret . . . . . . . . . . . . 2150

307 Unterweisungen der Apostel zu Beginn des Apostolates 2164

308 »Bist du der Messias?« fragen die Gesandten des Täufers 2179

309 Jesus arbeitet als Schreiner für eine Witwe von Chorazin 2191

310 »Die Liebe ist das Geheimnis und das Gebot der Herr-


lichkeit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196

311 »Das Herz ist nicht mehr beschnitten« . . . . . . . . . . 2207

312 Der Tod Johannes des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . 2221

313 »Gehen wir nach Tarichäa« . . . . . . . . . . . . . . . . 2230

314 Unterredung mit einem Schriftgelehrten . . . . . . . . . 2236

315 Die erste Brotvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2242

316 Jesus wandelt auf dem Wasser . . . . . . . . . . . . . . 2249


15




317 »Wenn ihr Glauben habt, komme ich und bringe euch

außer Gefahr« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2252


318 Begegnung mit den Jüngern . . . . . . . . . . . . . . . . 2256

319 Der Geiz und der törichte Reiche . . . . . . . . . . . . . 2278

320 Im Garten Maria Magdalenas . . . . . . . . . . . . . . . 2291

321 Jesus sendet die Zweiundsiebzig aus, ihn zu verkündigen 2298

322 Die Begegnung mit Lazarus im Lager der Galiläer . . . 2304

323 Die zweiundsiebzig Jünger berichten Jesus, was sie ge-


tan haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2307

324 Im Tempel am Laubhüttenfest . . . . . . . . . . . . . . . 2312

325 Josef und Nikodemus berichten: Im Tempel weiß man


von Johannes und Syntyche . . . . . . . . . . . . . . . . 2334

326 Syntyche spricht im Haus des Lazarus . . . . . . . . . . 2342

327 Die Mission der vier Apostel in Judäa . . . . . . . . . . 2349

328 Jesus verläßt Betanien, um sich auf die andere Seite des


Jordan zu begeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352

329 Der Kaufmann von jenseits des Eufrat . . . . . . . . . . 2363

330 Von Ramot nach Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2371

331 Die Predigt in Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2377

332 Der Sabbat in Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2386

333 Der Aufbruch von Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . 2394

334 Auf dem Weg nach Bozra . . . . . . . . . . . . . . . . . 2406

335 In Bozra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2411

336 Die Predigt und die Wunder in Bozra . . . . . . . . . . 2418

337 Der Abschied von den Jüngerinnen . . . . . . . . . . . . 2429

338 In Arbela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2433

339 Auf dem Weg nach Aera . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2441

340 Jesus predigt in Aera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2451

341 Maria und Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2455

342 »Nutzlos ist der Empfang der Sakramente, wenn die


Liebe fehlt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2461

343 »Es gibt kein Elend, das Jesus nicht in Reichtum ver-


wandeln könnte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2466


16




344 »Ich will, daß die Waisen eine Mutter haben« . . . . . . 2469

345 Zu Naïn im Haus des auferweckten Daniel . . . . . . . 2476

346 Im Schafstall von En-Dor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2486

347 Von En-Dor nach Magdala . . . . . . . . . . . . . . . . . 2490

348 Jesus am Lichterfest in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . 2497

349 Jesus mit Johannes von En-Dor und Syntyche in Nazaret 2503

350 Jesus unterweist Margziam . . . . . . . . . . . . . . . . 2506

351 Simon der Zelote in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . 2512

352 Ein Abend im Haus von Nazaret . . . . . . . . . . . . . 2515

353 Jesus mit Salome, der Frau des Vetters Simon . . . . . . 2524

354 Vetter Simon kehrt zu Jesus zurück . . . . . . . . . . . . 2528

355 Simon Petrus in Nazaret • Der Großmut Margziams . 2536

356 »Nichts geht verloren in der heiligen Harmonie der uni-


versalen Liebe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2542

357 »Johannes von En-Dor, du wirst nach Antiochia gehen« 2547


Drittes Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 2562


358 In Nazaret • Versöhnung • Vorbereitungen für die

Abreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2563


359 Die Abreise von Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2573

360 Auf dem Weg nach Jiftach-El . . . . . . . . . . . . . . . 2582

361 Der Abschied Jesu von den zwei Jüngern . . . . . . . . 2589

362 Schmerz, Gebet und Buße Jesu . . . . . . . . . . . . . . 2594

363 Der Aufbruch von Ptolemaïs und die Fahrt nach Tyrus 2601

364 Abreise von Tyrus auf einem Schiff aus Kreta . . . . . . 2609

365 Sturm und Wunder auf dem Schiff . . . . . . . . . . . . 2615

366 Ankunft und Landung in Seleucia . . . . . . . . . . . . 2623

367 Von Seleucia nach Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . 2629

368 Sie begeben sich nach Antigonea . . . . . . . . . . . . . 2637

369 Der Abschied von Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . 2648

370 Die Rückkehr der acht Apostel in Achsib . . . . . . . . 2663

371 Aufenthalt in Achsib mit sechs Aposteln . . . . . . . . . 2674


17




372 Verkündigung der Frohen Botschaft auf dem Wege

nach Phönizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2677


373 Jesus in Alexandroskene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2683

374 Am Tag danach in Alexandroskene . . . . . . . . . . . . 2688

375 Der Hirte Hannas begleitet Jesus nach Achsib . . . . . 2706

376 Die kananäische Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2715

377 Bartholomäus versteht den Grund . . . . . . . . . . . . . 2729

378 Auf dem Rückweg nach Galiläa . . . . . . . . . . . . . . 2736

379 Begegnung mit Judas Iskariot und Thomas . . . . . . . 2739

380 Ismael Ben-Fabi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2750

381 Jesus mit seinen Vettern und mit Petrus und Thomas in


Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2768

382 Die gekrümmte Frau von Chorazin . . . . . . . . . . . . 2773

383 Der unfruchtbare Feigenbaum • Auf dem Weg nach Se-


fed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2779

384 Auf dem Weg nach Meiron . . . . . . . . . . . . . . . . 2789

385 Am Grabe Hillels in Gischala . . . . . . . . . . . . . . . 2794

386 Der an der phönizischen Grenze geheilte Taubstumme 2804

387 Jesus in Kedes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2809

388 Auf dem Weg nach Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . 2822

389 In Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2830

390 Auf der Burg von Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . . 2839

391 Jesus sagt zum ersten Mal seine Leiden voraus • Pe-


trus wird getadelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2845

392 Prophezeiung über Petrus und Margziam • Der Blinde


von Betsaida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2858

393 Von Kafarnaum nach Nazaret mit Manaen und den Jün-


gerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2863

394 Die Verklärung und die Heilung des Epileptikers . . . 2879

395 Belehrung der Apostel nach der Verklärung . . . . . . . 2893

396 Die Tempelabgabe und die Münze im Schlund des Fi-


sches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2896


18




397 Der Größte im Himmelreich • Der kleine Benjamin

von Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2901


398 Benjamin blieb treu bis in den Tod . . . . . . . . . . . . 2918

399 Die zweite Brotvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . 2920

400 Das geistige Wunder der Vermehrung des Wortes . . . 2923

401 Das Brot, das vom Himmel kommt . . . . . . . . . . . . 2925

402 Der neue Jünger: Nikolaus von Antiochia . . . . . . . . 2943

403 Jesus auf dem Weg nach Gadara . . . . . . . . . . . . . 2952

404 Die Nacht in Gadara und die Abreise • Die Eheschei-


dung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2960

405 Jesus in Pella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2974

406 Jenseits Jabesch-Gilead im Hause des Matthias . . . . . 2986

407 Die geheilte „Aussätzige“ (Die Rose von Jericho) . . . . 2996

408 Wunder am Jordan bei Hochwasser . . . . . . . . . . . 3013

409 Am anderen Ufer • Begegnung mit der Mutter . . . . 3026

410 In Rama • Die Zahl der Auserwählten . . . . . . . . . 3034

411 Jesus im Tempel • Vaterunser • Gleichnis über die


Söhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3046

412 Jesus im Getsemani und in Betanien . . . . . . . . . . . 3059

413 Die Briefe aus Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3076

414 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Erster Teil) . . . . 3091

415 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Zweiter Teil: Im


Tempel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3094

416 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Dritter Teil: Ver-


schiedene Unterweisungen) . . . . . . . . . . . . . . . . 3108

417 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Vierter Teil: Im


Haus der Johanna) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3116

418 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Fünfter Teil) . . . 3137

419 Während des Rüsttages (Erster Teil: Am Morgen) . . . 3151

420 Während des Rüsttages (Zweiter Teil: Im Tempel) . . . 3157

421 Während des Rüsttages (Dritter Teil: Auf den Straßen


Jerusalems) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3165


19




422 Während des Rüsttages (Vierter Teil: Das Paschamahl

mit Lazarus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3174


423 Der Sabbat der ungesäuerten Brote . . . . . . . . . . . . 3186

424 »Marta, Marta, du machst dir Sorge und Unruhe um


vieles« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3198

425 Jesus spricht in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3205

426 Auf dem Weg zum Berg Adummim . . . . . . . . . . . 3217

427 Nach der Einkehr auf dem Kerit . . . . . . . . . . . . . 3221

428 Essener und Pharisäer • Das Gleichnis vom untreuen


Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3225

429 Im Hause der Nike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3241

430 An der Furt zwischen Jericho und Betabara . . . . . . . 3250

431 Im Haus des Salomon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3260

432 Predigt an der Wegkreuzung beim Dorf des Salomon . 3267

433 Zum Westufer des Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . 3275

434 Zu Gilgal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3278

435 Nach En-Gedi • Trennung und Abschied von Judas


und Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288

436 Ankunft in En-Gedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3296

437 Predigt und Wunder in En-Gedi . . . . . . . . . . . . . 3300

438 Elischa von En-Gedi, der geheilte Aussätzige . . . . . . 3310

439 In Masada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3317

440 Im Landhaus Marias, der Mutter des Judas . . . . . . . 3324

441 Der Abschied von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . . . . 3330

442 Hanna und Maria von Kerijot • Abschied von der Mut-


ter des Judas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3336

443 Abschied von Jutta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3345

444 Abschied von Hebron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3352

445 Abschied von Bet-Zur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3358

446 In Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3365

447 Jesus mit Petrus und Bartholomäus in Bet-Ter . . . . . 3373

448 Abschied von Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3379

449 Simon des Jona in einem geistigen, siegreichen Kampf 3387


20




450 Auf dem Weg nach Emmaus in der Ebene . . . . . . . . 3391

451 Die Predigt bei Emmaus in der Ebene . . . . . . . . . . 3397

452 Jesus spricht in Joppe zu Judas Iskariot und zu den Hei-


den . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3413

453 Auf dem Landgut des Nikodemus . . . . . . . . . . . . 3428

454 Bei Josef von Arimathäa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3436

455 Sabbat im Haus des Josef von Arimathäa • Der Syn-


edrist Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3445

456 Die Apostel sprechen miteinander . . . . . . . . . . . . 3454

457 Das Wunder der Ährenlese in der Ebene . . . . . . . . 3461

458 Die Apostel unter sich und mit Jesus • Jesus und Petrus 3471

459 Am Pfingstfest in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . 3476

460 Jesus als Gast des Synedristen und Pharisäers . . . . . 3487

461 In Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3501

462 Jesus und der Bettler auf dem Weg nach Jericho . . . . 3508

463 Die Bekehrung des Zachäus . . . . . . . . . . . . . . . . 3514

464 »Zachäus ist ein Zöllner und Sünder, aber nicht aus bö-


sem Willen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3521

465 Selig die Armen im Geiste . . . . . . . . . . . . . . . . . 3525

466 Im Dorf Salomons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3529

467 Jesus in einem Dörfchen der Dekapolis . . . . . . . . . 3537

468 Der Besessene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3545

469 Der Sauerteig der Pharisäer . . . . . . . . . . . . . . . . 3557

470 »Ihr sollt sagen: „Wir sind unnütze Knechte“« . . . . . 3567

471 »Wenn jemand siebenmal bereut, sollt ihr ihm sieben-


mal verzeihen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3575

472 »Es ist ein Martyrium zu leben, um andere zu belehren,


wenn man sich nach dem Himmel sehnt« . . . . . . . . 3584

473 In Cäsarea am Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3588

474 »Die Weisheit, als eine Art der Heiligkeit, verleiht Klar-


heit im Urteil« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3601

475 Religion ist Liebe und lebendiges Verlangen, zu dem zu


gehen, an den wir glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . 3618


21




476 Das Gleichnis vom Weinberg und vom freien Willen . . 3631

477 Unterwegs in der Ebene von Jesreel . . . . . . . . . . . 3640

478 Jesus und das herabgefallene Nest . . . . . . . . . . . . 3643

479 »Selig jene, die in allen Dingen Gott zu erkennen ver-


mögen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3647

480 Weiterhin unterwegs in der Ebene von Jesreel . . . . . 3649

481 Mit den Bauern des Johanan . . . . . . . . . . . . . . . . 3652

482 In Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662

483 Jesus erzählt bei der Arbeit das Gleichnis vom lackier-


ten Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3668

484 Friedliche Sabbate in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . 3678

485 »Bevor ich Mutter bin, bin ich Tochter und Dienerin


Gottes« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3686

486 Jesus und Maria im Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . 3692

487 Maria in Tiberias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3696

488 Man muß dem Wohltäter Dankbarkeit erweisen . . . . 3705

489 Ein weiterer Sabbat in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . 3710

490 Abreise nach Betlehem in Galiläa . . . . . . . . . . . . . 3718

491 Judas Iskariot bei Maria in Nazaret . . . . . . . . . . . . 3731

492 Der Tod des Großvaters von Margziam . . . . . . . . . 3740

493 Jesus spricht zu den Aposteln über die Liebe . . . . . . 3746

494 Jesus in Tiberias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3756

495 Jesus kommt nach Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . 3773

496 Verkündigung des Evangeliums in der Gegend am See


• In Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775

497 In Magdala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784

498 Episode in Kafarnaum • Jesus, Beschützer der Kinder 3797

499 In einem Vorort von Hippos . . . . . . . . . . . . . . . . 3805

500 Morgendliche Predigt in der Vorstadt am See . . . . . . 3816

501 Predigt am Aufenthaltsort des Aussätzigen . . . . . . . 3824

502 Jesus in Hippos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3838

503 Nach Gamala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3849

504 In Gamala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3857


22




505 Von Gamala nach Afek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3875

506 Predigt in Afek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3885

507 Nach Gerasa und Rückkehr nach Kafarnaum . . . . . . 3891

508 »Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben« 3899

509 Der Sabbat in Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . 3906

510 Bei Johanna des Chuza • Briefe aus Antiochia . . . . . 3917

511 Bei den Thermen von Emmaus bei Tiberias . . . . . . . 3945

512 In Tarichäa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3954

513 Im Landhaus des Chuza jenseits des Jordan . . . . . . . 3968

514 Jesus spricht von seinem vielgeliebten Jünger . . . . . . 3988

515 In Betsaida und Kafarnaum • Erneute Abreise . . . . . 3994

516 Bei Judas und Hanna am Meronsee . . . . . . . . . . . 4006

517 Jesus erzählt das Gleichnis von der Wasserverteilung . 4012

518 »Ich kenne keine bessere Ruhe als sagen zu können: Ich


habe einen gerettet, der zugrunde ging!« . . . . . . . . 4026

519 Jeder Fall hat seine Vorgeschichte in der Zeit . . . . . . 4034

520 Abschied von den wenigen Gläubigen in Chorazin . . 4035

521 Jesus spricht über die Pflichten von Schwiegermutter


und Schwiegertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4038

522 Jesus spricht von seinem Reich und von seinem Gesetz 4045

523 Ein Urteil Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4056

524 Jesus heilt den blindgeborenen Knaben von Sidon . . . 4067

525 »Die Lehre der Schauung handelt von der Gattentreue« 4074

526 Auf der Rückkehr aus den syro-phönizischen Grenzge-


bieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4077

527 Auf dem Weg nach Sepphoris . . . . . . . . . . . . . . . 4080

528 Jesus bei den aussätzigen Sündern von Betlehem in Ga-


liläa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4088

529 Jesus und seine Mutter im Wald des Mattatias . . . . . 4100

530 Jesus im Gespräch mit Josef des Alphäus . . . . . . . . 4112

531 In Erwartung der Bauern des Johanan beim Turm von


Jesreel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4124

532 Auf dem Weg nach En-Gannim . . . . . . . . . . . . . . 4130


23




533 Ankunft Jesu mit Johannes in En-Gannim . . . . . . . . 4132

534 Jesus und der samaritanische Hirte . . . . . . . . . . . . 4140

535 Die zehn Aussätzigen bei Efraim . . . . . . . . . . . . . 4149

536 Jesus in Efraim • Das Gleichnis vom Granatapfel . . . 4161

537 Jesus in Betanien zum Laubhüttenfest . . . . . . . . . . 4169

538 Jesus beim Laubhüttenfest im Tempel • »Das Reich


Gottes kommt nicht mit Gepränge« . . . . . . . . . . . 4177

539 Im Tempel • »Kennt ihr mich und wißt ihr, woher ich


bin?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4188

540 Im Tempel • »Nur noch kurze Zeit bin ich bei euch« . 4201

541 Jesus in Nob • Ein Windwunder . . . . . . . . . . . . . 4208

542 Jesus im Lager der Galiläer mit seinen Apostelvettern . 4217

543 Am letzten großen Tag des Laubhüttenfestes . . . . . . 4227

544 In Betanien • »Man kann auf viele Arten töten« . . . . 4237

545 Am Brunnen von En-Rogel . . . . . . . . . . . . . . . . 4241

546 Jesus, die Pharisäer und die Ehebrecherin . . . . . . . . 4248

547 »Der Schuldigen weise ich den Weg der Rettung« . . . 4252

548 Unterweisung der Apostel und Jünger . . . . . . . . . . 4257

549 Im Dorf und im Haus Salomons . . . . . . . . . . . . . 4262

550 Jesus und Simon des Jona . . . . . . . . . . . . . . . . . 4269

551 Jesus spricht mit Thaddäus und Jakobus des Zebedäus 4275

552 Jesus und der Mann aus Petra bei Hesbon . . . . . . . . 4282

553 Der Abstieg vom Berg Nebo . . . . . . . . . . . . . . . . 4287

554 »Die Finsternis weist das Licht ab« . . . . . . . . . . . . 4293

555 Jesus ermutigt seine Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . 4303

556 Die Frau des sadduzäischen Nekromanten . . . . . . . 4309

557 »Ein Gebet kann euch mit Gott verbinden, nicht eine


magische Formel« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4322

558 »Die, die mich lieben, gehen fort« . . . . . . . . . . . . . 4324

559 Das Gleichnis vom ungerechten Richter . . . . . . . . . 4332

560 »Ich bin das Licht der Welt« . . . . . . . . . . . . . . . . 4341

561 »Wir sind Nachkommen Abrahams« . . . . . . . . . . . 4348

562 Im Haus des Josef von Sepphoris . . . . . . . . . . . . . 4366


24




563 Der alte Priester Mattan (oder Natan) . . . . . . . . . . 4375

564 Heilung des Blindgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 4385

565 In Nob • Judas von Kerijot lügt . . . . . . . . . . . . . 4403

566 Jesus in den Ruinen eines zerstörten Dorfes . . . . . . . 4413

567 Jesus spricht zu Emmaus im Gebirge . . . . . . . . . . . 4418

568 Jesus in Bet-Horon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4428

569 Nach Gibeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4444

570 In Gibeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4453

571 Zurück nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4459

572 Ich bin der gute Hirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4465

573 Auf dem Weg nach Betanien • Im Haus des Lazarus . 4479

574 Auf dem Weg nach Tekoa • Der alte Heli-Hanna . . . 4487

575 Jesus spricht in Tekoa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4500

576 In Jericho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4506

577 Predigt in Jericho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4516

578 Im Haus des Zachäus mit den Bekehrten . . . . . . . . 4528

579 Jesus urteilt über Sabäa von Bet-Lehi . . . . . . . . . . . 4541

580 In Betabara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4565

581 Auf dem Rückweg nach Nob . . . . . . . . . . . . . . . 4570

582 In Nob • Judas Iskariot gehorcht nicht mehr . . . . . . 4576

583 Die folgenden Tage in Nob . . . . . . . . . . . . . . . . . 4583

584 Jesus mit dem unzüchtigen Judas von Kerijot . . . . . . 4592

585 Jesus und Valeria • Das Wunder an dem kleinen Levi


zu Nob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4599

586 Jesus und die Sünderin, die ihn versuchen soll . . . . . 4625

587 Jesus und Judas Iskariot auf dem Weg nach Jerusalem 4643

588 Jesus in der Synagoge der römischen Libertiner . . . . 4647

589 Judas und die Feinde Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659

590 Die sieben geheilten Aussätzigen • Jesus zu den Apo-


steln, Marta und Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4674

591 Jesus am Tempelweihfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4687

592 Jesus begibt sich zur Geburtshöhle, um allein zu sein . 4704

593 Jesus und Johannes des Zebedäus . . . . . . . . . . . . 4716

594 Jesus, Johannes und Manaen . . . . . . . . . . . . . . . . 4725


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Vorbereitung auf die Passion 4740


595 Die Juden im Haus des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . 4741

596 Die Juden bei Marta und Maria . . . . . . . . . . . . . . 4744

597 Marta läßt den Meister benachrichtigen . . . . . . . . . 4751

598 Der Tod des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4759

599 Die Benachrichtigung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 4774

600 Beim Begräbnis des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . 4782

601 »Laßt und zu unserem Freund Lazarus gehen, der


schläft« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4795

602 Die Auferweckung des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . 4805

603 Gedanken über die Auferweckung des Lazarus . . . . . 4828

604 In der Stadt Jerusalem und im Tempel nach der Aufer-


stehung des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4832

605 Jesus in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4849

606 Auf dem Weg nach Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . . 4867

607 Der erste Tag in Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4881

608 Wenn das Sabbatgebot auch wichtig ist, so ist doch das


Gebot der Liebe das wichtigste . . . . . . . . . . . . . . 4887

609 Am anderen Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895

610 In der Nacht desselben Tages . . . . . . . . . . . . . . . 4912

611 An einem Sabbat in Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . 4924

612 Die Verwandten der Kinder und die Leute von Sichem 4935

613 Die geheime Unterweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 4943

614 Was in der Dekapolis und in Judäa geschieht . . . . . . 4950

615 Was in Judäa und besonders in Jerusalem geschieht . . 4957

616 Der Soferim Samuel, ehemaliger Jünger des Jonatan


Ben-Uziel und dann Jünger Jesu . . . . . . . . . . . . . 4970

617 Was in Galiläa und besonders in Nazaret geschieht . . 4986

618 Was in Samaria und bei den Römerinnen geschieht . . 4991

619 Jesus und der Mann von Jamnia . . . . . . . . . . . . . 4998

620 Jesus, Samuel, Judas und Johannes . . . . . . . . . . . . 5012

621 Die Ankunft der Mutter und der Jüngerinnen in Efraim 5028

622 Judas von Kerijot ist ein Dieb . . . . . . . . . . . . . . . 5057


26




623 Die Reise durch Samaria vor dem Paschafest • Von

Efraim nach Schilo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5089


624 In Schilo • Die schlecht Beratenen . . . . . . . . . . . . 5098

625 In Lebona • Die schlecht Beratenen • Noch einmal


über den Wert der Ratschläge . . . . . . . . . . . . . . . 5103

626 In Sichem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5114

627 Der Wert, den der Gerechte den Ratschlägen gibt . . . 5118

628 Jesus geht nach Änon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5125

629 In Änon • Der Jüngling Benjamin . . . . . . . . . . . . 5129

630 Jesus wird von den Samaritern abgelehnt . . . . . . . . 5144

631 Die Begegnung mit dem reichen Jüngling . . . . . . . . 5163

632 Dritte Ankündigung des Leidens • Die Mutter der Söh-


ne des Zebedäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5171

633 In Jericho vor dem Besuch in Betanien . . . . . . . . . . 5184

634 Jesus spricht zu unbekannten Jüngern . . . . . . . . . . 5189

635 Die beiden Blinden von Jericho . . . . . . . . . . . . . . 5197

636 Jesus kommt nach Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . 5208

637 Der Freitag vor dem Einzug in Jerusalem • I. Jesus und


Judas von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5217

638 Der Freitag vor dem Einzug in Jerusalem • II. Jesus


und die Jüngerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5231

639 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • I. Das Wun-


der an Methusalem oder Schalem . . . . . . . . . . . . . 5257

640 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • II. Pilger


und Juden in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5272

641 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • III. Das


Gastmahl in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5279


Die Passion 5294


642 Verschiedene Einführungen: I. »Der Sohn Gottes und

der Frau ohne Makel war wie ein Wurm geworden« . . 5295


643 Verschiedene Einführungen: II. »Man braucht nur die

Wahrheit zu sagen, um gehaßt zu werden« . . . . . . . 5299


27




644 Verschiedene Einführungen: III. »Ich habe darunter ge-

litten, meine Mutter leiden zu sehen« . . . . . . . . . . 5301


645 Verschiedene Einführungen: IV. »Ich war und ich bin

der Sohn Gottes. Aber ich war auch der Menschensohn.« 5304


646 Verschiedene Einführungen: V. »Ihr denkt nie daran,

wieviel ihr mich gekostet habt« . . . . . . . . . . . . . . 5312


647 Der Abschied von Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . 5315

648 Judas geht zu den Vorstehern des Synedriums . . . . . 5328

649 Von Betanien nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . 5340

650 Der Einzug Jesu in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . 5347

651 Der Abend des Palmsonntags . . . . . . . . . . . . . . . 5365

652 Der Montag nach dem Einzug in Jerusalem: I. Der Tag 5371

653 Der Montag vor dem Paschafest: II. Die Nacht in Getse-


mani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5393

654 Der Dienstag vor dem Paschafest: I. Der Tag . . . . . . 5400

655 Der Dienstag vor dem Paschafest: II. Die Nacht . . . . 5407

656 Der Mittwoch vor dem Paschafest: I. Der Tag . . . . . . 5412

657 Der Mittwoch vor dem Paschafest: II. Die Nacht . . . . 5460

658 Der Donnerstag vor dem Paschafest: Der Tag . . . . . . 5469

659 Beschreibung des Abendmahlsaales • Abschied von


der Mutter vor dem letzten Abendmahl . . . . . . . . . 5488

660 Das Paschamahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5492

661 Betrachtungen über das letzte Abendmahl . . . . . . . 5530

662 Die Todesangst und die Gefangennahme in Getsemani 5533

663 Die verschiedenen Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . 5557

664 Anmerkungen über das Verhalten des Pilatus Jesus ge-


genüber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5593

665 Judas von Kerijot nach seinem Verrat . . . . . . . . . . . 5600

666 »Wenn Judas sich der Mutter zu Füßen geworfen und


um Erbarmen gefleht hätte, dann hätte die Barmherzige

ihn wie einen Verwundeten aufgehoben« . . . . . . . . 5611


667 »Maria muß Eva annullieren« . . . . . . . . . . . . . . . 5614

668 Johannes geht und holt die Mutter . . . . . . . . . . . . 5626


28




669 Vom Prätorium zum Kalvarienberg . . . . . . . . . . . . 5632

670 Die Kreuzigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5650

671 Das Grab des Josef von Arimathäa • Die furchtbare


Seelenqual Marias und die Einbalsamierung des Erlö-

sers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5683


672 Die Rückkehr zum Abendmahlsaal . . . . . . . . . . . . 5697

673 Die Nacht des Karfreitags . . . . . . . . . . . . . . . . . 5712

674 Die Klage der Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5719

675 Der Tag des Karsamstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5740

676 Die Nacht des Karsamstags . . . . . . . . . . . . . . . . 5753


Die Verherrlichung 5766


677 Der Morgen der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . 5767

678 Der Ostermorgen • Klage • Gebet Marias . . . . . . . 5776

679 Die Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5782

680 Jesus erscheint der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . 5786

681 Die frommen Frauen am Grab . . . . . . . . . . . . . . . 5790

682 Zum vorigen Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5802

683 Jesus erscheint Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5809

684 Jesus erscheint Johanna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5817

685 Jesus erscheint Josef, Nikodemus und Manaen . . . . . 5821

686 Jesus erscheint den Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5825

687 Jesus erscheint den Jüngern von Emmaus . . . . . . . . 5828

688 Jesus erscheint anderen Freunden . . . . . . . . . . . . . 5838

689 Jesus erscheint den zehn Aposteln . . . . . . . . . . . . 5843

690 Die Rückkehr des Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . 5857

691 Jesus erscheint den Aposteln mit Thomas . . . . . . . . 5865

692 Der Auferstandene Jesus in Getsemani . . . . . . . . . . 5877

693 Die Apostel gehen nach Golgota • Und dann . . . . . . 5903

694 Jesus bestätigt den Gläubigen an verschiedenen Orten


seine Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5924

695 Jesus erscheint am Ufer des Sees . . . . . . . . . . . . . 5970

696 Jesus auf dem Tabor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5978


29




697 Jesus zu den Aposteln und Jüngern . . . . . . . . . . . 5995

698 Das nachgeholte Paschafest . . . . . . . . . . . . . . . . 6020

699 Die Himmelfahrt des Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . 6029

700 Die Wahl des Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6047

701 Die Herabkunft des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . 6053

702 Petrus, nicht mehr der rauhe Fischer, in seiner neuen


Würde als Oberhirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6058

703 Maria empfängt Lazarus und Josef von Arimathäa . . . 6063

704 Maria und Johannes an den Orten der Passion . . . . . 6073

705 Das Grabtuch wird Maria überbracht . . . . . . . . . . 6078

706 Das Martyrium des Stephanus . . . . . . . . . . . . . . 6086

707 Die verschiedenen Wirkungen und Folgen der Begeg-


nungen mit Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6093

708 Die Beisetzung des heiligen Stephanus . . . . . . . . . . 6097

709 Gamaliël wird Christ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6102

710 Unterredung zwischen Petrus und Johannes . . . . . . 6109

711 Der selige Heimgang Marias . . . . . . . . . . . . . . . . 6115

712 Aufnahme Marias in den Himmel . . . . . . . . . . . . 6129

713 Erwägungen und Erklärungen zur Himmelfahrt und


zum Heimgang der allerheiligsten Jungfrau Maria . . . 6136

714 Abschließende Bemerkungen zum Werk . . . . . . . . . 6146


Anhang 6161


30




Verborgenes Leben Jesu




»Gott besaß mich zu Beginn seiner Werke«

(Spr 8,22)


1 »Maria kann die Zweitgeborene des Vaters genannt werden«


Jesus trägt mir auf:

»Nimm ein ganz neues Heft und kopiere auf das erste Blatt das Diktat vom


16. August. Dieses Buch wird von Ihr handeln.«

Ich gehorche und kopiere (22. August 1944).


Jesus sagt:

»Heute schreibe nur dies! Die Reinheit hat einen solchen Wert, daß


der Schoß einer Frau den Unerfaßbaren nur umfassen konnte, weil

sie die höchste Reinheit besaß, die ein Geschöpf Gottes haben kann.


Die Allerheiligste Dreifaltigkeit stieg mit ihren Vollkommenheiten

herab, wohnte mit ihrem unendlichen Sein in einem kleinen Raum –

ohne dadurch von ihrer Unendlichkeit zu verlieren – und offenbarte

sich mit ihren charakteristischen Eigenschaften:


Der Vater wiederum als Schöpfer, wie am sechsten Tage. Er schuf

eine wahre „Tochter“, seiner würdig und ihm ähnlich. Der Stem-

pel Gottes war in Maria eingeprägt, so klar und scharf, daß er nur

im Erstgeborenen des Vaters [Röm 8,29] vollkommener war. Maria

kann die „Zweitgeborene“ des Vaters genannt werden, weil sie we-

gen der verliehenen und bewußt bewahrten Vollkommenheit, wegen

der Würde als Braut und Mutter Gottes und als Königin des Him-

mels die Zweite nach dem Sohn des Vaters ist; die Zweite im ewi-

gen Gedanken des Vaters, der von Ewigkeit her an ihr Wohlgefallen

fand.


Der Sohn, der auch für sie „der Sohn“ war, lehrte sie – durch den

geheimnisvollen Eingriff der Gnade – seine Wahrheit und Weisheit,

als er noch ein Keim war, der in ihrem Schoß heranwuchs.


Der Heilige Geist erscheint den Menschen in einem vorweggenom-

menen, verlängerten Pfingstfest als Liebe in „der, die er liebte“; als


32




Trost durch die Frucht ihres Schoßes; als Heiligung durch die Mut-

terschaft des Heiligen.


Um sich den Menschen in einer neuen und vollkommenen Wei-

se zu offenbaren, welche das Zeitalter der Erlösung einleitet, wählte

Gott nicht einen Stern des Himmels zu seinem Thron oder den Pa-

last eines mächtigen Herrschers; auch nahm er nicht die Flügel der

Engel zum Schemel seiner Füße. Vielmehr wollte er einen Schoß oh-

ne Makel.


Auch Eva war ohne Makel erschaffen worden; aber sie hat sich

aus freiem Willen verderben wollen. Maria, die in einer zerrütteten

Welt lebte – während Eva von einer reinen umgeben war – woll-

te ihre Reinheit nicht einmal durch einen Gedanken an die Sünde

beeinträchtigen. Sie wußte, daß die Sünde existiert. Sie sah ihre viel-

fältigen, schrecklichen Gesichter. Sie sah sie alle, auch das grauen-

hafteste: den Gottesmord. Aber sie lernte sie kennen, um für sie zu

sühnen und in alle Ewigkeit die zu sein, die Erbarmen mit den Sün-

dern hat und für ihre Rettung betet.


Dieser Gedanke ist eine Einleitung zu anderen heiligen Dingen, die ich dir und

vielen anderen zum Trost mitteilen werde.«


2 Joachim und Anna machen dem Herrn ein Gelübde


Ich sehe das Innere eines Hauses. Dort sitzt eine bejahrte Frau an

einem Webstuhl. Nach ihrem sicherlich einst schwarzen, nun aber

schon ergrauten Haar und ihrem Gesicht, das noch nicht gerunzelt,

aber doch durch den Ernst der Jahre geprägt ist, möchte ich schätzen,

daß sie 50–55 Jahre alt ist. Nicht älter.


Bei der Bestimmung dieses Alters nehme ich das Gesicht meiner Mutter zum

Vergleich, das mir besonders in diesen Tagen, die mich an ihre letzten Tage an mei-

nem Bett erinnern, gegenwärtig ist . . . Das Gesicht meiner Mutter war unter den

frühzeitig weiß gewordenen Haaren sehr jugendlich. Im Alter von fünfzig Jahren

war sie weiß und schwarz wie am Ende ihres Lebens. Aber, abgesehen von der


33




Reife ihres Blickes, verriet nichts ihre Jahre. Ich könnte mich daher irren, wenn ich

älteren Frauen eine bestimmte Anzahl von Jahren gebe.


Die Frau, die ich in einem hellerleuchteten Raum weben sehe, ist

schön in ihren typisch hebräischen Gesichtszügen. Die halbgeöffne-

te Tür läßt den Blick über einen großen Garten schweifen, den ich

aufgrund seiner Ausdehnung eher als ein kleines Gut bezeichnen

möchte, das sich über ein welliges Gelände dahinzieht. Die tiefen,

schwarzen Augen der Frau erinnern mich – ich weiß nicht warum

– an jene Johannes des Täufers. Sie sind stolz wie die einer Königin,

aber zugleich auch sanft, als wäre über ihr adlerhaftes Aufblitzen ein

himmelblauer Schleier gebreitet worden. Sanft und zugleich ein we-

nig traurig, wie wenn jemand trübsinnig verlorener Dinge gedenkt.

Die Gesichtsfarbe ist bräunlich, aber nicht übermäßig. Der Mund,

ein klein wenig breit, ist schön geformt und hat einen ernsten, aber

nicht harten Zug. Die Nase ist lang und fein, leicht nach unten ge-

bogen. Eine Adlernase, die gut zu diesen Augen paßt. Die Frau ist

kräftig, aber nicht dick, gut gebaut und, nach ihrer sitzenden Hal-

tung zu schätzen, ziemlich groß.


Ich glaube, sie webt ein Zelttuch oder einen Teppich. Die vielfar-

bigen Spulen eilen schnell über den dunkelbraunen Webstuhl, und

das fertige Stück Tuch zeigt eine Verschlingung von Verzierungen

und Rosetten, in denen grün, gelb, rot und dunkelblau sich verflech-

ten und vermischen wie in einem Mosaik. Die Frau trägt ein ganz

einfaches, tiefdunkles Gewand, dessen Violettrot an gewisse Stief-

mütterchen erinnert.


Auf ein Pochen an der Tür erhebt sie sich. Sie ist wirklich groß.

Vor der Tür steht eine Frau, die fragt: »Anna, willst du mir deinen

Krug geben? Ich werde ihn für dich füllen.«


Die Frau hat einen lebhaften Jungen von fünf Jahren bei sich, der

sich sofort an das Kleid der genannten Anna schmiegt. Sie liebkost

ihn, während sie in einen anderen Raum geht, und kommt mit ei-

nem schönen kupfernen Krug zurück, den sie der Frau mit den Wor-

ten gibt: »Immer bist du gut zu deiner alten Anna. Gott vergelte es


34




dir an diesem Kind und an den Söhnen, die du hast und haben wirst,

du Glückliche!« Anna seufzt. Die Frau schaut sie an und weiß nicht,

was sie zu diesem Seufzer sagen soll. Um sie von dem Kummer, der

sie offenbar bedrückt, abzulenken, sagt sie: »Ich lasse Alphäus hier,

wenn er dir nicht lästig ist; so geht es schneller, und ich kann dir

viele Krüge und Schläuche füllen.«


Alphäus freut sich, daß er bleiben darf, und der Grund ist ver-

ständlich. Kaum ist die Mutter fort, da nimmt ihn Anna auf ihre

Schultern und geht mit ihm in den Garten hinaus. Sie hebt ihn

hoch in einem Laubengang, von dem goldgelbe Weintrauben her-

abhängen, und sagt: »Iß, iß, die sind gut!« Und sie küßt ihn auf das

vom Saft der Früchte klebrige Gesichtchen, während das Kind eif-

rig Beere um Beere verspeist. Dann lacht sie vor Freude und scheint

gleich jünger mit den schönen Zähnen, die zum Vorschein kommen,

und der Freude, die das Gesicht überstrahlt, als das Kind noch sagt:

»Und was gibst du mir jetzt?« und sie dabei mit großen, graublauen

Augen anschaut. »Was gibst du mir, wenn ich dir, wenn ich dir ge-

be . . . na, rate was!« Und das Kind klatscht in die Hände und sagt

lachend: »Küsse, Küsse gebe ich dir, schöne Anna, gute Anna, Ma-

ma Anna . . . « Anna hört sich Mama nennen, drückt mit einem Freu-

denschrei den Kleinen an sich und sagt: »Oh, mein Schatz! Liebling,

Liebling!« Bei jedem „Liebling“ küßt sie die rosigen Wangen. Dann

gehen sie zu einem Schränkchen, und sie nimmt von einem Teller et-

was Honigkuchen. »Ich habe ihn für dich gebacken, du Freude der

armen Anna, weil du mich so gern hast. Aber sage mir, wie sehr

liebst du mich?« Der Junge erinnert sich an das, was ihn in seinem

bisherigen Leben am meisten beeindruckt hat, und sagt: »Wie den

Tempel des Herrn.« Anna küßt ihn noch einmal auf die lebhaften

Äuglein, auf das rosige Mündchen, und das Kind schmiegt sich an

sie wie ein Kätzchen.


Die Mutter kommt und geht mit dem Krug und lacht, ohne dabei

etwas zu sagen. Sie überläßt die beiden ihren Zärtlichkeiten.


Da kommt vom Garten her ein alter Mann, etwas kleiner als An-


35




na, mit vollem, schneeweißem Haar. Er hat ein helles Gesicht mit

einem viereckig geschnittenen Bart und zwei türkisblauen Augen

unter den hellbraunen, fast blonden Augenbrauen. Ein dunkelbrau-

nes Gewand kleidet ihn.


Anna sieht ihn nicht, denn sie steht mit dem Rücken gegen den

Ausgang. Er geht auf sie zu und spricht: »Und für mich nichts?« An-

na wendet sich um und sagt: »Oh, Joachim, bist du mit deiner Arbeit

fertig?« Gleichzeitig schmiegt sich der kleine Alphäus an Joachims

Knie und sagt: »Auch für dich, auch für dich.« Joachim beugt sich

zu ihm nieder. Das Kind wühlt in dem weißen Bart und gibt ihm

einen schallenden Kuß.


Auch Joachim hat ein Geschenk für Alphäus . . . Er hielt es bisher

in der linken Hand hinter dem Rücken; nun aber zeigt er den wun-

derschönen Apfel, der wie gemalt aussieht, und sagt lachend zum

Kind, das erwartungsvoll die Händchen danach ausstreckt: »Warte,

ich schneide ihn dir in Stücke. So kannst du ihn nicht essen; er ist ja

fast größer als du.« Und mit einem Messerchen, das er sonst zum Be-

schneiden der Bäume und der Blumensträucher benützt, zerteilt er

den Apfel in kleine Scheiben, die er mit großer Sorgfalt in den klei-

nen Mund steckt, als hätte er es mit einem noch im Nest sitzenden

Vögelchen zu tun.


»Sieh doch die Augen, Joachim! Sind sie nicht wie zwei Stückchen

des galiläischen Meeres, wenn der Abendwind einen Wolkenschleier

über den Himmel webt?« Bei diesen Worten legt Anna eine Hand

auf Joachims Schulter und lehnt sich leicht an ihn: eine Haltung,

die eine tiefe Gattenliebe bekundet; eine nach so langen Ehejahren

ungetrübte Liebe.


Joachim schaut sie liebevoll an und nickt, indem er sagt: »Sehr

schön sind sie! Und diese Löckchen? Haben sie nicht die Farbe des

Heus, wenn es die Sonne getrocknet hat? Schau: ein Gemisch von

Gold und Kupfer.«


»Ach, wenn wir ein Kind gehabt hätten: so hätte ich es mir ge-

wünscht; mit diesen Augen und diesen Haaren . . . « Anna hat sich


36




niedergebeugt, ja niedergekniet, und küßt mit einem schweren Seuf-

zer die beiden großen blaugrauen Augen.


Auch Joachim seufzt. Aber er will sie trösten, legt ihr eine Hand

auf die krausen, weißen Haare und sagt: »Wir dürfen die Hoffnung

nicht aufgeben. Gott ist allmächtig. Solange man lebt, kann das Wun-

der jederzeit stattfinden; besonders wenn man ihn liebt und sich ge-

genseitig liebt.« Joachim betont diese letzten Worte.


Anna aber schweigt niedergeschlagen und hat das Haupt geneigt,

um die beiden Tränen zu verbergen, die über ihre Wangen herun-

terrollen; nur der kleine Alphäus bemerkt sie und ist erstaunt und

betrübt, daß seine große Freundin weint wie er selbst manchmal. Er

hebt ein Händchen und wischt die Tränen ab. »Weine nicht, Anna!«

tröstet sie Joachim. »Wir sind auch so glücklich. Ich wenigstens bin

es, weil ich dich besitze.«


»Auch ich bin glücklich, weil ich dich habe. Aber ich habe dir

keinen Sohn geschenkt . . . Vielleicht habe ich dem Herrn in etwas

mißfallen, da er mir den Schoß verschlossen hat . . . «


»Oh, meine Gattin! Worin solltest du ihm mißfallen haben, du Hei-

lige? Höre! Gehen wir für dieses unser Anliegen noch einmal zum

Tempel! Nicht nur wegen des Laubhüttenfestes [Ex 23,14–17]. Beten

wir lange! . . . Vielleicht ergeht es dir wie Sara . . . wie Hanna, der

Frau des Elkana. Lange haben sie gewartet und haben geglaubt, sie

seien verworfen, weil sie kinderlos blieben. Statt dessen reifte für sie

im Himmel Gottes ein heiliges Kind [1 Kön 1; 2,11]. Lächle, meine

Gattin! Dein Weinen schmerzt mich mehr als die Kinderlosigkeit . . .

Wir werden Alphäus mit uns nehmen und ihn beten lassen; ihn, der

unschuldig ist . . . und Gott wird sein Gebet und unser Gebet anneh-

men und erhören.«


»Ja, machen wir dem Herrn ein Gelübde. Ihm soll das Kind ge-

hören, wenn er es uns gibt . . . Ach, könnte ich mich doch „Mama“

rufen hören!«


Da sagt Alphäus, der erstaunte und unschuldige Zuschauer: »Ich

nenne dich doch so!«


37




»Ja, meine liebe Freude . . . «

Hier endet die Vision.


Ich begreife, daß der Zyklus der Geburt Marias begonnen hat. Und ich bin sehr

erfreut darüber, denn ich habe diese so sehr ersehnt. Ich denke, daß auch Sie zu-

frieden sein werden (In diesem Satz, wie an anderen Stellen dieses Buches, wendet

sich die Verfasserin an ihren Seelenführer).


Bevor ich zu schreiben begann, hörte ich die Mutter sagen: »Tochter, schreibe

jetzt von mir! Für alle deine Leiden wirst du Trost empfangen.« Und während

sie mir dies sagte, legte sie mir die Hand aufs Haupt und streichelte mich zärtlich;

dann kam die Vision. Anfangs aber, solange ich die Fünfzigjährige nicht mit Namen

rufen hörte, wußte ich nicht, daß ich die Mutter der Mutter vor mir hatte und daß

die Gnade ihrer Geburt bevorstand.


3 Das Gebet Annas im Tempel wird erhört


Bevor ich fortfahre, sei folgende Bemerkung gemacht.

Das Haus schien mir nicht das mir wohlbekannte von Nazaret zu sein; wenig-


stens war die Umgebung eine ganz andere. Auch war der Gemüse- und Blumengar-

ten viel größer, und Felder waren in der Ferne sichtbar. Nicht viele, aber immerhin

etliche. Später, nach der Vermählung Marias ist nur mehr ein Gemüsegarten da,

und das Zimmer, das ich in dieser Vision sah, habe ich in den folgenden niemals

wiedergesehen. Ich weiß nicht, wie ich mir das erklären soll; ob sich die Eltern

Marias aus finanziellen Gründen eines Teiles ihrer Habe entledigten oder ob Maria

nach dem Verlassen des Tempels in ein anderes Haus kam, das ihr vielleicht von

Josef gegeben wurde. Ich erinnere mich nicht, ob sich in den früheren Visionen und

Lehrstücken ein sicherer Anhaltspunkt dafür findet, daß das Haus von Nazaret ihr

Geburtshaus gewesen ist. Mein Kopf ist sehr müde. Ferner vergesse ich, besonders

was die Diktate angeht, sofort die Worte, während mir die Aufträge und das Licht

in der Seele eingeprägt bleiben. Aber Einzelheiten verflüchtigen sich unmittelbar.

Wenn ich nach einer Stunde wiederholen sollte, was ich gehört habe, wüßte ich

nichts mehr, abgesehen von ein oder zwei Hauptgedanken. Die Visionen hingegen

bleiben mir lebendig im Gedächtnis, weil ich bei ihnen selbst beobachten muß. Die

Diktate schreibe ich einfach nieder. Jene hingegen muß ich in mich aufnehmen. Sie

bleiben in mir lebendig, weil ich selbst auf alle Einzelheiten habe achten müssen.


Ich hoffte, es würde ein Diktat über die gestrige Vision kommen. Aber nein. Nun

beginne ich zu schauen und schreibe.


Außerhalb der Mauern von Jerusalem auf den Hügeln und zwi-

schen den Ölbäumen hat sich eine große Menschenmenge niederge-


38




lassen. Es scheint ein riesiger Marktplatz zu sein. Aber man sieht

keine Tische und Buden. Auch hört man nicht die Stimmen von

Marktschreiern und Verkäufern. Keine Spiele. Es sind da sehr viele

Zelte aus rauher, sicher wasserundurchlässiger Leinwand, die über

Pfähle, die im Boden befestigt sind, gezogen ist. Von den Pfählen

hängen grüne Zweige herab, die zur Zierde und zur Erfrischung

dienen. Andere Zelte bestehen ganz aus Zweigen, die im Boden be-

festigt wurden und so miteinander verbunden sind, daß sie kleine,

grüne Lauben bilden. Unter jedem dieser Zelte befinden sich Men-

schen jedes Alters und jedes Standes. Ihre Gespräche sind friedvoll

und gesammelt, höchstens von einem Kinderschrei unterbrochen.


Die Nacht bricht herein, und schon leuchten da und dort, in die-

sem eigenartigen Lager, Öllaternen auf. Um diese Lichter versam-

melt nehmen einige Familien ihre Abendmahlzeit ein; man sitzt auf

dem Boden, die Mütter mit ihren Kleinen auf dem Schoße. Viele Kin-

der schlafen ermüdet ein, oft noch ein Stück Brot zwischen den rosi-

gen Fingerchen, und lassen ihre Köpfchen auf die Brust der Mutter

sinken, wie Kücken unter der Henne. Die Mütter beenden ihre Mahl-

zeit, so gut sie es können, mit der freien Hand, während die andere

das Kind an ihr Herz drückt. Andere Familien hingegen sind noch

nicht bei der Mahlzeit. Man spricht im Halbdunkel miteinander und

wartet darauf, daß das Essen bereit sei. Kleine Feuer brennen hier

und dort, und um sie herum sind die Frauen beschäftigt. Ein Wie-

genlied, langsam, fast klagend gesungen, wiegt ein noch unruhiges

Kind in den Schlaf.


Oben in der Höhe ein schöner, heiterer Himmel, der immer dun-

kelblauer wird, bis er einem gewaltigen Theaterzeltdach aus wei-

chem, schwarzblauem Samt gleicht, auf dem unsichtbare Künstler

und Dekorateure ganz allmählich Perlen und Lichter erscheinen las-

sen; einige einzeln, andere in bizarren, geometrischen Gebilden, un-

ter denen der große und der kleine Bär mit ihren Wagenformen her-

vorstechen, die Wagenstangen auf dem Boden aufgestützt und die

Zugtiere ausgespannt. Der Polarstern strahlt in vollem Glanz.


39




Ich erfahre, daß es Oktober ist, denn eine kräftige Männerstimme

sagt: »Der heurige Oktober ist von einer seltenen Schönheit!«


Sieh da, Anna kommt von einem Feuer. Sie trägt verschiedene

Dinge auf einem breiten, flachen Brotfladen, der ihr als Teller dient.

An ihren Kleidern hängt Alphäus, dessen Kinderstimmchen hörbar

ist. Joachim beeilt sich, die Laterne anzuzünden, als er Anna sieht.

Er hatte auf der Schwelle seiner kleinen Laubhütte mit einem drei-

ßigjährigen Mann gesprochen, den Alphäus von weitem mit einem

Schrei als Papa begrüßt hat.


Anna schreitet in fürstlichem Gang durch die Reihen der Zelthüt-

ten. Fürstlich und doch bescheiden. Sie sieht auf niemanden stolz

herab. Sie richtet den Kleinen einer armen, sehr armen Frau auf, der

ihr gerade vor die Füße gefallen ist, als er bei seinem hastigen Lau-

fen stolperte; und da er sich das Gesichtchen beschmutzt hat und

weint, reinigt und tröstet sie ihn und übergibt ihn der herbeieilen-

den Mutter mit den Worten: »Oh, es ist nichts! Ich freue mich, daß

er sich nicht weh getan hat. Welch ein schönes Kind! Wie alt ist es?«


»Drei Jahre. Er ist das Zweitjüngste; aber in Kürze werde ich noch

ein Kind bekommen. Jetzt habe ich sechs Knaben und deshalb hätte

ich gerne ein Mädchen . . . Für eine Mutter bedeutet ein Mädchen

viel . . . «


»Der Allerhöchste hat dich sehr beschenkt, Frau!« Anna seufzt.

Die andere: »Ja, ich bin arm, aber die Kinder sind unsere Freude,


und die größeren helfen schon bei der Arbeit mit. Und du, Herrin

(daß Anna aus vornehmen Kreisen kommt, erkennt die Frau an ih-

rem ganzen Benehmen), wie viele Kinder hast du?«


»Keine«

»Keine?! Ist das nicht das deinige?«

»Nein, es gehört einer braven Nachbarin; es ist mein Trost . . . «

»Sind sie dir gestorben, oder . . . «

»Ich habe nie Kinder gehabt.«

»Oh!« Die arme Frau schaut sie mitleidig an. Anna grüßt sie mit


einem tiefen Seufzer und geht zu ihrer Sippe.


40




»Ich habe auf mich warten lassen, Joachim. Eine arme Frau hat

mich aufgehalten, eine Mutter von sechs Knaben, denke dir! Und in

Bälde wird sie noch ein Kind bekommen.«


Joachim seufzt.

Der Vater von Alphäus ruft seinen Buben; aber dieser antwortet:


»Ich bleibe bei Anna. Ich helfe ihr.« Alle lachen.

»Laß ihn nur! Er ist uns keine Last. Er ist noch nicht zur Einhal-


tung des Gesetzes verpflichtet. Hier oder dort. Er ist wie ein Vöglein,

das gefüttert wird«, sagt Anna und setzt sich nieder mit dem Kind

auf dem Schoß. Sie gibt ihm Brotkuchen und, wie mir scheint, ge-

rösteten Fisch. Ich sehe, daß sie letzteren zubereitet, bevor sie ihn

ihm gibt. Vielleicht nimmt sie die Gräten heraus. Vorher hat sie ih-

ren Gemahl bedient. Sie selbst ißt als letzte.


Die Nacht wird immer sternenklarer und die Lichter im Lager im-

mer zahlreicher. Dann erlöschen allmählich viele Lichter. Es beginnt

bei jenen, die zuerst ihr Abendbrot eingenommen haben und die

jetzt schlafen gehen. Auch der Lärm schwindet langsam. Kinderstim-

men sind nicht mehr zu hören. Nur der eine oder andere Säugling

läßt sein Stimmchen vernehmen wie ein Lämmlein, das nach der

Muttermilch verlangt. Die Nacht breitet ihren Atem über Personen

und Dinge und verwischt Mühen und Erinnerungen, Hoffnungen

und Sorgen; aber vielleicht leben diese jetzt im Traum neu auf.


Während Anna Alphäus wiegt, der anfängt, auf ihren Armen ein-

zuschlafen, sagt sie zu ihrem Gatten: »Letzte Nacht habe ich ge-

träumt, daß ich im nächsten Jahr für zwei Feste in die heilige Stadt

kommen werde, anstatt für eines allein. Und ein Fest wird die Opfe-

rung meines Kindes im Tempel sein . . . Oh! Joachim! . . . «


»Hoffe, hoffe, Anna! Hast du sonst nichts vernommen? Hat dir

der Herr nichts ins Herz geflüstert?«


»Nichts. Es war nur ein Traum . . . «

»Morgen ist der letzte Gebetstag. Alle Opfer sind bereits darge-


bracht, aber wir werden die Gebete morgen nochmals feierlich wie-

derholen. Wir wollen Gott überwältigen mit unserer treuen Liebe.


41




Ich denke immer, dir wird es wie der Hanna des Elkana ergehen.«

»So Gott will . . . und ich möchte auch jemandem begegnen, der


mir sagt: „Geh in Frieden! Der Gott Israels hat dir die Gnade ge-

währt, um die du ihn bittest!“«


»Wenn die Gnade kommt, wird dein Kind es dir sagen, wenn es

sich das erste Mal in deinem Schoße regt. Es wird die Stimme der

Unschuld sein, daher die Stimme Gottes.«


Jetzt schweigt das Lager in der Finsternis. Auch Anna bringt Al-

phäus in die Nachbarhütte zurück und legt ihn aufs Heu neben

die kleinen Brüder, die bereits schlafen. Dann legt sie sich neben

Joachim nieder, und auch ihr Lämpchen erlöscht. Eines der letzten

Sternchen der Erde. Viel schöner leuchten die Sterne am Firmament,

die über die Schlafenden wachen.


4 »Joachim hat sich mit der Weisheit Gottes vermählt, die

eingeschlossen war im Herzen der gerechten Frau«


Jesus sagt:

»Die Gerechten sind immer weise, denn sie sind Freunde Gottes,


leben in seiner Gemeinschaft und werden von ihm belehrt; von ihm,

der die unendliche Weisheit ist. Meine Großeltern waren gerecht

und besaßen daher die Weisheit. Sie konnten in Wahrheit sagen, wie

es im Buch steht, welches das Lob der Weisheit singt: „Ich habe sie

geliebt und gesucht von meiner frühesten Jugend an und habe be-

schlossen, sie mir zur Braut zu nehmen.“ [Weish 8,2]


Anna vom Stamm Aarons war die starke Frau, von der unser Vor-

fahr spricht [Spr 31,10–31], und Joachim vom Stamme des Königs

David hat nicht so sehr Anmut und Reichtum gesucht als vielmehr

die Tugend. Anna besaß eine große Tugend. Ja, alle Tugenden waren

in ihr vereint, wie ein duftender Blumenstrauß, um etwas einziges,

Schönes zu bilden: die Tugendhaftigkeit. Eine königliche Tugend,

würdig, vor dem Thron Gottes zu stehen.


42




Joachim hatte sich daher zweimal mit der Weisheit vermählt, „in-

dem er sie liebte mehr als jede andere“. Er hat sich mit der Weisheit

Gottes vermählt, die eingeschlossen war im Herzen der gerechten

Frau. Anna, die Tochter Aarons, hatte nichts anderes gewollt, als

ihr Leben mit einem gerechten Mann zu teilen, in der Überzeugung,

daß die Freude der Familie in der Rechtschaffenheit besteht. Und

um ein Sinnbild der „starken Frau“ zu sein, fehlte ihr nur die Krone

der Kinder, die der Ruhm der verheirateten Frau und die Rechtferti-

gung der Vermählung ist, von der Salomon spricht [Spr 17,6]. Auch

zu ihrem Glück fehlten ihr nur diese Kinder, die Blüten des Bau-

mes, der zu einem einzigen geworden ist mit seinem Nachbarbaum

und von ihm den Reichtum jener neuen Früchte empfangen hat, in

denen sich die Tugenden beider zu einer einzigen verbinden; denn

von seiten des Gatten mußte sie niemals eine Enttäuschung erleben.


Da sie nun alterte und seit vielen Jahren Joachims Gattin war, blieb

sie für ihn dennoch immer „die Braut seiner Jugend, seine Freude,

das geliebte Reh, die schlanke Gazelle“ [Spr 5,18–19], deren Liebko-

sungen jedes Mal den Zauber des ersten Vermählungsabends hatten

und voller Zärtlichkeit seine Liebe entzückten, indem sie ihn frisch

erhielten wie eine Blume, die der Tau benetzt, und glühend wie das

Feuer, das immer von neuen genährt wird. In ihrer Betrübnis ob der

Kinderlosigkeit richteten sie aneinander Worte des Trostes, in Ge-

danken und in den schweren Augenblicken. Die Stunde kam, und

die ewige Weisheit, die sie im Leben unterwiesen hatte, erleuchtete

sie nun in den nächtlichen Träumen. So erfuhren sie, daß der Mor-

genstern der Herrlichkeit aus ihnen hervorgehen sollte, nämlich die

Heilige Maria, meine Mutter.


Wenn sie auch in ihrer Demut nicht daran dachten, so zitterten

doch ihre hoffnungsvollen Herzen beim ersten Schall der göttlichen

Verheißung. Schon liegt Gewißheit in den Worten Joachims: „Hoffe,

hoffe . . . wir werden Gott besiegen durch unsere treue Liebe.“


Sie wünschten sich einen Sohn: sie erhielten die Mutter des Herrn.

Die Worte des Buches der Weisheit scheinen für sie geschrieben wor-


43




den zu sein: „Durch sie werde ich Ruhm ernten vor dem Volk . . .

durch sie werde ich Unsterblichkeit erlangen und hinterlassen ewi-

ges Gedenken meiner bei jenen, die nach mir kommen werden“

[Weish 8,13]. Um all das zu erlangen, mußten sie aber zu Königen

einer wahren und dauerhaften Tugend werden, die kein Ereignis

verletzen kann. Tugend des Glaubens, Tugend der Liebe, Tugend

der Hoffnung, Tugend der Keuschheit.


Die Keuschheit der Gatten! Sie besaßen sie, denn um keusch zu

sein, bedarf es nicht der Jungfernschaft. Auch das keusche Brautge-

mach hat seinen Schutzengel, der für eine gute Nachkommenschaft

sorgt, für die die Tugend der Eltern eine Richtlinie im Leben bildet.


Was ist aber aus ihr geworden? Heute wünscht man weder Kinder

noch Keuschheit. Daher sage ich, die Liebe und das Brautgemach

sind entweiht worden.«


5 Mit einem Lobgesang verkündete Anna ihre Mutterschaft


Ich sehe wieder das Haus von Joachim und Anna. Im Innern hat

sich nichts verändert, wenn man von den zahlreichen, blühenden

Zweigen absieht, die hier und dort Vasen füllen und sicherlich von

den Obstbäumen im Garten kommen, die jetzt alle in Blüte stehen:

eine Wolke, deren Farbe vom Weiß des Schnees ins Rot gewisser

Korallen übergeht.


Auch die Arbeit Annas ist nicht mehr die gleiche. An einem Web-

stuhl, der viel kleiner ist als der frühere, webt sie schöne Linnentü-

cher und singt im Rhythmus der Bewegung ihrer Füße einen Lob-

gesang. Sie singt und lächelt . . . Für wen? Für sich selbst, für etwas,

das sie in ihrem Innern sieht. Der Gesang ist langsam und doch freu-

dig. Ich habe ihn niedergeschrieben, stückweise, denn sie wiederholt

ihn mehrmals, als schöpfe sie daraus Seligkeit. Immer stärker und

sicherer wird ihr Gesang, wie der eines Menschen, der einen Rhyth-

mus in seinem Herzen gefunden hat und ihn erst nur leise vor sich

hersagt, dann aber mit zunehmender Sicherheit den Ton erhöht und


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schneller wird. Ich schreibe ihn nieder, denn er ist sehr lieblich in

seiner Schlichtheit.


»Ehre sei dem Vater, dem Allmächtigen, der von den Söh-

nen Davids Liebe erntet. Ehre sei dem Vater!


Hohe Gnade hat mich heimgesucht vom Himmel her.

Der alte Baum gibt einen neuen Sproß, der mich be-


glückt.

Am Fest der Lichter warf die Hoffnung ihren Samen:

nun sieht der Blütenduft des Nisans ihn keimen.

Wie der Mandelbaum erblüht mein Fleisch zur Frühlings-


zeit.

Es fühlt, daß seine Frucht erscheinen wird, zur Abend-


zeit.

Auf diesem Zweig blüht eine Rose, prangt einer der sü-


ßesten Äpfel;

ein Stern geht auf, hell leuchtet er am Himmel; ein junges,


unschuldiges Leben ist uns gegeben.

Die Freude des Hauses, des Gatten und der Gattin.

Lob sei dem Herrn, ja meinem Herrn, der Erbarmen mit


mir hatte!

Sein Licht hat mir verkündet: Ein Stern wird zu dir kom-


men.

Ehre, Ehre sei Dir! Dein wird die Frucht der Pflanze sein.

Die erste und letzte, heilige und reine, die ein Geschenk


des Herrn ist.

Dein soll sie sein, und durch sie wird Freude und Frieden


auf Erden kommen.

Webschiffchen, flieg! Der Faden soll zu Windeln fürs


Kindlein werden.

Es wird geboren werden! Gott preisend steige empor mei-


nes Herzens Jubel!«


Joachim tritt ein, während sie dabei ist, ihren Gesang zum dritten


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Mal zu wiederholen. »Bist du glücklich, Anna? Du bist wie ein Vög-

lein an einem Frühlingsmorgen. Welch ein Gesang mag das wohl

sein? Nie habe ich ihn von jemandem gehört. Woher kommt er uns?«


»Aus meinem Herzen, Joachim.« Anna hat sich erhoben und geht

ihrem Gatten voll lachender Freude entgegen. Sie sieht jünger und

schöner aus.


»Als Poetin habe ich dich noch nicht gekannt«, sagt ihr Gemahl

und schaut sie mit offensichtlicher Bewunderung an. Sie scheinen

nicht mehr ein bejahrtes Paar. In ihren Blicken liegt die Zartheit jun-

ger Verlobter.


»Ich kam aus dem Hintergrund des Gartens, da hörte ich dein

Singen. Seit Jahren hörte ich dich nicht mehr mit der Stimme der

verliebten Turteltaube singen. Willst du mir diesen Gesang noch ein-

mal wiederholen?«


»Ich würde ihn dir wiederholen, auch wenn du mich nicht dar-

um gebeten hättest. Die Kinder Israels haben stets dem Gesang den

wahrsten Ausruf ihrer Hoffnung, ihrer Freude und ihres Schmerzes

anvertraut. Auch ich will dir und mir mit dem Gesang eine große

Freude kundtun. Ja, auch mir selbst, denn die Sache ist so groß, daß

sie mir noch nicht wahr scheint, obwohl ich ihrer doch so sicher

bin . . . « Und sie beginnt aufs neue zu singen. Als sie die Stelle er-

reicht: »Auf diesem Zweig blüht eine Rose, prangt einer der süße-

sten Äpfel; ein Stern geht auf . . . « erfaßt ihre schöne Altstimme ein

Zittern; sie stockt, schaut Joachim mit einem Freudenschluchzer an

und ruft mit erhobenen Armen aus: »Ich bin Mutter!« Dann stürzt

sie an sein Herz, in die Arme, die er ihr entgegengestreckt hat und

mit denen er jetzt seine glückliche Gemahlin an sich drückt. Das

war die keuscheste und seligste Umarmung, die ich je gesehen habe.

Keusch und doch glühend in ihrer Keuschheit. Dazu der sanfte Vor-

wurf, der in das graue Haar von Anna gesprochen wird: »Und du

hast mir nichts davon gesagt!«


»Ja, ich wollte dessen gewiß sein . . . Alt wie ich bin . . . mich als

Mutter zu wissen . . . Ich konnte es nicht glauben . . . Und ich wollte


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dir nicht die bitterste aller Enttäuschungen bereiten. Schon seit En-

de Dezember fühle ich eine tiefe Veränderung in meinem Innersten,

weil, wie gesagt, ein neuer Zweig sich bildet. Aber nun bin ich der

Frucht auf diesem Zweig sicher . . . Siehst du, dieses Tuch ist schon

für den kommenden Sprößling.«


»Ist das nicht der Flachs, das du im Oktober in Jerusalem erwor-

ben hast?«


»Ja, und dieser Flachs habe ich gesponnen, während ich wartete . . .

und hoffte. Ich hoffte, denn als ich am letzten Tag im Tempel bete-

te, solange eine Frau im Haus Gottes verweilen darf, und es war ja

schon Abend . . . erinnerst du dich, daß ich da sagte: „Noch, noch

ein wenig!“? Ich konnte mich von jener Stätte nicht trennen, ohne

das Bewußtsein, Gnade erlangt zu haben! Und sieh da: Im Schat-

ten, der schon das Innere des heiligen Ortes erfüllte, den ich mit

der ganzen Anziehungskraft der Seele betrachtete, um von dem ge-

genwärtigen Gott eine Zusage zu erhalten, sah ich ein Licht, einen

Funken schönsten Lichtes. Es war weiß wie der Mond, hatte aber in

sich das Leuchten aller Perlen und Edelsteine, die es auf Erden gibt.

Es schien, als ob einer der kostbarsten Sterne des Vorhangs, einer der

Sterne unter den Füßen der Kerubim, sich loslöste und ein überna-

türliches Licht ausstrahlte . . . Es schien, als ob jenseits des heiligen

Vorhanges von der Herrlichkeit Gottes ein Feuer ausginge, auf mich

zueilte und beim Durchdringen der Luft mit himmlischer Stimme

sänge: „Das, worum du bittest, soll dir gegeben werden.“ Daher sin-

ge ich: „Ein Stern wird zu dir kommen.“ Welch ein Sohn wird der

unsrige sein, der uns als Sternenlicht im Tempel geoffenbart wird

und der am Fest der Lichter spricht: „Da bin ich.“ Mögest du rich-

tig gesehen haben, als du mich für eine neue Hanna Elkana hieltest

[1 Sam 1,9]. Wie werden wir unser Kind nennen, das ich lieblich wie

plätscherndes Wasser in meinem Schoß reden höre mit seinem klei-

nen Herzen, das schlägt und schlägt wie jenes eines Turteltäubchens

in der Höhlung der Hände?«


»Wenn es ein Knabe ist, so werden wir ihn Samuel nennen; ist


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es aber ein Mädchen, so geben wir ihm den Namen Stella (Stern).

Dieses Wort hat deinen Gesang beendet, als mir die Freude zuteil

wurde, mich Vater zu wissen; dies ist die Gestalt, die es angenom-

men hat, um sich im heiligen Schatten des Tempels zu offenbaren.«


»Stern, unser Stern, denn ich weiß nicht, aber ich denke, es wird

ein Mädchen sein. Es scheint mir, daß so sanfte Liebkosungen nur

von einem allerliebsten Töchterchen kommen können. Denn nicht

ich trage es; es bereitet mir keine Schmerzen. Sie ist es, die mich da-

hinträgt auf einem himmelblauen, blumenreichen Pfad, als ob ich ge-

tragen würde von heiligen Engeln und die Erde schon weit entfernt

wäre. Ich habe immer von den Frauen gehört, daß das Empfangen

und Schwangersein Schmerzen mit sich bringt. Aber ich fühle kei-

nen Schmerz. Ich fühle mich stark, jung und frisch, mehr als damals,

da ich dir in ferner Jugendzeit meine Jungfräulichkeit schenkte. Die

Tochter Gottes – denn von Gott kommt sie mehr als von uns, da sie

aus einem verdorrten Stamme sprießt – bereitet ihrer Mutter keine

Pein; nur Frieden und Segen bringt sie ihr: die Geschenke Gottes,

ihres wahren Vaters.«


»Dann werden wir sie Maria nennen, Stern unseres Meeres, Perle,

unser Glück. Es ist der Name der ersten Frau [Ex 15,20–21; Num

12,1–15]. Aber diese wird nie sündigen gegen den Herrn, und ihn

allein wird sie besingen, denn ihm ist sie geweiht: Opfer schon vor

der Geburt.«


»Ja, ihm sei es angeboten, ob Knabe oder Mädchen. Wenn wir uns

drei Jahre an unserem Kind erfreut haben, werden wir es dem Herrn

schenken. Auch wir wollen zusammen mit ihm eine Opfergabe sein,

zur Ehre Gottes.«


Weiteres sehe und höre ich nicht.


6 »Die Makellose war nie Gottes Gedenken bar«


Jesus spricht:

»Die Weisheit Gottes erleuchtete sie in den nächtlichen Träumen,


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stieg als „Hauch der Gotteskraft in sie herab, als Ausstrahlung der

Herrlichkeit des Allmächtigen“ [Weish 7,25], und wurde für die Un-

fruchtbare Wort. Der, der die Zeit der Erlösung herannahen sah, Ich,

Christus, der Enkel Annas, wirkte etwa fünfzig Jahre später durch

das Wort Wunder an den Unfruchtbaren, den Kranken, den Besesse-

nen, den Trostlosen und an allen Elenden der Erde.


Inzwischen aber flüsterte ich, in der Freude, eine Mutter zu haben,

geheimnisvolle Worte im Schatten des Tempels, der die Hoffnungen

Israels barg; des Tempels an der Grenze seines Daseins; denn der

neue und wahre Tempel, der nicht mehr die Hoffnungen eines Vol-

kes, sondern die ewige Gewißheit des Paradieses für das Volk der

ganzen Erde darstellt, sollte in Bälde errichtet werden. Und dieses

Wort wirkt das Wunder und macht fruchtbar, was unfruchtbar war;

es gibt mir eine Mutter, die nicht nur als Tochter zweier Heiliger ei-

ne vollkommene Natur hat, die nicht nur wie viele andere ein edles

Herz besitzt, die nicht nur durch ihren guten Willen beständig an

Güte zunimmt und nicht nur einen unbefleckten Körper hat, son-

dern auch als einzige unter den Geschöpfen eine unbefleckte Seele.


Du hast in deinem Leben viele aufeinanderfolgende Generationen

der Kinder Gottes gesehen. Nun erwäge, wie schön die Seele gewe-

sen sein muß, die der Vater mit Wohlgefallen anschaute, noch bevor

die Zeit begann; diese Seele, die die Freude der Allerheiligsten Drei-

faltigkeit war, die gleichsam darauf brannte, sie mit ihren Gaben

auszustatten, um sich selbst damit zu beschenken. O du vollkom-

men Heilige, die Gott für sich und das Heil der Welt erschuf! Du

Trägerin des Erlösers, du Anfang unseres Heiles! Lebendiges Para-

dies, du hast mit deinem Lächeln begonnen, die Erde zu heiligen.


O Seele, geschaffen, die Seele der Mutter Gottes zu sein! Als aus

einem lebendigeren Herzschlag der dreifaltigen Liebe dieser leben-

dige Funke entsprang, jubelten die Engel; denn helleres Licht hatte

das Paradies nie erblickt . . . Wie ein himmlisches Rosenblatt, ein

geistiges, kostbares Blütenblatt, das zugleich Perle und Flamme, das

der Hauch Gottes war, der herabstieg, ein Fleisch zu beleben, gar ver-


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schieden von den übrigen Menschen – wie ein mächtiges Feuer, das

keine Schuld aufkommen ließ, durcheilte er die Räume und schloß

sich ein in einen heiligen Schoß.


Die Erde besaß die Blume, wußte es aber noch nicht; die wahre,

einzige Blume, die in alle Ewigkeit blüht: Lilie und Rose, Veilchen

und Jasmin, Zyklame und Sonnenblume, alle irdische Blumenschön-

heit in sich schließend: Maria, in der alle Tugenden und Gnaden

sich vereinen. Im April glich Palästina einem großen Garten. Die

Düfte und Farben entzückten das Herz der Menschen. Aber noch

war die allerschönste Rose unbekannt. Schon blühte sie für Gott im

geheimen Mutterschoß, denn meine Mutter liebte vom Augenblick ihrer

Empfängnis an.1 Aber erst wenn die Weinrebe ihr Blut gibt, damit

daraus Wein werde, und der Duft des Mostes, süß und stark, die

Tenne und die Nasenflügel erfüllt, erst dann soll sie vor Gott und

den Menschen lächeln und mit ihrem unschuldigen Lächeln sagen:


„Seht die Rebe, die euch die Traube geben wird, die, gepreßt in der

Kelter, ewige Medizin gegen eure Übel sein wird – nun ist sie bei

euch.“


Ich habe gesagt: „Maria liebte, seit sie empfangen war.“ Was gibt

dem Geist Licht und Erkenntnis? Die Gnade. Und was nimmt die

Gnade hinweg? Die Erbsünde und die Todsünde.


Maria, die Makellose, entbehrte nie Gottes Gedenken, seine Nähe,

seine Liebe, seine Weisheit, sein Licht. Daher war sie schon fähig zu

verstehen und zu lieben, als sie noch ein Fleisch war, das sich um

eine unbefleckte Seele verdichtete, die beständig liebte.


Später werde ich dich im Geist die Tiefe der Jungfräulichkeit Ma-

rias schauen lassen. Es wird dir ein himmlisches Erschaudern verur-

sachen, wie damals, als ich dir unsere Ewigkeit zu betrachten gab.

Inzwischen erwäge, wie die Mutter, die in ihrem Schoß ein Geschöpf

trägt, das frei von allen von Gott trennenden Makeln ist, selbst wenn

sie nur natürlich, menschlich empfangen hat, eine höhere Erkenntnis


1Sie war voller Gnaden. Gnade aber ist Liebe, ist Weisheit, ist alles. Und da Maria

deren Fülle besaß, liebte sie von dem Augenblick an, da sie eine Seele hatte.


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erhält, die aus ihr eine Prophetin macht: Die Prophetin ihrer Tochter,

die sie „Tochter Gottes“ nennt.


Und dann bedenke, was geschehen wäre, wenn von den unschul-

digen Ureltern unschuldige Kinder geboren worden wären, wie Gott

es wollte! Das, ihr Menschen, die ihr euch zum „Übermenschen“ ent-

wickeln wollt, mit euren Lastern aber nur zum „Überdämon“ wer-

det, das wäre das Mittel gewesen, ein „Übermenschentum“ zu errei-

chen. Ihr wäret nicht vom Satan berührt worden und hättet Gott die

Gestaltung des Lebens, der Erkenntnis und des Guten überlassen,

ohne mehr zu verlangen, als Gott euch geben wollte (und es war um

weniges weniger als das Unendliche). Ihr hättet in einer beständi-

gen Entwicklung zum Vollkommenen Söhne gezeugt, die dem Leib

nach Menschen und dem Geist nach Söhne der Weisheit gewesen

wären, d. h. Sieger, Starke und Riesen gegenüber Satan, der zu Bo-

den geschmettert worden wäre Tausende von Jahrhunderten vor der

Stunde, in der es nun geschehen wird, und mit ihm all sein Böses.«


7 Geburt der Jungfrau Maria


Ich sehe Anna in den Blumen- und Gemüsegarten hinausgehen. Sie

stützt sich auf den Arm einer Verwandten, wie mir scheint; denn die

Frau sieht ihr sehr ähnlich. Sie ist hochschwanger und offenbar sehr

müde; vielleicht auch wegen der Schwüle, die sehr jener gleicht, die

mich umgibt.


Obwohl der Garten schattig ist, ist die Luft doch glühend heiß,

ja erdrückend. Eine Luft, die man zerschneiden könnte wie einen

weichen Teig, so dicht scheint sie zu sein unter dem erbarmungslos

blauen Himmel. Es muß schon seit längerer Zeit nicht mehr geregnet

haben, denn die Erde ist dort, wo sie nicht bewässert wird, buchstäb-

lich zu feinstem, fast weißem Staub geworden. Das Weiß neigt leicht

zu einem schmutzigen Rosa, während der Boden dort, wo er bewäs-

sert wird, dunkelbraun bis rot ist; so am Fuß der Bäume, längs der

kleinen Beete, auf denen reihenweise Gemüse wächst, und um die


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Rosenstöcke, den Jasmin und andere Blumen und Blümchen, die es

besonders vorne gibt und entlang der schönen Laube, die den Gemü-

segarten in zwei Teile teilt, bis zum Beginn der Felder, deren Hafer

schon geerntet worden ist. Auch das Gras am Rand des Besitztums

ist trocken und spärlich. Nur am äußersten Ende, dort wo sich eine

Hecke aus wildem Weißdorn befindet, der schon fast ganz der Rubi-

ne seiner kleinen Früchte beraubt ist, dort ist das Gras grüner und

dichter, und dort weiden, bewacht von einem Hirtenknaben, einige

Schafe auf der Suche nach Futter und Schatten.


Joachim macht sich an den Beeten und an den Olivenbäumen zu

schaffen. Er hat zwei Männer um sich, die ihm helfen. Wenn er auch

schon alt ist, so ist er dennoch flink und arbeitet mit Freude. Sie öff-

nen kleine Dämme an den Grenzen eines Feldes, um den durstigen

Bäumen Wasser zuzuleiten. Und das Wasser bahnt sich einen Weg,

plätschert zwischen Kräutern und trockener Erde dahin und breitet

sich in den Wendungen aus, die für einen Augenblick gelbes Kri-

stall zu sein scheinen, dann aber zu dunklen Rinnen feuchter Erde

werden, rings um die Rebstöcke und die schwerbeladenen Oliven-

bäume.


Langsam geht Anna durch die schattige Laube, unter der gold-

gelbe Bienen gierig nach dem Saft der blonden Beeren fliegen, auf

Joachim zu, der ihr, sobald er ihrer ansichtig wird, entgegeneilt.


»Bis hierher bist du gekommen?«

»Das Haus ist heiß wie ein Ofen.«

»Und du leidest darunter.«

»Das Leiden der letzten Stunden einer Schwangeren. Es ist das


Leiden aller: Menschen und Tiere. Erhitze dich nicht zu sehr, Joa-

chim!«


»Der so lange erwartete Regen, der seit drei Tagen schon nahe

scheint, ist noch nicht gekommen, und die Flur verbrennt. Es ist

gut für uns, daß die Quelle so nahe ist, und so reich an Wasser. Ich

habe die Kanäle geöffnet. Eine kleine Erleichterung für die Bäume

mit ihren welken und staubbedeckten Blättern; aber genug, um sie


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am Leben zu erhalten. Wenn es nur regnete! . . . « Joachim blickt mit

der Sorge des Landwirts forschend zum Himmel auf, während Anna

sich müde Luft zufächelt mit einem getrockneten Palmblatt, das von

vielfarbigen Fäden, die es steif halten, durchflochten ist.


Die Verwandte sagt: »Dort, jenseits des hohen Hermon steigen

schnell dahinziehende Wolken auf. Nordwind; er bringt Frische und

vielleicht etwas Regen.«


»Seit drei Tagen weht er so; aber dann läßt er beim Aufgehen des

Mondes wieder nach. So wird es auch heute sein«, sagt Joachim

entmutigt.


»Kehren wir ins Haus zurück. Auch hier kann man nicht at-

men . . . « sagt Anna, die aufgrund einer Blässe, die ihr Gesicht befal-

len hat, olivenfarbiger als gewöhnlich erscheint.


»Hast du Schmerzen?«

»Nein. Ich fühle den großen Frieden, den ich im Tempel empfun-


den habe, als ich Erhörung fand; ich habe ihn auch gefühlt, als ich

wußte, daß ich Mutter werde. Es ist wie eine Ekstase. Ein sanfter

Schlaf des Körpers, während der Geist aufjubelt und in einem Frie-

den schwelgt, für den es auf menschlicher Ebene keinen Vergleich

gibt. Ich habe dich lieb, Joachim, und als ich in dein Haus einzog

und mir sagte: „Ich bin die Braut eines Gerechten“, hatte ich ein Ge-

fühl des Friedens und ebenfalls, sooft deine tätige Liebe sich um dei-

ne Anna sorgte. Aber der jetzige Friede ist von anderer Art. Schau:

ich glaube, daß es ein Friede ist, wie der sich ölartig ausbreitende

und lindernde Friede, den der Geist Jakobs, unseres Vaters, nach sei-

nem Traumgesicht von den Engeln empfand [Gen 28,12]; oder besser

noch: er ähnelt dem freudigen Frieden der beiden Tobias, nachdem

Rafael sich ihnen geoffenbart hatte [Tob 12]. Je mehr ich mich in ihn

vertiefe und ihn genieße, um so mehr wächst er. Es ist, als erhöbe

ich mich in die blauen Räume des Himmels . . . Ich weiß nicht war-

um, aber seit ich in mir diese friedliche Freude habe, vernehme ich

einen Gesang in meinem Herzen: den des alten Tobias [Tob 13,1–13].

Mir ist, als sei er für diese Stunde geschrieben worden . . . für diese


53




Freude . . . für das Land Israel, dem sie zuteil wird . . . für Jerusalem,

die Sünderin, der nun verziehen wird . . . aber . . . lächelt nur über

das irre Reden einer Mutter . . . aber wenn ich sage: „Danke dem

Herrn für seine Wohltaten und preise den Herrn, den Ewigen, da-

mit er in dir sein Zelt wieder erbaue!“, dann denke ich, daß der, der

in Jerusalem das Zelt des wahren Gottes wieder erbauen wird, das

Geschöpf ist, das bald geboren wird . . . Ich meine auch, daß nicht

so sehr von der heiligen Stadt als vielmehr von meinem Kind das

Schicksal vorausverkündet wird, wenn es im Lobgesang heißt: „Du

wirst in hellem Licht erstrahlen, alle Völker der Erde werden sich

vor dir niederwerfen, die Nationen werden zu dir kommen und dir

Geschenke bringen, sie werden in dir den Herrn anbeten und dein

Land heilig heißen; denn in dir werden sie den Großen Namen an-

rufen. Du wirst glücklich sein in deinen Söhnen, denn alle werden

gesegnet sein und sich um den Herrn versammeln. Selig, die dich

lieben und sich an deinem Frieden erfreuen! . . . “ Und die erste, die

sich freut, bin ich selbst, die selige Mutter . . . «


Anna entflammt sich bei diesen Worten und wechselt mehrmals

Farbe wie ein Wesen, das aus dem Mondlicht zu einem großen Feu-

er getragen wird und umgekehrt. Sanfte Tränen rollen ihr über die

Wangen herab; sie beachtet sie nicht in ihrer Freude. Inzwischen

kehrt sie zwischen dem Gemahl und ihrer Verwandten, die beide

bewegt schweigen und lauschen, zum Haus zurück.


Sie beeilen sich, denn die Wolken, die von einem starken Wind

getrieben werden, kommen rasch näher und breiten sich am Him-

mel aus, und die Ebene wird dunkel und erschaudert in der Ankün-

digung des Gewitters. Als sie an der Schwelle des Hauses ankom-

men, durchfurcht ein erster hellzuckender Blitz den Himmel, und

das Grollen des Donners ertönt wie das Schmettern einer riesigen

Pauke, das sich in das Trommeln der ersten Tropfen auf die dürren

Blätter mischt.


Alle treten ein, und Anna zieht sich zurück, während Joachim,

von seinen Helfern eingeholt, an der Türe über den so lange erwar-


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teten Regen zu sprechen beginnt, der ein wahrer Segen für das dur-

stige Land ist. Aber die Freude verwandelt sich in Furcht, denn es

kommt ein heftiges Unwetter mit Blitzen und hagelbeladenen Wol-

ken. »Wenn die Wolke platzt, werden die Weinstöcke und die Oli-

venbäume wie im Mörser zerstampft. Wir Ärmsten!«


Noch eine andere Angst befällt Joachim: für seine Gattin ist die

Stunde gekommen, da ihr Kind das Licht der Welt erblicken soll. Die

Verwandte versichert ihm, daß Anna tatsächlich nicht leidet. Aber

er bleibt unruhig, und jedes Mal, wenn die Verwandte oder ande-

re Frauen, unter denen sich auch die Mutter des Alphäus befindet,

aus der Kammer Annas herauskommen und mit warmem Wasser,

Decken und Linnen, die sie am hellflackernden Feuer der geräumi-

gen Küche erwärmt haben, dorthin zurückkehren, geht er hin und

erkundigt sich, läßt sich aber durch ihre Versicherungen nicht beru-

higen. Auch das Fehlen von Schmerzensschreien macht ihm Sorge.

Er sagt: »Ich bin ein Mann und habe nie eine Geburt gesehen; aber

ich erinnere mich gehört zu haben, daß das Fehlen von Geburtswe-

hen verhängnisvoll ist.«


Die Nacht bricht infolge des außergewöhnlich heftigen Gewitters

verfrüht herein. Wassergüsse, Winde, Blitze, alles stellt sich ein; doch

nicht der Hagel, der sich anderswo entladen hat.


Einer der Burschen weist auf die Heftigkeit des Gewitters hin und

bemerkt: »Es scheint, daß Satan mit all seinen Dämonen aus der

Hölle herausgekommen ist. Schau, welch schwarze Wolken! Riechst

du, welch ein Schwefelgeruch in der Luft liegt und hörst du das

Pfeifen und Zischen, die Klagestimmen und die Flüche? Wenn er es

ist, dann rast er heute abend ganz schön!«


Der andere Bursche lacht und sagt: »Es muß ihm eine große Beu-

te entgangen sein, oder Michael hat ihn mit einem neuen Blitz Got-

tes getroffen und ihm Hörner und Schwanz abgeschnitten und ver-

brannt.«


Eine Frau kommt und ruft: »Joachim, sie hat gerade geboren! Al-

les ging schnell und glücklich vonstatten!« Und sie verschwindet

wieder mit einem Krüglein in der Hand.


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Das Unwetter bricht in sich zusammen nach einem lauten und so

heftigen Blitzschlag, daß es die drei Männer gegen die Wand wirft

und an der Frontseite des Hauses im Boden des Gartens zur Erinne-

rung ein schwarzes, rauchendes Loch bleibt. Während im Zimmer

Annas ein Wimmern hörbar wird, das dem Klagen eines Turteltäub-

chens gleicht, das zum ersten Mal nicht mehr piepst, sondern gurrt,

breitet ein gewaltiger Regenbogen seinen Halbkreis über die ganze

Breite des Himmels aus. Er steigt auf oder scheint wenigstens aufzu-

steigen von der Höhe des Hermon aus, der, von einem Sonnenstrahl

geküßt, wie ein Alabasterblock in zartestem Rosaweiß leuchtet und

sich in den klaren Septemberhimmel erhebt. Dann durchzieht der

Farbenbogen die von aller Unreinheit gesäuberten Himmelsräume,

überfliegt die Hügel von Galiläa und die Ebene, die im Süden zwi-

schen zwei Feigenbäumen sichtbar wird, dann noch einen anderen

Berg und scheint sich am äußersten Horizont niederzulassen, dort,

wo eine graue Gebirgskette jede weitere Aussicht versperrt.


»Ein nie gesehenes Schauspiel!«

»Schaut, schaut!«

»Es scheint, als werde ganz Israel in einen Kreis zusammenge-


schlossen . . . und nun schaut! . . . da erscheint ein Stern, während

die Sonne noch nicht verschwunden ist. Welch ein Stern! Er leuchtet

wie ein gewaltiger Diamant! . . . «


»Und der Mond dort, ein Vollmond, obwohl noch drei Tage bis

dahin fehlen. Aber seht, wie er strahlt!«


Die Frauen kommen in festlicher Freude herbei, mit einem rosigen

Kindlein in weißem Linnen.


Es ist Maria, die Mutter! Eine ganz kleine Maria, so klein, daß sie

in den Armen eines Kindes schlafen könnte; eine Maria, nicht länger

als ein Vorderarm, das Köpfchen wie aus leicht rosa gefärbtem Elfen-

bein und die winzigen Lippen, die nun nicht mehr weinen, karmin-

rot; sie machen fast unmerkliche saugende Bewegungen, aber man

kann sich kaum vorstellen, daß sie an der Mutterbrust saugen wer-

den können. Das Näschen zwischen den beiden runden Bäckchen


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ist winzig, und wenn man es sachte berührt, dann öffnen sich die

Äuglein und lassen durch zwei unschuldige, blaue Pünktchen zwei

Stückchen Himmel sehen. Die Äuglein unter den blonden Wimpern

schauen, ohne zu sehen. Auf dem runden Köpfchen bilden rötlich-

blonde Härchen einen zarten Flaum, der die Farbe eines gewissen,

beinahe weißen Honigs hat. Die durchsichtigen Öhrchen gleichen

zwei rosafarbenen Müschelchen. Und die Händchen, was sind das

für winzige Dinge, die sich in die Luft heben und dann nach dem

kleinen Mund greifen! Geschlossen, wie sie jetzt sind, gleichen sie

zwei Knospen, die das Grün des Kelches abgestreift haben und am

Aufbrechen sind . . . und nun, geöffnet . . . gleichen sie zwei Kameen

aus rötlich angehauchtem Elfenbein. Die kleinen Händchen aus ro-

saschimmerndem Alabaster, mit fünf bleichen Granatplättchen als

Fingernägel . . . wie können solche Händchen ein Meer von Tränen

trocknen?


Und sieh, nun ist sie wieder in den Windeln und auf den Armen

des irdischen Vaters, dem sie ähnelt. Eigentlich noch nicht. Vorerst

ist sie nur der Entwurf eines Menschenkindes. Ich meine, daß sie

ihm als Frau gleichen wird. Von der Mutter hat sie nichts. Vom Va-

ter die Farbe der Haut und der Augen und sicher auch der Haare;

denn wenn diese jetzt auch weiß sind, in der Jugend waren sie si-

cherlich blond, wie die Augenbrauen es bezeugen. Vom Vater hat

sie auch die Gesichtsform, die aber feiner ausgearbeitet ist, da sie

Frau und erhabene Frau ist; außerdem das Lächeln und den Blick,

die Art und Weise, sich zu bewegen, und die Statur. Wenn ich an

Jesus denke, wie ich ihn sehe, finde ich, daß Anna ihrem Enkelkind

die Statur gegeben hat und die mehr elfenbeinartige Farbe der Haut.

Maria besitzt nicht die imponierende Gestalt Annas, dieser hohen,

geschmeidigen Palme, wohl aber die Anmut des Vaters.


Die Frauen sprechen noch vom Gewitter und von dem Wunder

des Mondes, des Sternes, des ungeheuren Regenbogens, während

sie mit Joachim hineingehen zur glücklichen Mutter und ihr das

Kindlein wiederbringen.


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Anna lächelt in Gedanken und spricht: »Sie ist der Stern. Ihr Zei-

chen ist am Himmel erschienen. Maria, der Regenbogen des Frie-

dens! Maria, mein Stern, Maria, strahlender Mond! Maria, unsere

Perle!«


»Maria nennst du sie?«

»Ja, Maria, Stern und Perle, Licht und Frieden . . . «

»Aber dieser Name bedeutet auch Bitterkeit . . . Fürchtest du nicht,


daß er ihr Unheil bringen könnte?«

»Gott ist mit ihr. Sie gehörte ihm, schon bevor sie lebte. Er wird


sie führen auf ihren Wegen, und jede Bitterkeit wird sich in para-

diesische Süße verwandeln. Jetzt gehöre deiner Mutter . . . noch ein

wenig, bevor du ganz Gottes sein wirst . . . !«


Die Vision endet mit dem ersten Schlaf der Mutter Anna zusam-

men mit ihrem Kind Maria.


8 »Ihre Seele erscheint schön und unbefleckt, wie der Vater

sie ersann!«


Jesus spricht:

»Steh auf und beeile dich, kleine Freundin! Ich habe ein brennen-


des Verlangen, dich mit mir in das paradiesische Blau der Betrach-

tung der Jungfräulichkeit Marias zu führen. Du wirst daraus hervor-

gehen mit frischer Seele, als wärest du soeben vom Vater erschaffen

worden; eine kleine Eva, die das Fleisch noch nicht kennt. Du wirst

daraus hervorgehen mit einem Geist voller Licht und betrachtend

dich versenken in das Meisterwerk Gottes. Du wirst daraus hervor-

gehen mit deinem ganzen Sein, überfließend von Liebe: denn du

wirst begreifen, wie groß die Liebe Gottes ist. Von der Empfängnis

Marias, der Makellosen, sprechen will heißen: untertauchen im Him-

melsblau, im Licht, in der Liebe. Komm und lies ihre Herrlichkeiten

im Buch des Vorfahren!


„Der Herr schuf mich, seines Waltens Erstling, als Anfang seiner

Werke, vorlängst. Von Ewigkeit her bin ich gebildet, von Anbeginn,


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vor dem Ursprung der Welt. Noch ehe die Meere waren, ward ich

geboren, noch vor den Quellen, reich an Wasser. Bevor die Berge ein-

gesenkt wurden, vor den Hügeln ward ich geboren, ehe er die Erde

gemacht und die Fluren und die ersten Schollen des Erdreichs. Als

er den Himmel baute, war ich dabei, als er das Gewölbe absteckte

über der Urflut, als er die Wolken droben befestigte und die Quel-

len der Urflut stark machte, als er dem Meer seine Schranke setzte,

daß die Wasser seinem Befehle gehorchten, als er die Grundfesten

der Erde legte, da war ich als Liebling ihm zur Seite, war lauter

Entzücken Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit, spielte auf sei-

nem Erdenrund und hatte mein Ergötzen an den Menschenkindern.“

[Spr 8,22–31]


Ihr habt diese Worte auf die Weisheit bezogen, aber sie sprechen

von ihr: der schönen Mutter, der heiligen Mutter, der jungfräulichen

Mutter der Weisheit, die ich bin, der ich mit dir rede. Ich wollte, daß

du den ersten Vers dieses Hymnus, der von ihr spricht, an den An-

fang des Buches setztest, damit man erkennt und anerkennt, daß sie

der Trost und der Ruhm Gottes, die Ursache der beständigen, voll-

kommenen und innigen Freude dieses Dreieinigen Gottes ist, der

euch regiert und liebt und dem der Mensch so viel Anlaß zur Trau-

rigkeit gibt; sie ist der Grund, weshalb er das Menschengeschlecht

weiter bestehen ließ, damals, als es nach der ersten Prüfung verdien-

te, vernichtet zu werden; sie ist der Grund der Vergebung, die ihr

erhalten habt.


Maria haben, um von ihr geliebt zu werden! Oh, es lohnte sich,

den Menschen zu erschaffen, ihn leben zu lassen und ihm zu verzei-

hen, um die schöne Jungfrau, die heilige Jungfrau, die unbefleckte

Jungfrau, die von der Liebe erfüllte Jungfrau, die geliebte Tochter,

die reinste Mutter, die zärtliche Braut zu besitzen! So viel hat Gott

und noch viel mehr hätte er euch gegeben, nur um das Geschöpf sei-

nes Entzückens, die Sonne seiner Sonne, die Blume seines Gartens

zu besitzen. Und immer wieder fährt er fort, euch ihretwegen zu be-

schenken, auf ihre Bitten hin, zu ihrer Freude, weil ihre Freude sich


59




vereinigt mit der Freude Gottes und sie erhöht mit dem funkelnden

Glanz, der das große Licht des Paradieses erfüllt; und jedes Funkeln

ist ein Geschenk an das Universum, an das Menschengeschlecht, ja

an die Seligen selbst, die mit einem jauchzenden Halleluja auf jedes

göttliche Wunder antworten, das gewirkt wird durch den Wunsch

des Dreieinigen Gottes, das strahlende Lächeln der Jungfrau zu se-

hen!


Gott wollte dem Universum, das er aus dem Nichts erschaffen hat-

te, einen König geben; einen König, der das oberste Wesen sein sollte

unter allen aus der Materie erschaffenen und selbst materiellen We-

sen; einen König, der etwas weniger als göttlich sein sollte in seiner

geistigen Natur, vereinigt in seiner Unschuld mit der Gnade wie am

ersten Tag. Doch der höchste Geist, der alles, was in den fernsten

Zeiten geschieht, kennt; der unmittelbar alles weiß, was war, was ist

und was sein wird; der, während er das Vergangene betrachtet und

die Gegenwart beobachtet, seinen Blick auch auf die fernste Zukunft

richtet; der weiß, welchen Todes der letzte Mensch sterben wird –

und das alles ohne Verwirrung und Unterbrechung – dieser höchste

Geist wußte stets, daß der von ihm vorhergesehene und erschaffene

König, der zu seiner Seite im Himmel halb-göttlich sein sollte, Erbe

des Vaters, der nach der Kindheit seines irdischen Aufenthaltes als

Erwachsener in sein Reich kommen sollte – der höchste Geist wuß-

te stets und sah voraus, daß dieses Geschöpf gegen sich selbst das

Verbrechen, die Gnade in sich zu töten und sich des Himmels zu

berauben, begehen würde.


Warum hat er ihn dennoch erschaffen? Gewiß stellen sich viele

diese Frage. Hättet ihr es vorgezogen, nicht zu sein? Verdient dieser

Erdentag es nicht, obwohl er arm und bloß und rauh geworden ist

infolge eurer Bosheit, gelebt zu werden, um das von Gotteshand

ins Universum gestreute unendliche Schöne kennenzulernen und

zu bewundern?


Für wen hätte er die Sterne und Planeten erschaffen, die wie Blitze

und Pfeile vorüberzucken und das Gewölbe des Firmaments durch-


60




furchen; die langsam zu sein scheinen und doch schneller als die

schnellsten Geschosse ihre Bahnen ziehen; die euch Licht und die

Jahreszeiten schenken; die euch beständig, unveränderlich und doch

stets ihre Lage verändernd, neue Seiten im Himmelsblau zu lesen

geben, jeden Abend, jeden Monat, jedes Jahr? Als wollten sie euch

sagen: „Vergeßt eure Beschränktheit, laßt alle eure geschriebenen

Werke beiseite, die angefüllt sind mit dunklen, faulenden, schmutzi-

gen, giftigen, lügenhaften, gotteslästerlichen, verdorbenen Dingen!

Erhebt euch wenigstens mit dem Blick in die unbegrenzte Freiheit

der Firmamente! Laßt eure Seele himmelblau werden im Betrach-

ten dieser Herrlichkeit! Schafft euch einen Vorrat an Licht, um eure

Finsternis zu erhellen! Lest das Wort, das wir beim Gesang unse-

res Sternenchors ins Firmament schreiben! Es ist harmonischer als

jedes Orgelstück in den Kathedralen: das Wort, das wir leuchtend ge-

schrieben haben: das Wort, das wir voller Liebe geschrieben haben;

denn immer ist uns jener gegenwärtig, der uns die Freude des Seins

schenkte, und wir danken ihm, uns das Dasein geschenkt zu haben,

das Licht, das Leben, das Frei-Sein und das Schön-Sein inmitten der

erquickenden Bläue, über die hinaus wir noch ein erhabeneres Blau

sehen: das Paradies, und erfüllen den zweiten Teil seines Liebesge-

botes, indem wir euch, unseren Nächsten im Universum, lieben; wir

lieben euch und geben euch darum Führung und Licht, Wärme und

Schönheit. Vernehmt das Wort, das wir euch sagen und dem gemäß

wir unsere Melodie, unser Strahlen und unsere Freude ausrichten:

Gott!“


Für wen sonst hätte Gott das flüssige Blau gemacht, in dem sich

der Himmel spiegelt, auf dem ihr dahinfahrt, in dem das Wasser

lächelt und die Wellen sprechen? Alles Worte, die mit dem Rauschen

der Seide, mit dem heiteren Lachen der Kinder, mit dem Seufzen

der Alten und den Schlägen, den Stößen, dem Brüllen und dem

Donnern der Gewalt immer wieder reden und sagen: „Gott“. Das

Meer wurde für euch erschaffen, ebenso wie der Himmel und die

Sterne. Und mit dem Meer die Seen, die Flüsse, die Teiche, die Bäche


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und die reinen Quellen, die alle dazu dienen, euch zu tragen, euch

zu nähren, euren Durst zu stillen und euch zu reinigen. Sie dienen

euch, indem sie dem Schöpfer dienen, ohne über die Ufer zu treten

und euch zu überfluten, wie ihr es verdientet.


Für wen sonst hätte er die unzähligen Familien der Tiere geschaf-

fen, die wie singende Blumen fliegen (Vögel), die als eure Knechte

laufen, arbeiten, euch nähren und euch erfreuen: euch, ihre Könige?


Für wen sonst hätte er all die zahllosen Familien der Bäume und

Pflanzen erschaffen und die Blumen, die aussehen wie Schmetterlin-

ge, Edelsteine und regungslose Vöglein; die Familien der Früchte,

die wie Juwelen oder Perlenschreine sind, die euch als Teppiche für

eure Füße, zum Schutz eurer Häupter, zur Zerstreuung, zur Freu-

de für euren Geist, eure Glieder, eure Augen und die andren Sinne

dienen?


Für wen anders hätte er die Mineralien in der Erde gemacht und

die Salze aufgelöst in eiskalten oder heißkochenden Quellen: Schwe-

fel, Jod und Brom, als für einen, der sich daran ergötze, der nicht

Gott, aber Kind Gottes ist: für den Menschen.


Zu seiner Freude benötigte Gott sie nicht; er hat keine Bedürfnis-

se. Er genügt sich selbst. Er braucht sich nur zu betrachten, um sich

zu ergötzen und zu ernähren, um zu leben und zu ruhen. Die gan-

ze Schöpfung hat die Unendlichkeit seiner Freude, seiner Schönheit,

seines Lebens und seiner Macht nicht im geringsten erhöht. Viel-

mehr hat er alles für sein Geschöpf gemacht, das er zum König über

das von ihm geschaffene Werk setzen wollte: den Menschen.


Es lohnt sich zu leben, um dieses großartige Werk Gottes zu schau-

en und ihm zu danken für seine Machtentfaltung. Ihr müßt ihm

dankbar sein dafür, daß ihr lebt. Und ihr hättet es sein müssen, auch

wenn er euch erst am Ende der Welt erlöst hätte; denn, obwohl eure

Vorfahren die Gebote nicht befolgt haben und hochmütig, genuß-

süchtig und Mörder gewesen sind und auch ihr ebenso lebt, gestat-

tet euch Gott immer noch, euch an dem Guten und dem Schönen

im Universum zu erfreuen. Er behandelt euch, als ob ihr gute Men-


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schen und gute Söhne wäret, denen alles gezeigt und zugestanden

wird, um ihr Leben angenehmer und gesünder zu gestalten. Was ihr

wißt, wißt ihr durch Gottes Licht. Was ihr entdeckt, entdeckt ihr auf

einen Hinweis Gottes, soweit es gut ist. Die anderen Erkenntnisse

und Erfindungen, die das Zeichen des Bösen tragen, kommen vom

höchsten Bösen, vom Satan.


Der höchste Geist, dem nichts unbekannt bleibt, wußte schon vor

der Erschaffung des Menschen, daß dieser aus eigenem Willen Dieb

und Mörder geworden wäre. Da aber die ewige Güte Gottes ohne

Grenzen ist, dachte Gott, noch bevor die Sünde begangen wurde, an

ein Mittel, um die Schuld wiedergutzumachen. Das Mittel bin Ich,

das Wort. Das Werkzeug, um aus dem Mittel ein wirksames In-

strument zu machen, war Maria. Die Jungfrau wurde im erhabenen

Gedanken Gottes geschaffen. Alle Dinge sind geschaffen worden für

mich, den geliebten Sohn des Vaters.


Als König hätte ich unter meinen Füßen Teppiche und Kleinodi-

en haben müssen, wie kein Königspalast sie je gehabt hat; Lieder

und Stimmen, Knechte und Diener hätten mich umgeben müssen,

wie keinen Herrscher je zuvor, und Blumen und Perlen und alles

Erhabene, Großartige und Liebliche, das aus dem Gedanken Gottes

entspringen kann. Aber ich sollte auch Fleisch sein, nicht nur Geist:

Fleisch, um das Fleisch zu erlösen; Fleisch, um das Fleisch zu ver-

edeln; um es in den Himmel zu tragen, viele Jahrhunderte vor der

Zeit. Das vom Geist bewohnte Fleisch ist das Meisterwerk Gottes,

und für dieses ist der Himmel erschaffen worden.


Um Fleisch zu werden, bedurfte ich einer Mutter. Um Gott zu sein,

mußte mein Vater Gott sein. Und sieh da, Gott schuf sich eine Braut

und sagte zu ihr: „Folge mir! An meiner Seite wirst du sehen, was

ich für unseren Sohn tue. Schau und juble, ewige Jungfrau, ewige

Tochter. Dein Lachen erfülle dieses Reich, gebe den Engeln den Ton

an und lehre das Paradies die himmlische Harmonie! Ich schaue auf

dich. Ich sehe dich schon, wie du sein wirst, o unbefleckte Frau, die

du jetzt nur Geist bist: Gedanke, an dem ich mein Wohlgefallen fin-


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de. Ich schaue auf dich und gebe das Blau deiner Augen dem Meer

und dem Firmament; die Farbe deiner Haare dem heiligen Korn; das

reine Weiß und das Rosa, die Farben deiner seidenen Haut, der Lilie

und der Rose; als Vorbild für die Perlen nehme ich deine feingear-

beiteten Zähne; die süßen Erdbeeren bilde ich mit einem Blick auf

deinen Mund; den Nachtigallen lege ich deine Stimme in die Kehle

und den Turteltauben dein Klagen. Und indem ich deine künftigen

Gedanken lese und das Klopfen deines Herzens höre, habe ich ein

Leitmotiv für meine Schöpfung. Komm, meine Freude, bewohne die

Welten zum Zeitvertreib, solange du noch tanzendes Licht meines

Gedankens bist. Die Welten sind da für dein Lachen. Bewohne die

Kränze der Sterne und die Ketten der Gestirne. Lege dir den Mond

unter deine edlen Füße und umgürte dich mit dem Sternengurt der

Milchstraße! Für dich sind die Sterne und Planeten erschaffen wor-

den. Komm und erfreue dich an den Blumen, die deinem Kind zum

Spielzeug und dem Sohn deines Schoßes zum Kissen dienen wer-

den! Komm und schau, wie ich die Lämmer bilde, die Adler und

die Tauben! Sei mir nahe, während ich die Schalen der Meere und

die Betten der Flüsse erschaffe, die Berge erhebe und sie bemale

mit Schnee und Wäldern; während ich das Getreide säe und die

Bäume und den Weinstock bilde: die Olivenbäume für dich, meine

Friedensträgerin, und den Weinstock für dich, meine Rebe, die die

eucharistische Traube tragen wird.


Eile, fliege, juble, meine Schöne, und lehre die ganze Welt, die von

Stunde zu Stunde erschaffen wird, mich zu lieben, du Liebevolle;

die Welt soll schöner werden durch dein Lächeln, o Mutter meines

Sohnes, du Königin meines Paradieses, du Liebe deines Gottes!“


Und während ich den Irrtum sehe und zugleich die Makellose vor

Augen habe, rufe ich aus: „Komm zu mir, die du die Bitterkeit des

menschlichen Ungehorsams, der menschlichen Unzucht mit Satan

und der menschlichen Undankbarkeit auslöschest, mit dir werde ich

Vergeltung üben an Satan.“


Gott, der Vater und Schöpfer, hatte Mann und Frau mit einem


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so vollkommenen Gesetz der Liebe erschaffen, daß ihr diese Vollkom-

menheit nicht einmal mehr verstehen könnt. Und ihr denkt ohne

Erfolg darüber nach, was wohl mit dem Menschengeschlecht gesche-

hen wäre, wenn der Mensch nicht die Lehren Satans angenommen

hätte.


Schaut auf die Frucht- und Samenpflanzen! Erhalten sie Samen

und Frucht durch Unzucht, durch eine Befruchtung unter hundert

Vereinigungen? Nein! Von der männlichen Blüte geht der Blüten-

staub aus und geführt von einem Komplex meteoritischer und ma-

gnetischer Gesetze gelangt er zum Fruchtknoten der weiblichen Blü-

te. Dieser öffnet sich, nimmt ihn auf und bringt Frucht. Die weibliche

Blüte beschmutzt sich nicht und weist ihn nicht ab, wie ihr es nur

tut, um tags darauf wiederum dasselbe Lustgefühl kosten zu kön-

nen. Sie trägt Frucht; und bis zum nächsten Jahr bringt sie keine

Blüte hervor, und wenn sie dann blüht, ist es wieder, um Frucht zu

tragen.


Betrachtet die Tiere, alle! Habt ihr je ein männliches Tier gesehen,

das sich zum weiblichen begibt steriler Umarmung wegen und zu

lasterhaftem Verkehr? Nein. Von nah und fern, fliegend und krie-

chend, springend und laufend, gehen sie, wenn es Zeit ist, zum

Befruchtungsritus und entziehen sich ihm nicht, indem sie nur die

Befriedigung ihrer Lust suchen; sie übernehmen ohne weiteres die

ernste und heilige Verantwortung für die Nachkommenschaft. Die-

sen alleinigen Zweck muß der Mensch, der Gott ähnlich ist aufgrund

des göttlichen Ursprungs einer Gnade, die ich ihm voll und gänzlich

geschenkt habe, annehmen in der Ausübung des notwendigen ani-

malischen Aktes, seit ihr um einen Grad in Richtung des Tierreiches

herabgesunken seid.


Ihr handelt nicht wie die Pflanzen und die Tiere. Ihr habt Satan

zum Lehrmeister gehabt. Ihr habt ihn zum Lehrmeister gewollt und wollt

ihn immer noch. Und die Werke, die ihr vollführt, sind des Meisters

würdig, den ihr gewollt habt. Aber wenn ihr Gott treu geblieben wä-

ret, hättet ihr den Kindersegen in heiliger Weise erlebt, ohne Schmer-


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zen und ohne euch in unanständigen, unwürdigen Vereinigungen

zu entkräften, die selbst den Tieren unbekannt sind; den Tieren oh-

ne vernünftige und geistige Seele.


Dem von Satan verdorbenen Paar wollte Gott den Menschen ge-

genüberstellen, geboren von einer von Gott über alles erhobenen

Frau. Sie gebar, ohne einen Mann gekannt zu haben: Blume, die die

Blume gebiert, ohne der natürlichen Befruchtung zu bedürfen, ein-

zig durch den Kuß der Sonne auf den unangetasteten Kelch der Lilie:

Maria.


Die Vergeltung Gottes!

Mache nur, Satan, deinem Haß Luft, während sie geboren wird!


Dieses Kind hat dich besiegt! Noch bevor du zum Rebellen wur-

dest, zum Schleicher, zum Verderber, warst du schon besiegt, und

sie ist deine Besiegerin! Tausend zur Schlacht gerüstete Heere ver-

mögen nichts gegen deine Macht. Die Waffen der Menschen vermö-

gen nichts gegen deinen Panzer, o ewiger Verführer, und es gibt kei-

nen Wind, der den Gestank deines Atems wegwehen könnte. Und

dennoch: Diese Kindesferse, die rosig ist wie das Innere einer röt-

lichen Kamelie; die glatt und weich ist, daß die Seide rauh ist im

Vergleich zu ihr; die so klein ist, daß sie in den Kelch einer Tulpe

paßt und sich daraus Schühlein machen könnte; sieh, sie nähert sich

dir ohne Furcht und sie wird dich in deine Höhle jagen. Ihr Klagen

schlägt dich in die Flucht, dich, der du die Heere nicht fürchtest,

und ihr Atem reinigt die Welt von deinem Gestank. Du bist besiegt!

Ihr Name, ihr Blick, ihre Reinheit sind Lanze, Blitz und Stein, die

dich durchbohren, die dich niederschmettern, die dich einschließen

in dein Höllenloch, o Verfluchter, der du Gott die Freude genommen

hast, Vater aller erschaffenen Menschen zu sein!


Nun aber hast du sie vergebens verdorben, sie, die unschuldig

erschaffen worden sind. Du hast sie verführt zur Vereinigung und

Empfängnis auf den Irrwegen der Fleischeslust; du hast Gott daran

gehindert, seinem geliebten Geschöpf der Spender von Kindern zu

sein nach Regeln, die, wenn sie beachtet worden wären, auf Erden


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ein Gleichgewicht erhalten hätten unter den Geschlechtern und den

Rassen, wodurch Kriege unter den Völkern und Zwietracht in den

Familien vermieden worden wären.


Wenn sie gehorcht hätten, hätten sie die Liebe kennengelernt. Viel-

mehr: nur im Gehorsam hätten sie die wahre Liebe verstanden und

erhalten: den vollen und ruhigen Besitz dieses Ausflusses Gottes, der

vom Übernatürlichen herabkommt zum Niedrigeren, damit auch

das Fleisch darob heilig jubiliere; das Fleisch, das dem Geist ver-

bunden ist und von demselben geschaffen wurde, der dem Fleisch

eine Seele gegeben hat.


Eure Liebe, o Menschen, was ist sie jetzt? Entweder Sinnenlust,

bemäntelt mit Liebe, oder unheilbare Furcht, die Liebe des Gatten

zu verlieren durch eigene oder anderer Menschen Unzucht. Seit die

Sinnenlust in der Welt herrscht, seid ihr nie sicher, das Herz des Ge-

mahls oder der Gemahlin zu besitzen. Ihr zittert, weint und werdet

wahnsinnig vor Eifersucht; manchmal Mörder, um einen Verrat zu

rächen; verzweifelt bisweilen, werdet willenlos in gewissen Fällen

und wahnsinnig in anderen.


Das hast du, Satan, den Kindern Gottes angetan. Die, welche du

ins Verderben gestürzt hast, hätten die Freude erlebt, Kinder ohne

Schmerzen zu gebären, und die Freude, geboren zu werden ohne

die Angst, sterben zu müssen. Jetzt bist du, Satan, durch eine Frau

und in einer Frau besiegt. Von nun an wird jeder, der Sie liebt, zu

Gott zurückfinden; er wird jeder deiner Versuchungen widerstehen

und die volle Reinheit bewahren können. Von jetzt an werden die

Mütter, die nicht ohne Schmerzen gebären können, Sie zur Helferin

haben. Von jetzt an werden die Eheleute Sie als Führerin und die

Sterbenden Sie als Mütter haben; denn der Tod wird süß in ihren

Armen, die Schutz und Schild gegen dich, den Verfluchten, sind. Sie

ist aber auch die Fürbitterin beim Gericht Gottes.


Maria Valtorta, du kleine Stimme, du hast die Geburt des Sohnes

der Jungfrau und den Eingang seiner Mutter in den Himmel gese-

hen. Du hast gesehen, daß den Schuldlosen weder Geburtswehen


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noch Todesschmerzen bekannt sind. Und so, wie der unbefleckten

Mutter Gottes die himmlischen Gaben vorbehalten waren, so wären

allen, wenn sie wie die ersten Kinder Gottes unschuldig geblieben

wären, Geburtswehen und Todesangst erspart geblieben.


Der erhabene Sieg Gottes über Satans Rache bestand darin, die

Vollkommenheit des erwählten Geschöpfes so zu steigern, daß we-

nigstens in Einer der Hauch jener menschlichen Schwäche, die dem

Gift des Satans Einlaß verschafft, nichtig wurde; und somit sollte

der Sohn nicht aus einer menschlichen Vereinigung, sondern aus der

göttlichen Umarmung, die den Geist im Feuer der Ekstase verzückt,

hervorgehen.


Die Jungfräulichkeit der Jungfrau! . . .

Komm und erwäge diese tiefe Jungfräulichkeit, bei deren Betrach-


tung sich schwindelerregende Abgründe eröffnen! Was ist die arme,

erzwungene Jungfräulichkeit einer Frau, die von keinem Mann be-

gehrt wurde? Weniger als nichts! Was ist die Jungfräulichkeit einer

Frau, die um Gottes Willen ehelos bleibt, dies aber nur dem Leib und

nicht dem Geist nach? Sie läßt viele zügellose, unreine Gedanken in

ihren Geist eintreten, spielt mit diesen und läßt sich von mensch-

lichen Vorstellungen liebkosen! Das ist nur ein Larvenstadium der

Jungfräulichkeit. Was ist die Jungfräulichkeit einer Gottgeweihten,

die nur für Gott lebt? Viel, doch ist sie nie so vollkommen wie die

meiner Mutter!


Eine Bindung ist immer vorhanden gewesen, selbst beim Heilig-

sten: jene zwischen Geist und Schuld; jene, die nur die Taufe zu lö-

sen vermag. Sie löst sie; doch wie eine Frau, die durch den Tod von

ihrem Mann getrennt wird, nicht die ganze Jungfräulichkeit wieder-

findet, so gibt die Taufe nicht diese vollkommene Jungfräulichkeit

zurück, die unseren Stammeltern vor der Sünde zu eigen war. Eine

Narbe bleibt und schmerzt und bringt das Frühere in Erinnerung,

und die einstige Wunde ist stets bereit, wieder aufzubrechen, wie

gewisse Krankheiten periodisch durch ihre Viren neu entfacht wer-

den. Die Jungfrau Maria hat diese Narbe einer aufgelösten Bindung


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mit der Schuld nicht. Ihre Seele erscheint schön und unberührt wie

damals, als der Vater sie erdachte und in ihr alle Gnaden vereinigte.


Sie ist die Jungfrau. Sie ist die Einzige. Sie ist die Vollkommene. Sie

ist, wie sie erdacht wurde. So wurde sie geboren. So ist sie geblieben.

So wurde sie gekrönt. So ist sie in Ewigkeit.


Sie ist die Jungfrau. Sie ist ein Abgrund der Unberührtheit, der

Reinheit, der Gnade, der sich verliert im Abgrund, aus dem sie

stammt: Gott. Unberührtheit, Reinheit, vollkommenste Gnade. Sieh,

so rächt sich Gott, der Dreieinige. Gegen alle entheiligten Geschöp-

fe erhebt er diesen Stern der Vollkommenheit. Gegen die ungesun-

de Neugierde erhebt er diese heilige Scheu, die allein in der Liebe

Gottes Befriedigung findet. Dem Wissen um das Böse stellt er die-

se erhabene Unwissende gegenüber. In ihr ist nicht nur Unkenntnis

der niedrigen Liebe, nicht nur Unkenntnis der Liebe, die Gott den

verehelichten Menschen gab, sondern noch mehr. In ihr ist Unkennt-

nis der bösen Neigungen, die Erbschaft der Sünde sind. In ihr ist

gleichzeitig Kühle, Weisheit und weißglühende Gottesliebe. Ein Feu-

er, welches das Fleisch mit Eis panzert, damit es der durchsichtige

Spiegel sei am Altar, wo Gott sich mit einer Jungfrau vermählt und

sich dennoch nicht erniedrigt; denn seine Vollkommenheit umarmt

jene, die, wie es einer Braut geziemt, nur in einem Punkt niedriger

ist als der Bräutigam: Sie ist Ihm unterworfen als Frau, aber ohne

Makel wie Er.«


9 »In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie«


Ich sehe Joachim und Anna zusammen mit Zacharias und Elisabet.

Sie kommen aus einem Haus in Jerusalem, das sicher Freunden oder

Verwandten gehört, und begeben sich zum Tempel, um an der Zere-

monie der Reinigung teilzunehmen.


Anna hat in ihren Armen das Kindlein, ganz in Windeln gewickelt.

Es ist aber auch in ein weites Gewebe aus leichter Wolle gehüllt, das

sehr weich und warm sein muß. Und mit welcher Sorge und Lie-


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be sie ihr Kindlein überwacht! Von Zeit zu Zeit hebt sie den Saum

des feinen und warmen Gewebes hoch, um zu schauen, ob Maria

gut atmen kann, und rückt ihn dann wieder zurecht, um sie vor der

eisigen Luft eines zwar heiteren, aber kalten Wintertages zu schüt-

zen. Elisabet hat ein Bündel in den Händen. Joachim zieht an ei-

ner Schnur zwei gutgenährte, weiße Schäfchen hinter sich her; es

sind schon mehr Schafe als Lämmer. Zacharias hat nichts. Er sieht

schön aus in seinem weißen Linnengewand, das ein schwerer, wol-

lener Mantel hervorblicken läßt. Es ist ein Zacharias in seiner vollen

Männlichkeit, der viel jünger als jener, den ich schon bei der Geburt

des Johannes gesehen habe, scheint. Auch Elisabet ist eine reife Frau

mit frischem Aussehen, die sich jedesmal, wenn Anna das Kind an-

schaut, entzückt über das schlafende Gesichtchen neigt. Auch sie ist

sehr schön in ihrem blauen, fast dunkelvioletten Gewand, mit dem

Schleier, der ihr das Haupt bedeckt und über die Schultern und den

Mantel, der noch dunkler ist als das Kleid, herabwallt.


Joachim und Anna aber sind feierlich in ihren Festkleidern. Gegen

seine Gewohnheit trägt er nicht die kastanienbraune Tunika, son-

dern ein langes, dunkelrotes Gewand. Die Fransen an seinem Man-

tel sind neu und schön. Auf dem Haupt hat auch er eine Art von

rechteckigem Schleier, der gehalten wird durch einen Lederreifen.

Alles ist neu und fein.


Und Anna, oh!, sie trägt heute nichts Dunkles! Sie hat ein hellgel-

bes Kleid an, das an die Farbe alten Elfenbeins erinnert: eng an der

Hüfte, am Hals und an den Handgelenken und von einem schweren

Gürtel zusammengehalten, der aus Gold und Silber zu sein scheint.

Ihr Kopf ist in einen leichten damastartigen Schleier gehüllt, der an

der Stirn von einem feinen, aber kostbaren Metallplättchen festgehal-

ten wird. Am Hals trägt sie eine Kette in Filigran und an den Hand-

gelenken Armbänder. Sie sieht aus wie eine Königin, auch wegen

der Würde, mit der sie das Kleid und besonders den goldfarbenen

Mantel mit seinen sehr schön gestickten vielfarbigen Borten trägt.


»Du kommst mir vor wie am Tag der Hochzeit. Ich war etwas


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mehr als ein Kind, damals, aber ich erinnere mich noch, wie schön

und glücklich du warst«, sagt Elisabet.


»Aber jetzt bin ich es noch mehr . . . Und ich wollte für diese Ze-

remonie das gleiche Kleid tragen. Ich habe es immer dafür aufbe-

wahrt . . . Und ich hoffte schon nicht mehr, daß ich es je hätte tragen

können.«


»Der Herr hat dich sehr geliebt . . . « sagt Elisabet mit einem Seuf-

zer.


»Deswegen gebe ich ihm auch das Liebste, was ich habe: diese

meine Blume.«


»Wie wirst du sie dir vom Herzen reißen können, wenn die Stunde

kommt?«


»Indem ich mich daran erinnere, daß ich sie nicht hatte und Gott

sie mir gegeben hat. Ich werde nun immer glücklicher sein als zuvor.

Wenn ich sie im Tempel weiß, werde ich mir sagen: „Sie betet in

der Nähe des heiligen Zeltes; sie betet zum Gott Israels auch für

ihre Mutter“, und ich werde den Frieden haben. Und noch größeren

Frieden werde ich haben, wenn ich mir sage: „Sie ist ganz Sein.“

Wenn die beiden glücklichen Eltern, die sie vom Himmel erhalten

haben, nicht mehr sein werden, wird er, der Ewige, noch ihr Vater

sein. Glaube mir: ich bin fest überzeugt, daß diese Kleine nicht uns

gehört. Aus mir konnte ich nichts mehr . . . Er hat sie in meinen

Schoß gelegt, als göttliches Geschenk, um meine Tränen zu trocknen,

unsere Hoffnung zu stärken und uns für unsere Gebete zu belohnen.

Deswegen gehört sie ihm. Wir sind nur ihre glücklichen Hüter . . .

Und dafür sei er gebenedeit!«


Sie haben die Tempelmauern erreicht.

»Während ihr zur Pforte des Nikanor geht, melde ich uns dem


Priester. Dann werde auch ich kommen«, sagt Zacharias. Er ver-

schwindet durch einen Bogen, der in einen großen Hof führt, der

von Säulengängen umgeben ist.


Die Gruppe steigt weiter auf den sich ablösenden Terrassen em-

por; denn, ich weiß nicht, ob ich das schon einmal gesagt habe, der


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Tempelbezirk ist nicht auf ein und derselben Ebene gelegen, son-

dern steigt in aufeinanderfolgenden Etagen an. Zu jeder Etage ge-

langt man mittels breiter Treppen, und auf jeder von ihnen befinden

sich Höfe, Hallen und schön verzierte Tore aus Marmor, Bronze und

Gold.


Bevor sie zum festgelegten Ort gelangen, halten sie kurz an,

um die mitgebrachten Dinge von ihren Hüllen zu befreien: Fladen,

scheint mir, breit und dünn und stark ölgetränkt; weißes Mehl, zwei

Tauben in einem Käfig aus Weidenruten und große silberne Münzen.

Gewisse Geldstücke sind sehr schwer; aber glücklicherweise gab es

damals noch keine Taschen; sie hätten ihnen den Boden ausgerissen.


Sieh, da ist die schöne Pforte des Nikanor, voller Schnörkelwerk

in schwerer Bronze und mit Silberplatten. Dort steht schon Zachari-

as an der Seite eines Priesters, würdevoll in seinem Linnengewande.

Anna wird mit Wasser, offenbar Weihwasser, besprengt und aufge-

fordert, sich dem Opferaltar zu nähern.


Das Kindlein ist nicht mehr auf ihren Armen. Elisabet hat es ge-

nommen; sie bleibt vor der Pforte zurück. Joachim hingegen tritt

hinter seiner Gemahlin ein: er zieht ein unglückliches, blökendes

Schäflein hinter sich her. Und ich . . . ich tue das, was ich schon

bei der Reinigung Marias tat: ich schließe die Augen, um nicht das

Schlachten mitansehen zu müssen.


Nun ist Anna gereinigt.

Zacharias flüstert seinem Kollegen etwas zu und dieser nickt lä-


chelnd, schließt sich dann der Gruppe an, die sich draußen wieder

versammelt hat, beglückwünscht Vater und Mutter zu ihrer Freude

und zu ihrem Vertrauen gegenüber den Verheißungen und nimmt

das zweite Lamm mit dem Mehl und dem Kuchen in Empfang.


»Diese Tochter ist also dem Herrn geweiht? Sein Segen sei mit ihr

und mit euch. Sieh, da kommt Hanna. Sie wird eine ihrer Lehrerin-

nen sein. Hanna, die Tochter des Penuël, vom Stamm Ascher. Komm,

Frau! Diese Kleine ist dem Tempel als Lobopfer geweiht worden. Du

wirst ihre Lehrerin sein, und sie wird unter deiner Führung heilig

heranwachsen.«


72




Die schon ganz weißhaarige Hanna des Penuël liebkost das Kind-

lein, das erwacht ist und mit seinen unschuldigen und erstaunten

Äuglein all das Weiß und das Gold betrachtet, das die Sonne auf-

leuchten läßt.


Die Zeremonie scheint beendet zu sein. Ich habe keinen besonde-

ren Ritus bei der Opferung Marias gesehen. Vielleicht genügt es, daß

es dem Priester gesagt wurde und vor allem Gott, an seiner heiligen

Stätte.


»Ich möchte diese Gabe dem Tempel darbringen und dorthin ge-

hen, wo ich im vergangenen Jahr das Licht gesehen habe«, sagt An-

na.


Sie gehen hin in Begleitung der Hanna des Penuël. Sie treten nicht

in den eigentlichen Tempel ein; da sie Frauen sind und es sich um

ein Mädchen handelt, gehen sie natürlich auch nicht dorthin, wo Ma-

ria ihren Sohn darbrachte. Aber nahe an der halbgeöffneten Tür ste-

hend, blicken sie in das halbdunkle Innere, wo die lieblichen Gesän-

ge eines Mädchenchors erklingen, und kostbare Leuchter goldenes

Licht verbreiten über zwei Reihen weiß verhüllter Köpfchen: zwei

wahre Lilienbeete.


»In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie« spricht Anna

zu Maria, die wie fasziniert ins Innere schaut und zu dem leisen

Gesang lächelt.


»Sie scheint zu verstehen«, sagt Hanna des Penuël. »Sie ist ein

schönes Kind! Sie wird mir teuer sein, als wäre sie mein eigenes. Ich

verspreche es dir, Mutter. Möge nur mein Alter erlauben, daß es so

sei.«


»Es wird so sein, Frau«, sagt Zacharias. »Du wirst sie aufnehmen

unter die geweihten Mädchen. Ich werde auch dabei sein. Ich will

an jenem Tag hier sein, um ihr zu sagen, daß sie für uns alle beten

soll, vom ersten Tag an . . . «


Und er schaut auf seine Gattin, die versteht und seufzt.

Die Zeremonie ist zu Ende, und Hanna des Penuël zieht sich zu-


rück, während die andren, sich unterhaltend, den Tempel verlassen.

Ich höre Joachim sagen:


73




»Nicht nur zwei, und zwar die besten, sondern alle meine Schäf-

lein hätte ich gerne hergegeben für diese Freude und zum Lob Got-

tes!« Anderes sehe ich nicht mehr.


10 »Sieh die vollkommene Magd mit dem Herzen einer Taube«


Jesus spricht:

»Salomon läßt die Weisheit sagen: „Wer ein Kind ist, komme zu


mir!“ [Spr 9,4]. Und wirklich, aus der Festung, aus den Mauern ih-

rer Stadt sagte die Ewige Weisheit zum Ewigen Kind: „Komm zu

mir!“ Sie brannte danach, es zu haben. Später wird der Sohn des

reinsten Kindes sagen: „Lasset die Kinder zu mir kommen, denn

ihrer ist das Himmelreich, und wer ihnen nicht ähnlich wird, wird

meines Reiches nicht teilhaftig werden.“ Die Stimmen begegnen sich,

und während die Stimme des Himmels nach der kleinen Maria ruft,


„Komm zu mir“, sagt die Stimme des Gottmenschen, indem er an

seine Mutter denkt: „Kommt zu mir, wenn ihr versteht, Kinder zu

sein.“


Das Beispiel gebe ich euch in meiner Mutter.

Sie ist das vollkommene Kind mit dem einfachen und reinen Her-


zen einer Taube. Sie haben die Jahre der Berührung mit der Welt

nicht in die Barbarei eines verdorbenen, verschlagenen, lügenhaften

Geistes verwildern lassen. Weil sie es nicht will. Kommt zu mir, in-

dem ihr Maria folgt.


Du, die du sie siehst, sage mir: „Ist ihr kindlicher Blick sehr ver-

schieden von dem, den sie hatte zu Füßen des Kreuzes, im Jubel des

Pfingstfestes oder in der Stunde, da sich die Lider zum letzten Schlaf

über ihre Gazellenaugen schlossen? Nein! Hier siehst du den unbe-

stimmten, erstaunten Blick des Kindes; dann wird es der erstaunte

und ehrfurchtsvolle Blick bei der Verkündigung sein; dann der seli-

ge der Mutter von Betlehem; dann der anbetende meiner ersten erha-

benen Jüngerin; dann jener der herzzerreißenden Qual auf Golgota;

dann der strahlende Blick bei der Auferstehung und am Pfingsttag;


74




und schließlich der vom ekstatischen Schlaf verhüllte Blick der letz-

ten Vision. Aber sei es, daß sich die Augen zum ersten Mal öffnen,

sei es, daß sie sich müde zum letzten Mal schließen, nachdem sie

soviel Freude und soviel Schreckliches geschaut, sie sind der heitere,

reine und sanfte Saum des Himmels, der immer gleich strahlt unter

der Stirne Marias. Zorn, Lüge, Stolz, Sinnlichkeit, Haß und Neugier-

de beschmutzen sie nie mit ihren dunklen Wolken.


Es sind die Augen, die mit Liebe zu Gott aufschauen. Ob sie nun

weinen oder lachen, es sind die Augen, die aus Liebe zu Gott lieb-

kosen und verzeihen und alles ertragen. Durch die Liebe zu ihrem

Gott sind sie unangreifbar geworden für die Angriffe des Bösen, der

sich sooft der Augen bedient, um ins Herz einzudringen. Das ist der

reine, ruhige, segnende Blick der reinen, heiligen, in Gott verliebten

Menschen.“


Ich habe es bereits gesagt: „Das Licht deines Körpers ist das Au-

ge. Wenn das Auge rein ist, wird dein ganzer Körper erleuchtet sein.

Wenn aber das Auge trübe ist, so wird deine ganze Person in der

Finsternis sein“ [Mt 6,22–23]. Die Heiligen haben dieses Auge ge-

habt, das dem Geist Licht ist und dem Fleisch Heil. Denn wie Maria

haben sie ihr ganzes Leben hindurch auf Gott geschaut und mehr

noch: sie haben sich Gottes erinnert!


Ich werde dir erklären, kleine Stimme, welchen Sinn diese Worte

haben.«


11 »Meine Freude, woher weißt du diese heiligen Dinge?

Wer hat sie dir gesagt?«


Ich sehe wieder Anna. Seit gestern abend sehe ich sie so: sie sitzt am

Eingang der schattigen Laube bei einer Näharbeit. Sie ist ganz in

sandgrau gekleidet, in ein sehr einfaches, lockeres Kleid; vielleicht

wegen der großen Hitze, die herrscht.


Am Ende der Laube sieht man Schnitter, die mit Sicheln das Gras

mähen. Doch es kann wohl kein Maiheu sein, denn die Weintrau-


75




be beginnt sich schon zu färben, und ein großer Apfelbaum zeigt

zwischen dunklen Blättern seine Früchte, die beginnen, wachsgelb

und rosa zu werden. Das Kornfeld ist nur mehr ein Stoppelfeld, auf

dem sich die Flämmchen der Mohnblumen wiegen, während sich

die Kornblumen steif und frei aufrichten, strahlend wie die Sterne

in einem Blau, das dem des orientalischen Himmels ähnelt.


Aus der schattigen Laube kommt eine ganz kleine, aber schon flin-

ke und selbständige Maria. Ihr kurzer Schritt ist sicher, und die Fü-

ße in den weißen Sandälchen stolpern nicht über die Steinchen. Sie

hat schon andeutungsweise den lieblichen, leicht wiegenden Gang

der Taube; sie ist weiß wie ein Täubchen in ihrem Leinenkleidchen,

das bis zu den Fußknöcheln reicht und weit ist. Es ist durch him-

melblaue Schnürchen aufgekrempelt am Hals und an den kurzen

Ärmeln, die die rosigen und molligen Vorderärmchen sehen las-

sen. Mit ihrem seidiges Haar, das honigblond leuchtet, nicht dicht

ist, aber sanfte Wellen hat, die in Löckchen enden; mit ihren him-

melblauen Augen und dem lieblichen, leicht geröteten, lächelnden

Antlitz gleicht sie einem kleinen Engel. Auch der zarte Wind, der in

ihre weiten Ärmel greift und das Linnen ihres Kleidchens an den

Schultern bläht, trägt dazu bei, ihr das Aussehen eines Engelchens

mit schon zum Flug geöffneten Flügeln zu verleihen.


In ihren Händchen hat sie Mohn- und Kornblumen und andere

Blümchen, die zwischen dem Korne wachsen, deren Namen ich aber

nicht kenne. Als sie in die Nähe der Mutter kommt, beginnt sie zu

laufen, stößt mit ihrem Stimmchen einen kurzen, freudigen Schrei

aus und eilt wie ein Turteltäubchen im Flug an die Knie der Mutter,

die sich ein wenig geöffnet haben, um sie zu empfangen. Die Mutter

hat ihre Arbeit beiseitegelegt, damit sich das Kind nicht steche. Sie

hat ihm die Arme entgegengestreckt, um es zu umarmen.


»Mama, Mama!« Das weiße Täubchen ist nun ganz im Nest der

mütterlichen Knie, mit den Füßchen auf dem niedrigen Gras und

dem Gesichten im mütterlichen Schoß. Und man sieht nichts als das

blasse Gold ihrer Härchen im feinen Nacken, den Anna liebevoll


76




küßt, wozu sie sich niederbeugt. Dann erhebt das Täubchen sein

Köpfchen und gibt ihr Blumen. Alle gibt sie der Mutter und zu jeder

Blume erzählt sie eine Geschichte, die sie sich selbst erdacht hat:


»Diese, blau und groß, ist ein Stern, der vom Himmel herunterge-

kommen ist, um den Kuß des Herrn seiner Mutter zu überbringen.

Küsse, küsse sie auf das Herz, küsse das Herz dieses himmlischen

Blümleins, und du wirst fühlen, daß es den Duft Gottes hat.


Diese andere hingegen ist blaßblau, wie die Augen Papas; auf ih-

ren Blütenblättern steht geschrieben, daß der Herr Papa sehr liebt,

weil er so gut ist.


Und dieses kleine, kleine, das einzige, das ich gefunden habe (ein

Vergißmeinnicht), hat der Herr gemacht, um Maria zu sagen, daß er

sie lieb hat.


Und diese roten, weißt du, Mama, was das für Blumen sind? Das

sind Stücke vom Kleid des Königs David, eingetaucht in das Blut

der Feinde Israels, gesät auf den Kampfes- und Siegesfeldern. Sie

sind aus dem Saum des heroischen Königsgewandes entsprungen,

das zerrissen ward im Kampf für den Herrn [2 Sam 5–8].


Dieses weiße und liebliche Blümchen hingegen, das aus sieben

Seidenschalen gemacht zu sein scheint, die von Wohlgeruch erfüllt

zum Himmel schauen, und das dort geboren wurde, dort bei der

Quelle – Papa hat es ihr aus dem Dorngebüsch herausgeholt – ist

aus dem Gewand gemacht worden, das der König Salomon in dem-

selben Monat trug, als ihm sein Enkelkind geboren wurde . . . aber

viele, viele Jahre früher, als er in der weißen Pracht seiner Gewänder

einherging mit einer großen Schar aus Israel vor der Bundeslade

und dem Zelt, aufjubelte wegen der Wolke, die zurückgekehrt war,

um seinen Ruhm zu umgeben, und den Lobgesang anstimmte und

das Gebet seiner Freude verrichtete. Ich will immer wie diese Blume

sein, und wie der weise König will ich singen das ganze Leben und

beten vor dem Zelt.« [1 Kön 8]. Damit schloß sich der kleine Mund

Marias.


»Mein Schatz! Woher weiß du diese heiligen Dinge? Wer hat sie

dir gesagt? Dein Vater?«


77




»Nein, ich weiß nicht, wer es ist. Es scheint mir, als ob ich sie

immer gewußt hätte. Aber vielleicht ist es einer, der sie mir sagt

und den ich nicht sehe. Vielleicht einer der Engel, die Gott schickt,

um mit den Menschen zu reden, die gut sind. Mama, erzählst du

mir noch mehr davon? . . . «


»Oh, meine Tochter! Von was soll ich dir erzählen?«

Maria denkt nach, ernst und gesammelt. Man sollte sie malen, um


den Ausdruck festzuhalten. In den kindlichen Geschichten spiegeln

sich die Schatten ihrer Gedanken wieder: Lächeln und Seufzer, Strah-

len der Sonne und Schatten der Wolken bei dem Gedanken an die

Geschichte Israels . . . Dann wählt sie: »Noch einmal die Geschich-

te von Gabriel und Daniel, in der der Gesalbte versprochen wird«

[Dan 9].


Und nun hört sie mit geschlossenen Augen zu und wiederholt

leise die Worte der Mutter, um sie besser behalten zu können. Nach-

dem Anna ihre Erzählung beendet hat, fragt sie: »Wieviel fehlt noch,

bis Immanuel kommt?«


»Ungefähr noch dreißig Jahre, mein Liebling.« »Oh, wie lange

noch! Dann werde ich im Tempel sein . . . Sage mir, wenn ich beten

würde, viel, sehr viel, Tag und Nacht, Nacht und Tag, und wenn ich

ganz Gottes sein wollte, das ganze Leben lang, würde mir der Ewi-

ge dann die Gnade schenken und den Messias seinem Volk schneller

geben?«


»Das weiß ich nicht, meine Liebe; der Prophet sagt: siebzig Wo-

chen. Ich glaube, daß die Prophezeiung nicht irrt. Aber der Herr

ist so gut«, beeilt Anna sich hinzuzufügen, als sie sieht, daß sich

schon Tränenperlen auf den goldigen Wimpern ihres Kindleins bil-

den, »daß ich glaube, wenn du viel, viel, viel betest, wird er dich

erhören.«


Das Lächeln kehrt auf ihr Gesichtchen zurück, das zur Mutter

aufschaut, und ein Sonnenstrahl, der zwischen zwei Weinblättchen

durchscheint, läßt die Tropfen des schon gestillten Weinens aufleuch-

ten, wie Tautröpfchen an den so feinen Stengelchen des Bergmooses.


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»Dann will ich beten, und werde mich als Jungfrau dafür weihen.«

»Aber weißt du, was das besagen will?«

»Das will besagen, nicht die Liebe eines Mannes kennenlernen,


sondern nur die Liebe Gottes. Das will besagen, keinen Gedanken

haben, der sich nicht auf Gott bezieht. Das will besagen, Kind im

Fleisch bleiben und Engel im Herzen. Das will besagen, die Augen

nur zu gebrauchen, um auf Gott zu schauen; die Ohren, um auf ihn

zu hören; den Mund, um ihn zu loben; die Hände, um sich ihm als

Opfer darzubringen; die Füße, um ihm schnell zu folgen; das Herz

und das Leben, um sie ihm zu schenken.«


»Oh, du Gesegnete! Aber dann wirst du nie Kindlein haben, du,

die du die Kinder so liebst, und die Lämmlein und die Täubchen . . .

Weißt du, ein Kindlein ist für eine Frau wie ein weißes, krauses

Lämmlein; wie ein Täubchen mit Flaumfedern aus Seide und einem

Korallenmündchen, das man lieben und küssen kann, und das zu

einem sagt: „Mama.“«


»Das macht nichts. Ich will Gottes sein. Im Tempel werde ich be-

ten, und dann werde ich vielleicht eines Tages Immanuel sehen. Die

Jungfrau, die seine Mutter sein wird, muß, wie der große Prophet

sagt, schon geboren und im Tempel sein . . . Ich werde ihre Gefähr-

tin sein . . . und ihre Magd! O ja! Wenn ich sie nur erkennen könnte

im Licht Gottes, ich würde ihr dienen, der Glücklichen! Dann wür-

de sie mir ihren Sohn bringen, und ich würde ihm dienen. Denke

dir, Mama! . . . Dem Messias dienen!« Maria ist ganz überwältigt

von diesem Gedanken, der sie erhebt und zugleich vernichtet. Mit

den auf der Brust gekreuzten Armen, dem ein wenig vorgebeugten

Köpfchen und vor Aufregung entzückt, wie sie ist, scheint sie eine

kindliche Nachbildung der Annunziata, die ich einmal in ihrem Hei-

ligtum in Florenz gesehen habe. Sie fährt fort: »Aber wird es mir der

König von Israel, der Gesalbte Gottes, erlauben, ihm zu dienen?«


»Daran zweifle nicht! Sagt der König Salomon nicht: „Sechzig sind

die Königinnen und achtzig die übrigen Frauen, und die Mädchen

sind ohne Zahl?“ [Hld 6,8]. Du siehst, im Palast des Königs werden


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zahllose Jungfrauen und Mädchen sein, die ihrem Herrn dienen wer-

den.«


»Oh! Siehst du nun, daß ich Jungfrau sein muß? Ich muß es sein,

ich muß! Wenn er als Mutter eine Jungfrau haben will, ist das ein Zei-

chen dafür, daß er die Jungfräulichkeit über alles liebt. Ich will, daß

er mich liebt, mich, seine Dienerin, wegen meiner Jungfräulichkeit;

daß er mich ein wenig seiner geliebten Mutter ähnlich macht . . . das

will ich . . . Ich möchte aber auch Sünderin sein, eine große Sünderin,

wenn ich nicht fürchten muß, den Herrn dadurch zu beleidigen . . .

Sage mir, Mama, kann man Sünderin sein aus Liebe zu Gott?«


»Aber was sagst du, Schatz? Ich verstehe dich nicht.«

»Ich will sagen: sündigen, um von Gott geliebt zu werden; damit


er zum Erlöser wird. Man rettet den, der verloren ist, nicht wahr? Ich

möchte gerettet werden vom Erlöser, um seinem Blick der Liebe zu

begegnen. Deswegen möchte ich sündigen; aber ohne eine Sünde zu

begehen, die ihm mißfallen könnte. Wie kann er mich retten, wenn

ich nicht verlorengehe?«


Anna ist ganz verblüfft. Sie weiß nicht, was sie sagen soll.

Da kommt ihr Joachim zu Hilfe, der, auf dem Gras schreitend,


sich geräuschlos hinter dem Zaun der niederen Weinreben genähert

hatte. »Er hat dich schon im voraus gerettet, weil er weiß, daß du

ihn liebst und ihn allein lieben willst. Deswegen bist du schon erlöst

und kannst Jungfrau sein, wie du es willst«, sagt Joachim.


»Wirklich, mein Vater?« Maria umschlingt seine Knie und blickt

ihn an mit den hellen Sternlein ihrer Augen, die den väterlichen

Augen so sehr ähneln und die nun glücklich sind in der Hoffnung,

die ihr der Vater gegeben hat.


»Wirklich, meine Liebe. Schau! Ich bringe dir hier dieses Spätz-

lein. Es kam bei seinem ersten Flug zum Quellbrunnen. Ich hätte es

sich selbst überlassen können; aber die schwachen Flügel und die

Füßchen aus Seide hatten nicht die Kraft, sich zu neuem Flug zu

erheben oder sich aufrecht zu erhalten auf dem moosigen, schlüpf-

rigen Stein. Es wäre in die Quelle gefallen. Ich habe nicht gewartet,


80




bis es soweit kam. Ich habe es genommen und gebe es dir. Tu damit,

was du willst! So ist es gerettet worden, bevor es in der Gefahr um-

gekommen ist. Dasselbe hat Gott mit dir getan. Jetzt sage mir, Maria:

Habe ich das Vöglein mehr geliebt, indem ich es jetzt gerettet habe,

oder hätte ich es mehr geliebt, wenn ich es später gerettet hätte . . . ?«


»Du hast es mehr geliebt, indem du es jetzt gerettet hast; denn du

hast nicht erlaubt, daß es sich weh tue im kalten Wasser.«


»Auch Gott hat dich mehr geliebt, indem er dich gerettet hat, bevor

du sündigen konntest.«


»Und nun werde ich ihn ganz lieben. Ganz! Ganz! Schönes Spätz-

lein, ich bin wie du. Der Herr hat uns in gleicher Weise geliebt; er

gab uns das Heil . . . Jetzt werde ich dich aufziehen, und dann lasse

ich dich fliegen. Und du wirst im Wald und ich im Tempel das Lob

des Herrn singen, und wir werden sagen: „Schicke, schicke deinen

Verheißenen dem, der ihn erwartet!“ Oh, Papa! Wann wirst du mich

in den Tempel führen?«


»Bald, meine Perle. Aber schmerzt es dich nicht, deinen Vater zu

verlassen?«


»Sehr! Aber du wirst kommen . . . ! Wenn es mir nicht Schmerz

bereiten würde, wäre es dann noch ein Opfer?«


»Und wirst du dich unser erinnern?«

»Immer. Nach dem Gebet für Immanuel werde ich für euch beten.


Möge Gott euch Freude und ein langes Leben schenken . . . bis zum

Tag, da er der Erlöser sein wird. Dann werde ich ihm sagen, daß er

euch nehme, um euch ins himmlische Jerusalem zu bringen.«


Die Vision entschwindet, während Maria von den väterlichen Ar-

men umschlungen wird.


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12 »Hat nicht der Sohn die Weisheit auf die Lippen der

Mutter gelegt?«


Jesus spricht:

»Ich höre schon die Bemerkungen spitzfindiger Gelehrter: „Wie


kann ein Kind von weniger als drei Jahren schon so sprechen? Das

ist eine Übertreibung!“ Sie bedenken nicht, daß sie in dieser Weise

aus mir ein Wunderwesen machen, wenn sie meiner Kindheit Hand-

lungen eines Erwachsenen zuschreiben.


Intelligenz haben nicht alle in derselben Weise und zur selben Zeit.

Die Kirche hat die Verantwortungsfähigkeit auf das 7. Lebensjahr

festgesetzt; denn das ist das Alter, in dem auch ein zurückgebliebe-

nes Kind im großen und ganzen das Gute und das Böse zu unter-

scheiden vermag. Aber es gibt auch Kinder, die schon viel früher

fähig sind zu unterscheiden, zu verstehen und zu wollen, und das

mit einer genügend ausgebildeten Vernunft. Die kleine Imelda Lam-

bertini, Rosa von Viterbo, Nelly Organ und Nenulina geben euch

Beispiele dafür, ihr skeptischen Doktoren. Ich habe nur vier Namen

genannt, unter Tausenden heiliger Kinder, die mein Paradies bevöl-

kern, nachdem sie auf Erden über kürzere oder längere Jahre wie

Erwachsene geurteilt haben.


Was ist der Verstand? Ein Geschenk Gottes. Gott kann ihn daher

in dem Maß schenken, in dem er will, wem er will und wann er will.

Der Verstand ist ja eines der Dinge, die euch Gott, dem intelligen-

ten und denkenden Geist, ähnlich machen. Vernunft und Intelligenz

waren Gaben, die den Menschen im irdischen Paradies gegeben wur-

den; und wie waren sie lebendig, als die Gnade noch unberührt und

wirksam im Geiste der beiden ersten Menschen vorhanden war!


Im Buch des Jesus Sirach steht geschrieben: „Alle Weisheit kommt

von Gott, dem Herrn; sie ist stets bei ihm gewesen, auch vor den

Jahrhunderten“ [Sir 1,1].


Welche Weisheit hätten die Menschen daher besessen, wenn sie

Kinder Gottes geblieben wären?


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Die Mängel eurer Intelligenz sind die Frucht des Verfalles eurer

Gnade und eurer Lauterkeit. Durch den Verlust der Gnade habt ihr

euch in den Jahrhunderten von der Weisheit entfernt. Wie ein Me-

teor sich verbirgt hinter kilometerlangen Nebeln, so ist die Weisheit

mit ihrem klaren Schimmer nicht mehr zu euch gelangt wegen der

Nebel, die eure Vergehen immer dichter werden ließen.


Dann ist Christus gekommen und hat euch die Gnade, das schön-

ste Geschenk der Liebe Gottes, zurückgebracht. Versteht ihr, dieses

Juwel klar und rein zu erhalten? Nein. Wenn ihr es nicht zersplit-

tert mit eurem persönlichen Willen zur Sünde, beschmutzt ihr es

durch beständige kleine Fehler, Schwächen und Neigungen zum La-

ster. Auch durch Sympathien, die, wenn sie auch eigentlich nicht mit

den sieben Hauptlastern verbunden sind, doch eine Schwächung

des Lichtes und der Wirksamkeit der Gnade bedeuten. So habt ihr

das großartige Licht der Intelligenz, das Gott den ersten Menschen

gegeben hatte, durch Jahrhunderte der Verdorbenheit geschwächt,

die eine zerstörende Wirkung auf euer physisches und psychisches

Leben gehabt haben.


Aber Maria war nicht nur die Reine, die neue Eva, zur Freude

Gottes wieder erschaffen: sie ist auch die Über-Eva; sie ist das Mei-

sterwerk des Allerhöchsten, die Gnadenvolle, die Mutter des Wortes

im Geist Gottes.


„Das Wort ist die Quelle der Weisheit“, sagt Jesus Barsirach [Sir

1,5]. Wird Jesus also nicht die Weisheit auf die Lippen der Mutter

gelegt haben?


Wenn einem Propheten, der den Menschen die Worte sagen muß,

die ihm das Wort, die Weisheit, anvertraut hat, der Mund mit glü-

henden Kohlen gereinigt wird [Jes 6,6–7], wird dann nicht die Liebe

die Sprache der noch kindlichen Braut, die das Wort überbringen

sollte, gereinigt und erhoben haben, so daß sie nicht wie ein Kind

und später wie eine Frau, sondern nur und immer als himmlisches

Geschöpf sprach, das geformt wurde durch das große Licht und die

Weisheit Gottes?


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Das Wunder liegt nicht in der höheren Intelligenz, die Maria im

kindlichen Alter an den Tag legte, wie später auch ich. Das Wunder

liegt in dem Verbergen einer unendlichen Weisheit, in den Einschrän-

kungen, die verhindern sollten, die Menschen zu sehr in Staunen zu

versetzen und die Aufmerksamkeit Satans auf sie zu lenken.


Ich werde darüber noch sprechen. Es gehört in das Kapitel des

„Sich-Erinnerns“, das die Heiligen von Gott haben.


13 Mariä Darstellung im Tempel


Ich sehe Maria zwischen Vater und Mutter auf dem Weg nach Jeru-

salem.


Die Vorübergehenden bleiben stehen, um das schöne Kind anzu-

schauen, das schneeweiß gekleidet und eingehüllt ist in ein leichtes

Gewebe, das mit seinen dunklen Blatt- und Blumenmustern auf zar-

tem Untergrund dasselbe zu sein scheint, das Anna am Tag ihrer

Reinigung trug. Während es aber bei Anna nicht über den Gürtel

hinausreichte, wallt es bei der noch ganz jungen, kleinen Maria fast

bis zum Boden und hüllt sie in ein leichtes, leuchtendes Wölkchen

von seltener Lieblichkeit. Ihr blondes Haar, das über die Schulter,

oder richtiger, über den feinen Nacken lose herabfällt, leuchtet an

den Stellen durch, wo keine Damastverzierungen im Schleier sind.

Der Schleier ist an der Stirn festgehalten von einem hellblauen Band,

auf dem offenbar von der Mutter kleine silberne Lilien aufgestickt

worden sind.


Das erwähnte blütenweiße Kleid reicht bis zur Erde, so daß die

mit weißen Sandalen bekleideten Füßchen bei ihren Schritten kaum

sichtbar werden. Die Händchen, die aus den langen Ärmeln hervor-

ragen, gleichen zwei Blütenblättchen der Magnolie. Abgesehen von

der himmelblauen Gürtelbinde ist keine andere Farbe sichtbar. Ma-

ria ist wie in Schnee gekleidet.


Joachim trägt dasselbe Kleid wie am Tag von Annas Reinigung;

sie hingegen ist ganz in Violett gekleidet. Auch der Mantel, der ihr


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zugleich das Haupt bedeckt, ist dunkelviolett; sie läßt ihn weit über

die Augen herabhängen. Zwei arme Mutteraugen, rot vom Weinen,

die nicht weinen wollen und vor allem nicht weinend gesehen wer-

den möchten, und denen es doch nicht möglich ist, nicht zu weinen

unter dem Schutz des Mantels. Sie schützt sich so gegen die Blicke

der Vorübergehenden und auch gegen jene von Joachim, dessen Au-

gen sonst stets heiter sind; heute aber sind auch sie gerötet und trübe

wegen der vergossenen und immer noch fließenden Tränen. Er geht

sehr gebeugt unter seinem Kopftuch, das er wie einen Turban zu-

sammengebunden hat und dessen Seitenflügel rechts und links von

seinem Gesicht herabhängen. Er ist jetzt ein Greis, Joachim. Wer ihn

sieht, hält ihn für den Großvater oder Urgroßvater der Kleinen, die

er an der Hand führt. Der Schmerz, sie zu verlieren, gibt dem armen

Vater einen schleppenden Schritt; eine Müdigkeit in seiner ganzen

Haltung, die ihn um zwanzig Jahre älter erscheinen läßt. Sein Ge-

sicht scheint das Gesicht eines Kranken zu sein, nicht nur das eines

Alten, so müde und traurig ist es mit dem leicht zitternden Mund

zwischen den beiden Falten, die heute seitlich der Nase so ausge-

prägt sind.


Die beiden versuchen, ihr Weinen zu verbergen. Aber wenn es

ihnen auch bei vielen gelingt, bei Maria, die wegen ihrer kleinen

Gestalt von unten nach oben blickt, gelingt es ihnen nicht; das klei-

ne Haupt erhebend, sieht sie abwechselnd auf Vater und Mutter,

die sich bemühen, ihr mit zitterndem Mund zuzulächeln. Jedesmal,

wenn ihr Töchterlein sie anschaut und lächelt, drücken sie ihr das

kleine Händchen. Sie denken: »Noch ein Lächeln weniger von denen,

die wir noch zu sehen bekommen.«


Sie gehen langsam, immer langsamer. Es scheint, als wollten sie

so langsam wie möglich ihres Weges dahinziehen. Alles läßt sie halt-

machen . . . Aber die Straße muß doch einmal enden. Und das Ziel

ist jetzt schon nahe. Sieh da, auf der Höhe dieses letzten Teiles der

steigenden Straße erscheinen die Ringmauern des Tempels. Anna

seufzt und umklammert das Händchen Marias stärker.


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»Anna, meine Teure, ich bin bei dir!« sagt eine Stimme aus dem

Schatten eines niedrigen Bogens an einer Straßenkreuzung. Es ist

Elisabet, die offenbar auf sie gewartet hat. Sie geht auf sie zu und

drückt sie an ihr Herz. Und da sie Anna weinen sieht, sagt sie zu ihr:

»Komm! komm für kurze Zeit in dieses Freundeshaus. Dann gehen

wir zusammen weiter. Auch Zacharias ist dort.«


Alle treten in eine niedere und dunkle Stube ein, in der ein großes

Feuer als Beleuchtung dient. Die Hausfrau, sicher eine Freundin Eli-

sabets, Anna aber fremd, zieht sich höflich zurück, um die Neuan-

kömmlinge allein zu lassen. »Glaube nicht, daß ich es bereue oder

unwillig bin, meinen Schatz dem Herrn zu weihen«, erklärt Anna

unter Tränen . . . »Aber mein Herz . . . oh! mein Herz! Wie weh tut

es ihm, meinem alten Herzen, das zurück muß in die kinderlose

Zeit! Ach, wenn du es mitfühlen könntest! . . . «


»Ich verstehe dich, meine liebe Anna . . . aber du bist so gut, und

Gott wird dich stärken in deiner Einsamkeit. Maria wird beten für

den Frieden ihrer Mama, nicht wahr?«


Maria liebkost die mütterliche Hand und küßt sie, führt sie sich

über das Gesicht, um von ihr geliebkost zu werden, und Anna

nimmt dieses Gesichtchen in ihre Hände und küßt es. Sie wird nicht

müde, es zu küssen.


Zacharias tritt ein und grüßt: »Den Gerechten der Friede des

Herrn!«


»Ja«, sagt Joachim, »erflehe für uns den Frieden, denn unser Inne-

res erzittert vor dem Opfer, wie das unseres Vaters Abraham, wäh-

rend er den Berg bestieg [Gen 22,1–14], und wir finden keine andere

Opfergabe, um uns loszukaufen. Wir möchten es auch nicht, denn

wir wollen Gott treu bleiben. Aber wir leiden darunter; Zacharias,

Priester des Herrn, verstehe uns und erzürne nicht über uns!«


»Nein, im Gegenteil, euer Schmerz, der die erlaubten Grenzen

nicht überschreitet und euch nicht zur Untreue verführt, ist mir ein

Vorbild der Liebe zum Allerhöchsten; aber faßt Mut! Die Prophe-

tin Hanna wird reichlich Sorge tragen für diese Blüte Davids und


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Aarons. In diesem Augenblick ist sie die einzige Lilie des heiligen

Stammes Davids im Tempel; und sie wird behütet wie eine könig-

liche Perle. Und da die Zeiten dem Ende entgegeneilen, sollten die

Mütter des Stammes darauf achten, ihre Töchter dem Tempel zu wei-

hen, denn aus einer Jungfrau des Stammes Davids wird der Messias

hervorgehen, auch wenn auf Grund des Glaubensschwundes viele

Plätze der Jungfrauen leer sind. Allzu wenige sind im Tempel, und

von diesem königlichen Stamm niemand, seit vor drei Jahren Sara

ihn als Braut des Elischa verließ. Es ist wahr, daß noch sechs Lustren

(dreißig Jahre) bis zum Ende fehlen; nun aber hoffen wir, daß Ma-

ria die erste von vielen Jungfrauen aus dem Haus Davids vor dem

heiligen Vorhang sein wird. Und dann . . . wer weiß . . . «


Zacharias spricht nicht weiter; er betrachtet gedankenvoll Maria.

Dann fährt er fort: »Auch ich werde über sie wachen. Ich bin Priester,

und ich habe dort auch eine gewisse Macht. Ich werde sie für diesen

Engel verwenden. Und Elisabet wird sie oft besuchen . . . «


»Oh! sicher! Ich habe so ein großes Verlangen nach Gott, und ich

werde kommen, es diesem Kind mitzuteilen, damit sie es dem Ewi-

gen sage.«


Anna fühlt sich etwas erleichtert. Um sie noch mehr aufzumun-

tern, fragt Elisabet: »Ist das nicht dein Brautschleier? Oder hast du

einen neuen gewoben?«


»Er ist es. Ich weihe ihn zusammen mit ihr dem Herrn. Ich habe

keine guten Augen mehr . . . Und auch die Reichtümer sind sehr

geschwunden, der Steuern und der Unglücksfälle wegen . . . Ich

konnte keine großen Ausgaben machen. Ich habe nur für eine gu-

te Aussteuer für ihren Aufenthalt im Haus Gottes gesorgt und für

später . . . ; denn ich denke nicht, daß ich es sein werde, die für ihre

Hochzeitskleider sorgen wird. Und ich will, daß es die Hände ihrer

Mama sind, auch wenn sie kalt und unbeweglich geworden, die sie

für die Hochzeit ausstatten und ihr die Leinen und die Brautkleider

weben.«


»Oh! Warum so denken?!«


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»Ich bin alt, meine Kusine. Nie fühlte ich mich so alt wie unter die-

sem Schmerz. Die letzten Kräfte meines Lebens habe ich dieser Blu-

me gewidmet, um sie tragen und ernähren zu können, und jetzt . . .

und jetzt am Ende läßt der Schmerz, sie zu verlieren, alle meine

Kräfte schwinden.«


»Aber sprich nicht so, um Joachims willen!«

»Du hast recht. Ich will darauf achten, für meinen Mann zu le-


ben.«

Joachim tut, als ob er nichts gehört und auf Zacharias gelauscht


hätte. Aber er hat es gehört und seufzt schwer mit vor Tränen glän-

zenden Augen.


»Wir sind zwischen der dritten und sechsten Stunde. Ich glaube,

es wäre Zeit, zu gehen«, sagt Zacharias.


Alle erheben sich, um die Mäntel anzuziehen und zu gehen. Bevor

sie aber hinausgehen, kniet Maria auf der Schwelle nieder und fleht

mit ausgebreiteten Armen, wie ein kleiner Kerub: »Vater! Mutter!

Euren Segen!«


Sie weint nicht, die tapfere Kleine. Aber ihre kleinen Lippen zit-

tern und die von einem inneren Schluchzen bebende Stimme gleicht

mehr denn je dem bangen Klagen der Turteltaube. Das Gesichtchen

ist bleicher; das Auge hat den Ausdruck der ergebenen Angst, die

ich noch viel stärker auf dem Kalvarienberg sah, wo man sie nicht

mehr ansehen konnte, ohne tief darunter zu leiden.


Die Eltern segnen und küssen sie. Einmal, zweimal, zehnmal. Sie

können es nicht genug tun . . . Elisabet weint still, und Zacharias ist,

obwohl er es nicht zeigen will, gerührt.


Sie verlassen das Haus, Maria zwischen Vater und Mutter, davor

Zacharias und seine Frau. Sieh, schon sind sie innerhalb der Tempel-

mauern.


»Ich gehe zum Hohenpriester. Ihr steigt hinauf zur großen Terras-

se.«


Sie durchqueren drei Höfe und drei übereinanderliegende Vorhal-

len, und nun sind sie zu Füßen des mit Gold beschlagenen, großen


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Marmorwürfels gelangt. Jede Kuppel, gewölbt wie eine riesige, hal-

be Orange, blitzt in der Sonne, die jetzt am Mittag senkrecht auf

den weiten Vorhof fällt, der das feierliche Gebäude umgibt. Auch

der weite Platz und die breite Treppe, die zum Tempel führt, sind

mit Licht erfüllt. Nur die Säulenhalle, die der Fassade entlang der

breiten Treppe gegenüberliegt, liegt im Schatten, und die hohe Pfor-

te aus Bronze und Gold erscheint noch dunkler und feierlicher bei

soviel Licht.


Maria leuchtet stärker als Schnee in dieser hellen Sonne. Nun ist

sie zwischen Vater und Mutter zu Füßen der breiten Treppe. Wie

muß den dreien das Herz schlagen! Elisabet befindet sich auf der

Seite Annas, ein wenig hinter ihr.


Ein silberner Trompetenklang und die Pforte dreht sich in den

bronzenen Angeln. Das Innere zeigt sich mit seinen Lampen im Hin-

tergrund, und ein festlicher Zug kommt auf den Ausgang zu. Ein

feierlicher Zug unter dem Schall der silbernen Trompeten, den Wol-

ken von Weihrauch und den Lichtern.


Nun ist der Zug auf der Schwelle, angeführt vom Hohenpriester.

Ein würdevoller Greis, gekleidet in feinste Leinwand, darüber eine

kürzere Tunika, ebenfalls aus Leinwand, und über dieser eine Art

Priestergewand, ein Mittelding zwischen dem Priestergewand und

jenem eines Diakons, sehr farbenreich: Purpur und Gold, Violett und

Weiß wechseln sich ab und leuchten wie Edelsteine in der Sonne.

Zwei echte Juwelen glänzen noch viel lebhafter auf den Schultern

des Hohenpriesters; vielleicht sind es Schnallen in einer kostbaren

Fassung. Auf der Brust ein breites Schild mit strahlenden Edelstei-

nen, das an einer goldenen Kette hängt. Quasten und Verzierungen

leuchten unten an der kurzen Tunika, und Gold glänzt auf der Stirn

über der Kopfbedeckung, die mich an die der orthodoxen Priester

erinnert, deren Mitra kuppelförmig ist und nicht spitz wie die der

Katholiken.


Die feierliche Persönlichkeit tritt allein hervor bis zur Freitreppe

und steht nun im Gold der Sonne, die sie noch mächtiger erscheinen


89




läßt. Die anderen warten, einen Halbkreis bildend, vor der Pforte im

Schatten des Säulenganges. Auf der linken Seite befindet sich eine

weiße Gruppe von Mädchen mit der Prophetin Hanna und anderen

älteren Frauen, offenbar Erzieherinnen.


Der Hohepriester schaut auf die Kleine und lächelt. Sie muß ihm

sehr klein erscheinen zu Füßen der großen Treppe, die eines ägypti-

schen Tempels würdig ist! Er erhebt die Arme zum Himmel, um zu

beten. Alle neigen ihr Haupt, wie überwältigt von der priesterlichen

Majestät, die mit der ewigen Majestät in Verbindung steht.


Und sieh da. Er macht Maria einen Wink. Sie löst sich von Mutter

und Vater wie verzückt und steigt empor und lächelt. Sie lächelt

im Schatten des Tempels, dort, wo der kostbare Vorhang herabwallt.

Jetzt ist sie oben angelangt vor den Füßen des Hohenpriesters, der

ihr die Hände auf das Haupt legt.


Das Opfer ist angenommen worden. Hatte der Tempel je eine rei-

nere Opfergabe gesehen?


Dann wendet sich der Hohepriester um; er legt ihr die Hand auf

die Schulter, wie um sie, das makellose Lämmlein, zum Altar zu füh-

ren; er geleitet sie zum Tor des Tempels, und bevor er sie eintreten

läßt, fragt er sie: »Maria, Tochter Davids, kennst du dein Gelübde?«


Auf das mit dem silbernen Stimmchen gesprochene »Ja«, ruft er:

»Tritt ein, wandle in meiner Gegenwart und sei vollkommen!« [Gen

17,1]. Maria tritt ein, der Schatten verschlingt sie, und die Gruppen

der Jungfrauen und der Meisterinnen, dann auch die der Leviten,

verdecken sie immer mehr und trennen sie . . .


Sie ist verschwunden . . . Jetzt drehen sich auch die Pfortenflügel

in ihren harmonischen Angeln. Ein immer enger werdender Spalt

erlaubt, den festlichen Zug noch zu sehen; jetzt ist es nur noch ein

Faden, jetzt nichts mehr. Das Tor ist geschlossen.


Auf den letzten Akkord der klangvollen Angeln antwortet ein

Schluchzen der beiden betagten Eltern und ein einziger Ruf: »Maria,

Tochter!« Dann ein Seufzen der beiden, die sich gegenseitig anrufen:

»Anna!«, »Joachim!« und schließlich sagen: »Ehre sei dem Herrn, der

sie aufnimmt in sein Haus und sie auf ihren Wegen leitet!«


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14 »Die ewig Jungfräuliche hat nur einen Gedanken: ihr Herz

hinzurichten auf Gott«


Jesus spricht:

»Der Hohepriester hatte gesagt: „Wandle in meiner Gegenwart


und sei vollkommen!“ Der Hohepriester wußte nicht, daß er zu einer

Frau sprach, die in ihrer Vollkommenheit nur Gott nachstand. Aber

er sprach im Namen Gottes, und daher war seine Anweisung heilig.

Heilig ganz besonders ihr gegenüber, die „voll der Weisheit“ war.


Maria hatte es verdient, daß die „Weisheit sich ihrer annahm und

sich ihr zuerst zeigte“, denn „von Anbeginn hatte sie an ihrer Pforte

gewacht, und im Verlangen, unterwiesen zu werden, wollte sie rein

sein, um die vollkommene Liebe zu erlangen und zu verdienen und

sie als Lehrmeisterin zu haben“ [Spr 8,17–34].


In ihrer Demut wußte sie nicht, daß sie sie schon besaß, bevor sie

geboren wurde (d. h. schon bei der Empfängnis), und daß die Ver-

einigung mit der Weisheit nur die Fortsetzung der göttlichen Herz-

schläge im Paradiese war. Sie konnte sich das nicht vorstellen. Und

als Gott geheimnisvolle Worte in der Stille ihres Herzens sprach, so

dachte sie in ihrer Demut, es seien vom Hochmut eingeflößte Gedan-

ken. Sofort erhob sie ihr unschuldiges Herz zu Gott und flehte ihn

an: „Habe Erbarmen mit deiner Dienerin, o Herr!“


Oh! wirklich, die wahre Weise, die ewig Jungfräuliche, hat von

Anfang an nur einen Gedanken gehabt: Ihr Herz zu Gott hinzuwen-

den, zu wachen für den Herrn, zu beten vor dem Allerhöchsten, um

Verzeihung zu bitten für die Schwächen ihres Herzens, an die sie

in ihrer Demut glaubte; und sie wußte dabei noch nicht, daß sie im

voraus für die Sünder um Vergebung bat, wie sie es später zu Füßen

des Kreuzes zusammen mit ihrem sterbenden Sohn getan hatte.


„Wenn dann der große Herr es will, wird sie erfüllt sein vom Geist

der Einsicht“ [Sir 39,6]. Dann wird sie auch ihre erhabene Sendung

begreifen. Jetzt ist sie nichts weiter als ein Kind, das im heiligen

Frieden des Tempels immer mehr ihr Reden, ihre Gefühle und ihre

Erinnerungen mit Gott verbindet.


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Das ist für alle.


Und dir, kleine Maria Valtorta, hat der Meister dir nichts Persönliches zu sagen?

„Wandle in meiner Gegenwart und sei vollkommen!“ Ich ändere diesen heiligen

Ausspruch leicht und richte ihn an dich, als Befehl: „Sei vollkommen in der Liebe,

vollkommen in der Hochherzigkeit, vollkommen im Leiden!“


Schau noch einmal auf die Mutter und betrachte das, was so viele nicht wissen

oder nicht wissen wollen, weil der Schmerz für ihren Geschmack und für ihren

Geist zu bitter ist. Der Schmerz! Maria hat ihn gekannt von der ersten Stunde ih-

res Lebens an. Vollkommen sein, wie sie es war, bedeutete auch, eine vollkommene

Empfindsamkeit besitzen. Daher mußte ihr das Opfer viel schwerer erscheinen; des-

halb aber war es auch verdienstvoller. Wer Reinheit besitzt, besitzt Liebe; wer Liebe

hat, hat Weisheit; wer Weisheit besitzt, besitzt Hochherzigkeit und Heldentum; er

weiß, warum er sich opfert.


Erhebe deinen Geist, auch wenn das Kreuz dich niederdrückt, dich zerreißt, dich

tötet! Gott ist mit dir!«


15 Der Tod von Joachim und Anna


Jesus spricht:

»Wie bei einer schnellen Abenddämmerung im Winter, bei der


ein Schneesturm die Wolken am Himmel häuft, so wurde es über

dem Leben meiner Großeltern schnell Nacht, nachdem ihre „Sonne“

sich vor dem heiligen Vorhang des Tempels niedergelassen hatte, um

dort zu erstrahlen.


Aber ist nicht gesagt worden: „Die Weisheit gibt Leben ihren Kin-

dern, nimmt unter ihren Schutz diejenigen, die sie suchen . . . Wer

sie liebt, liebt das Leben, und wer vor ihr wacht, erfreut sich ihres

Friedens. Wer sie besitzt, der wird das Leben erben . . . Wer ihr dient,

wird dem Heiligen gehorchen, und wer sie liebt, wird von Gott sehr

geliebt . . . Wer an sie glaubt, wird sie zur Erbschaft haben, und sie

wird seiner Nachkommenschaft sicher sein. Zuerst erwählt sie ihn;

dann sendet sie ihm Ängste, Furcht und Prüfungen; sie wird ihn

quälen mit der Geißel ihrer Zucht, bis seine Gedanken von ihr erfüllt

sind und sie ihm trauen kann. Dann aber wird sie ihm Beständigkeit

geben; sie wird sich ihm wieder zuwenden, ihn geradeaus führen


92




und ihm Zufriedenheit geben. Sie wird ihm ihre Geheimnisse auf-

decken, wird in ihn die Schätze ihres Wissens und ihrer Einsicht in

die Gerechtigkeit legen.“ [Sir 4,12–21].


Ja, all das ist schon gesagt worden. Die Bücher der Weisheit gelten

für alle Menschen, da sie in ihnen einen Spiegel ihrer Lebensführung

und einen Führer haben. Glücklich aber sind jene, die unter die gei-

stigen Liebhaber der Weisheit gezählt werden können.


Ich habe mich in meiner irdischen Verwandtschaft mit Weisen um-

geben. Anna, Joachim, Josef, Zacharias und noch mehr Elisabet und

der Täufer, waren sie nicht wirklich weise? Ich will nicht von meiner

Mutter sprechen, in der die Weisheit sich niedergelassen hatte.


Von der Jugend bis zum Grab hatte die Weisheit meine Großeltern

eine gottgefällige Lebensweise gelehrt, und wie ein Zelt vor den Fu-

rien der Elemente schützt, so wurden sie von jener vor der Gefahr

der Sünde bewahrt. Die heilige Gottesfurcht ist die Wurzel des Bau-

mes der Weisheit, der seine Zweige ausstreckt, um mit seinem Gipfel

die stille Liebe in ihrem Frieden zu erreichen, die friedliche Liebe in

ihrer Sicherheit, die sichere Liebe in ihrer Treue, die treue Liebe in

ihrer Glut, die vollkommene, hochherzige, tätige Liebe der Heiligen.


„Wer die Weisheit liebt, liebt das Leben“, sagt der Ekklesiastikus

[Sir 4,13–14]. Aber dasselbe besagt auch mein Wort: „Wer sein Le-

ben verliert um meiner Liebe willen, wird es retten“ [Mt 16,25; Mk

8,35; Lk 9,24]. Denn da ist nicht die Rede vom armen Leben dieser

Erde, sondern von dem ewigen; nicht von den Freuden einer Stunde,

sondern von den unsterblichen.


Joachim und Anna haben sie in diesem Sinn geliebt. Und sie war

mit ihnen in ihren Prüfungen. Oh, wie viele von euch möchten, ohne

von Grund auf böse zu sein, nie weinen und leiden müssen! Wieviel

aber hatten diese Gerechten zu leiden, die es verdienten, Maria als

Tochter zu besitzen!


Politische Verfolgungen, die sie aus dem Land Davids vertrieben,

ließen sie aufs äußerste verarmen. Die Traurigkeit, ihre Jahre verflie-

ßen zu sehen, ohne daß eine Blüte ihnen gesagt hätte: „In mir lebt


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ihr weiter!“ Und später das Bangen, sie nie als Frau aufblühen zu

sehen, da sie ihnen erst im Alter geschenkt worden war. Schließlich

der Schmerz, sie sich vom Herzen reißen zu müssen, um sie auf dem

Altar Gottes niederzulegen. Nun mußten sie in einem noch größeren

Schweigen leben, nun, da sie sich an das Gurren ihrer Turteltaube,

an das Geräusch ihrer Schrittchen, an das Lächeln und an die Küsse

ihres Kindes gewöhnt hatten. In diesen Erinnerungen sollten sie die

Stunde Gottes abwarten. Und weiter: Krankheiten, Heimsuchungen

durch Unwetter, durch die Anmaßung der Mächtigen . . . So viele

Rückschläge in der schwachen Burg ihres bescheidenen Wohlstan-

des. Damit noch nicht genug: die Sorge um ihr fernes Kind, das al-

lein und arm ist, und das trotz aller Mühe und Opfer nur mit einem

Rest des väterlichen Besitztums zurückbleiben wird. Und wie wird

sie es vorfinden, wenn es jahrelang unbebaut geblieben ist, verschlos-

sen in Erwartung ihres Kommens? Befürchtungen, Ängste, Prüfun-

gen und Versuchungen. Aber Treue, Treue, immer Treue Gott gegen-

über. Die Versuchung war groß: nicht zu verzichten auf den Trost

der Tochter in der Zeit, da ihr Leben sich seinem Ende zuneigte.


Aber die Kinder gehören noch vor den Eltern Gott. Und jedes

Kind kann sagen: „Weißt du nicht, daß ich die Belange des Vaters im

Himmel tun muß?“ [Lk 2,49]. Jeder Vater und jede Mutter muß ler-

nen, sich so zu verhalten, wie Maria und Josef im Tempel, wie Anna

und Joachim im Haus von Nazaret, das immer leerer und trauriger

wurde, in dem aber eins sich nicht verminderte und vielmehr immer

anwuchs: die Heiligkeit der beiden Herzen, die Heiligkeit einer Ehe.


Was bleibt dem kranken Joachim und seiner leidenden Gattin als

Lichtstrahl an den langen und stillen Abenden, in denen sie den na-

hen Tod fühlen? Die Kleidchen, die ersten Sandälchen, das einfache

Spielzeug ihrer fernen Kleinen und die Andenken, die Erinnerun-

gen. Aber es erfüllt sie auch ein großer Friede; denn sie können sich

sagen: „Ich leide, aber ich habe meine Pflicht getan aus Liebe zu

Gott.“


Und sieh, da steigt in ihnen eine übermenschliche Freude auf in


94




einem himmlischen Licht, das den Kindern der Welt unbekannt ist

und das sich nicht verdunkelt, wenn es auf die schweren Augen-

lider zweier Sterbender fällt, sondern in der letzten Stunde noch

heller leuchtet und Wahrheiten offenbart, die während des ganzen

Lebens in ihrer Seele geschlummert haben, sozusagen wie die in

den Puppen eingeschlossenen Schmetterlinge, die nur durch leicht

schimmernde Bewegungen von ihrem Dasein Zeichen geben, wäh-

rend sie jetzt ihre Sonnenschwingen öffnen, so daß die Worte sicht-

bar werden, die zur Zierde auf ihnen stehen. Und das Leben erlöscht

in dem Bewußtsein einer seligen Zukunft für sie und ihre Nachkom-

menschaft und mit einem Segensspruch auf den Lippen für ihren

Gott.


So war der Tod meiner Großeltern. So entsprach er ihrem heili-

gen Leben. Wegen ihrer Heiligkeit verdienten sie, die ersten Hüter

der von Gott Geliebten zu sein, und erst als sich an ihrem Lebens-

abend eine noch größere Sonne zeigte, erahnten sie die Gnade, die

Gott ihnen zuteil hatte werden lassen. Wegen ihrer Heiligkeit hat-

te Anna keine Geburtswehen ertragen müssen und stattdessen die

von ekstatischem Glück begleitete Geburt der Makellosen erlebt. Für

beide gab es keine Agonie, nur eine Mattigkeit, die erlosch, wie ein

Stern sanft erlöscht, wenn die Sonne in der Morgenröte aufgeht. Und

wenn sie auch nicht den Trost hatten, mich, die fleischgewordene

Weisheit, zu besitzen wie Josef, so war ich doch bei ihnen und sagte

ihnen, gebeugt über ihre Kissen, erhabene Worte, um sie in Frieden

einschlafen zu lassen in der Erwartung des Triumphes.


Da höre ich jemanden fragen: „Warum brauchten sie nicht zu

leiden beim Gebären und in der Todesstunde, da sie doch Kin-

der Adams waren?“ Und ich antworte ihm: „Wenn der Täufer, als

Adamssohn mit der Erbsünde empfangen, vor seiner Geburt gehei-

ligt wurde, weil er in meine Nähe gekommen war, der ich im Schoß

meiner Mutter gegenwärtig war, sollte da keinen Gnadenvorzug ha-

ben die heilige Mutter der Heiligen, der Makellosen, der von Gott

Bewahrten, die einen Gott in sich trug in ihrem fast göttlichen Geist


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und in ihrem keimenden Herzen, die sich nie von ihm getrennt hat-

te, seit sie vom Vater erdacht worden war und schließlich heimkehr-

te, um Gott vollkommen zu besitzen im Himmel in der glorreichen

Ewigkeit?“ Und ich füge noch hinzu: „Das gute Gewissen verleiht

einen guten Tod, und die Gebete der Heiligen erlangen euch ein

seliges Sterben.“


Joachim und Anna hatten ein ganzes Leben guten Gewissens hin-

ter sich, und dieses diente ihnen als Führer zum Himmel; und sie

hatten die „Heilige“ in Anbetung vor dem Altar Gottes. Sie betete

für die von ihr getrennten Eltern, die bei ihr nach Gott, dem höch-

sten Gut, kamen; sie liebte sie, wie es das Gesetz und auch das un-

endliche Herz verlangen, jedoch mit einer übernatürlich vollkomme-

nen Liebe.«


16 »Du sollst die Mutter des Gesalbten sein«


Erst gestern, Freitagabend, wurde mein Geist erleuchtet zum Schauen; ich habe

aber nichts anderes gesehen als . . .


. . . eine ganz junge Maria: eine höchstens zwölfjährige Maria, de-

ren Gesichtchen nicht mehr das Rundliche der Kindheit hat, wohl

aber schon die künftigen Züge der Frau im Oval, das sich verlän-

gert. Auch die Haare fallen nicht mehr mit ihren Locken aufgelöst

über den Hals herab; sie sind in zwei schwere Zöpfe von blassem

Gold geflochten und wie mit Silber gemischt, so hell sind sie; sie

bedecken die Schultern und reichen bis zu den Hüften. Der Blick ist

nachdenklicher und reifer geworden, obgleich das Gesicht noch im-

mer kindliche Züge aufweist. Ein schönes, reines Mädchen, das ganz

in Weiß gekleidet in einer kleinen, weißen Kammer näht. Durch das

weit geöffnete Fenster ist das mächtige zentrale Gebäude des Tem-

pels sichtbar mit allen Treppen, den Höfen und den Säulengängen;

dann die Umfassungsmauern und jenseits die Stadt mit ihren Gas-

sen, Häusern und Gärten, und im Hintergrund der grüne Gipfel des

Ölberges.


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Sie näht und singt mit leiser Stimme. Ich weiß nicht, ob es ein

heiliger Gesang ist. Er lautet:


»Wie ein Stern im klaren Gewässer,

ein Licht mir leuchtet im Herzensgrund.

Seit meiner Kindheit weicht es nicht von mir,

und es geleitet mich sanft, voller Liebe.


Im Grund des Herzens tönt ein Gesang.

Woher mag er wohl kommen?

O Mensch, du weißt es nicht.

Von dort, wo der Heilige wohnt.


Ich schaue auf meinen hellen Stern,

ich will nichts, was nicht so ist,

und sei es noch so süß und teuer,

wie dieses sanfte Licht, das ganz mir gehört.


Du hast mich getragen von den Himmelshöhen,

Stern, hinein in einen Mutterschoß.

Du lebst jetzt in mir, doch hinter den Schleiern

sehe ich das Antlitz des Vaters.


Wann gibst du deiner Magd die Ehre,

die demütige Magd des Erlösers zu sein?

Sende uns, sende uns vom Himmel den Messias!

Heiliger Vater, nimm das Opfer Marias an!«


Maria schweigt, lächelt und seufzt; dann fällt sie zum Gebet auf

die Knie. Ihr Antlitz ist ganz Licht. Hochaufgerichtet zum klaren

Blau eines schönen Sommerhimmels scheint sie die ganze Lichtfülle


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einzuatmen und wieder auszustrahlen. Oder besser noch: aus ihrem

Inneren scheint eine verborgene Sonne Licht auszustrahlen, den ro-

sa Schnee der Haut Marias zu entzünden und sich über die Dinge

zu ergießen, selbst über die Sonne, die auf die Erde scheint, Segen

spendet und viel Gutes verheißt.


Während Maria sich anschickt, sich nach ihrem liebeglühenden

Gebet zu erheben, und ihr Antlitz in leuchtendem Entzücken glüht,

tritt die Greisin Hanna des Penuël ein. Erstaunt oder wenigstens vol-

ler Bewunderung über die Haltung und den Anblick Marias bleibt

sie stehen. Dann ruft sie: »Maria!«, und das Mädchen wendet sich

um mit einem Lächeln, das neu, aber nicht weniger schön ist, und

grüßt: »Hanna, der Friede sei mit dir!«


»Hast du gebetet? Hast du nie das Gefühl, genug gebetet zu ha-

ben?«


»Das Gebet würde mir genügen, aber ich spreche mit Gott. Hanna,

du kannst nicht wissen, wie nahe ich mich ihm fühle. Mehr als nahe:

er ist in meinem Herzen. Gott möge mir solchen Übermut verzei-

hen. Aber ich fühle mich nicht allein. Siehst du, dort in jenem Haus

von Gold und von Schnee, hinter dem doppelten Vorhang, befindet

sich der Heilige der Heiligen. Nie vermag ein Auge, abgesehen von

dem des Hohenpriesters, auf den Sühnealtar zu blicken, auf dem

die Herrlichkeit des Herrn ruht. Aber ich brauche diesen doppelten

Vorhang, der sich bewegt beim Gesang der Jungfrauen und Leviten

und duftet von kostbarem Weihrauch, nicht mit ehrfurchtsvoller See-

le anzuschauen, wie um das doppelte Gefüge zu durchbohren und

das Zeugnis des Bundes durchleuchten zu lassen. Ja, ich schaue ihn

an. Fürchte nicht, daß ich es nicht mit ehrfürchtigem Auge tue, wie

jeder Sohn Israels! Fürchte nicht, daß der Stolz mich blende bei dem

Gedanken an das, was ich dir sage! Ich schaue ihn an, und es gibt

keinen Knecht im Volk Gottes, der das Haus Gottes, seines Herrn,

demütiger anschaut, als ich es tue, die ich überzeugt bin, die Ge-

ringste von allen zu sein. Aber was sehe ich? Was stelle ich mir vor

hinter dem Vorhang? Ein Zelt. Und was hinter ihm? . . .


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Wenn ich mir aber ins Herz blicke, da sehe ich Gott leuchten in sei-

ner Herrlichkeit der Liebe, und er sagt zu mir: „Ich liebe dich“, und

ich sage zu ihm: „Ich liebe dich“, und ich schmelze dahin und richte

mich auf bei jedem Herzschlag bei diesem gegenseitigen Kuß . . .


Ich bin mitten unter euch, meine teuren Lehrmeisterinnen und

Gefährtinnen. Aber ein Kreis von Flammen sondert mich von euch

ab. In dem Kreis befinden sich Gott und ich. Und ich sehe euch

durch das Feuer Gottes, und so liebe ich euch . . . Aber ich kann

euch nicht dem Fleisch nach lieben und nie werde ich jemanden dem

Fleisch nach lieben. Meine einzige Liebe ist Er, der mich liebt, und

zwar dem Geiste nach. Ich kenne mein Los. Das Gesetz Israels will,

daß jedes Mädchen eine Braut werde, und jede Braut eine Mutter

[Gen 1,28; 9,1; Tob 8,9; Num 36,6–10; 1 Tim 5,14]. Ich will dem Gesetz

gehorchen; ich gehorche aber auch der Stimme, die mir sagt: „Ich

will dich.“ Jungfrau bin ich und werde ich sein. Wie werde ich es

machen können? Die süße, unsichtbare Gegenwart, die mit mir ist,

wird mir helfen, denn sie will es; ich fürchte mich nicht.


Ich habe keinen Vater und keine Mutter mehr . . . und der Ewige

allein weiß, wie dieser Verlust alles, was menschlich in mir war, ver-

brannt hat. Es verbrannte, und ich erlitt einen tiefen Schmerz. Jetzt

habe ich nichts mehr als Gott. Ihm gehorche ich daher blindlings . . .

Ich hätte es auch gegen den Willen des Vaters und der Mutter getan;

denn die Stimme lehrt mich, daß der, der ihr folgen will, an Vater

und Mutter, an den lieben Wächtern der äußeren Mauern eines Kin-

derherzens, vorüberschreiten muß. Die Eltern wollen ihre Kinder

auf ihre Weise zum Glück führen . . . und sie wissen nicht, daß es

andere Wege gibt, deren Freude und Friede unendlich sind . . . Ich

hätte auf Kleider und Mantel verzichtet, um der Stimme zu folgen,

die mir sagt: „Komm, du meine Geliebte, meine Braut!“ Alles hät-

te ich zurückgelassen, sowohl die Tränen – denn ich hätte geweint,

weil ich ihnen nicht hätte gehorchen können – als auch die Rubinen

meines Blutes – denn auch dem Tod hätte ich getrotzt, um der rufen-

den Stimme zu folgen; sie hätten ihnen gesagt, daß es noch etwas


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Größeres und Süßeres gibt als die Liebe zu Vater und Mutter: die

Stimme Gottes.


Aber jetzt hat mich sein Wille auch von diesen Banden der Kin-

desliebe gelöst. Meine Eltern waren zwei Gerechte, und Gott sprach

sicher in ihnen, wie er in mir spricht. Sie waren der Gerechtigkeit

und der Wahrheit gefolgt. Wenn ich an sie denke, stelle ich sie mir

in der Ruhe der Erwartung unter den Patriarchen vor, und ich be-

schleunige mit meinem Opfer die Ankunft des Messias, um ihnen

die Pforten des Himmels zu öffnen. Auf Erden bin ich es, die mich

lenkt, oder vielmehr, es ist Gott, der seine arme Dienerin lenkt und

ihr seine Gebote vorschreibt; und ich erfülle sie, denn sie zu erfüllen

ist eine Freude. Wenn die Stunde kommt, werde ich meinem Bräuti-

gam mein Geheimnis mitteilen . . . und er wird es annehmen.«


»Aber Maria . . . welche Worte werden dir helfen, ihn zu überre-

den? Du wirst die Liebe eines Menschen, das Gesetz und das Leben

gegen dich haben.«


»Auf meiner Seite aber habe ich Gott . . . Gott wird das Herz des

Bräutigams dem Licht öffnen . . . Das Leben wird die Stachel der

Sinne verlieren und eine Blume werden, die den Duft der Liebe hat.

Das Gesetz . . . Hanna, nenne mich nicht eine Gotteslästerin . . . aber

ich glaube, das Gesetz wird geändert werden. Von wem, fragst du,

da es göttlich ist? Von dem einzigen, der es ändern kann: von Gott.

Die Zeit ist nahe, näher als ihr denkt, ich sage es euch. Denn bei

der Lesung Daniels [Dan 9,24] entzündet sich im Innersten meines

Herzens ein großes Licht, und mein Geist erfaßt den Sinn der ge-

heimnisvollen Worte. Abgekürzt werden die siebzig Wochen durch

die Gebete der Gerechten. Verändert sich so die Zahl der Jahre? Nein.

Prophezeiungen lügen nicht. Aber weder der Lauf der Sonne, noch

der des Mondes ist das Maß der prophetischen Zeit; daher sage ich:


„Die Stunde ist nah, die das Wimmern des von der Jungfrau Gebore-

nen hören wird.“


Oh! Oh! möchte dieses Licht, das mich liebt und das mir soviel

mitteilt, mir sagen, wo die Glückliche ist, die ihrem Volk den Sohn


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und den Messias gebären wird! Barfuß würde ich die Welt durch-

eilen, weder Kälte und Eis, noch Hitze und Staub, noch Tiere und

Hunger würden mich daran hindern, zu ihr zu gelangen und ihr

zu sagen: „Gestatte deiner Dienerin und der Magd der Knechte des

Gesalbten, unter deinem Dach zu leben. Ich werde den Mühlstein

drehen und die Presse; als Sklavin mich an die Mühle stellen; deine

Herde will ich hüten und die Windeln deines Kindes waschen; set-

ze mich in deine Küche, stelle mich an deinen Ofen . . . wohin du

willst; aber nimm mich an! Damit ich ihn sehe! Seine Stimme höre!

Seinen Blick auffange!“ Und wenn sie mich nicht wollte, so würde

ich an ihrer Tür von Almosen und Spott leben, unter freiem Himmel

und heißer Sonne, nur um die Stimme des Messiaskindes und das

Echo seines Lachens zu hören; um ihn vorübergehen zu sehen und

vielleicht eines Tages von ihm ein Scherflein Brot zu erhalten . . . Oh!

wenn auch der Hunger meine Eingeweide zerreißen und ich ohn-

mächtig werden sollte nach den größten Entbehrungen: ich würde

dieses Brot nicht essen! Ich würde es wie ein Säcklein voller Perlen

an mein Herz drücken und es küssen, um den Wohlgeruch der Hän-

de des Gesalbten zu spüren, und ich hätte keinen Hunger und keine

Kälte mehr; denn diese Berührung würde mir Verzückung und Wär-

me, Verzückung und Speise sein . . . «


»Du solltest die Mutter des Gesalbten sein, da du ihn so liebst!

Willst du deshalb Jungfrau bleiben?«


»Oh! nein. Ich bin Elend und Staub. Ich wage nicht, den Blick

zur Herrlichkeit Gottes zu erheben. Und das ist der Grund, weshalb

ich lieber in das Innere des Herzens schaue als auf den doppelten

Vorhang, auf dessen anderer Seite ich die unsichtbare Gegenwart

Jehovas weiß. Dort ist der furchtbare Gott des Sinai; hier aber in

mir sehe ich unseren Vater, ein liebevolles Antlitz, das mir zulächelt

und mich segnet; denn ich bin klein wie ein Vöglein, das der Wind

mit sich trägt, ohne seine Schwere zu fühlen, und schwach wie der

Stiel des wilden Maiblümchens, das nur zu blühen und Duft zu ver-

breiten weiß und dem Wind keine andere Kraft entgegenstemmt als


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die seiner duftenden und reinen, süßen Sanftmut. Gott, mein Liebes-

hauch! Dem von Gott und einer Jungfrau geborenen, dem Heiligsten,

kann nichts anderes gefallen als das, was er im Himmel zur Mutter

erwählt hat und was ihm auf Erden vom himmlischen Vater spricht:

die Reinheit. Wenn das Gesetz dies betrachten würde, wenn die Rab-

bis, die es mit all den Spitzfindigkeiten ihrer Lehren versehen haben,

ihren Sinn auf höhere Horizonte hinwenden würden, wenn sie sich

eintauchen würden in das Übernatürliche, ohne das Menschliche

und den eigenen Vorteil zu suchen, worüber sie das höchste Ziel

vergessen . . . wenn sie das aufgeben würden, dann würden sie ihre

Unterweisung vor allem auf die Reinheit hinrichten, damit der Kö-

nig Israels bei seiner Ankunft diese vorfinde. Mit dem Ölbaum des

Friedfertigen, mit den Palmen des Triumphators streut Lilien, Lilien

und immer wieder Lilien!


Wieviel Blut wird er vergießen müssen, um uns zu erlösen, der

Heiland! Wieviel! Aus den tausend und tausend Wunden, die Jesaja

am Mann der Schmerzen sah! [Jes 53,5]. Sieh, wie der Tau aus einem

porösen Gefäß, fällt nun ein Regen von Blut.


Möge es nicht hinfallen, wo es Entheiligung und Gotteslästerung

vorfindet, dieses göttliche Blut, sondern in Kelche von leuchtender

Reinheit, die es aufnehmen und sammeln, um es dann über seelisch

Kranke zu sprengen, über die Aussätzigen im Geiste und die für

Gott Gestorbenen! Reicht ihm Lilien, Lilien, um mit dem weißen Ge-

wand reiner Blütenblätter den Schweiß und die Tränen des Gesalb-

ten zu trocknen! Gebt Lilien, gebt Lilien für das heilige Fieber des

Märtyrers! Oh! Wo wird die Lilie sein, die dich trägt? Die deinen

Durst stillen wird? Wo ist jener, den dein Blut röten und der sterben

wird, indem er dich sterben sieht? Wo ist der, der weint über deinem

blutentleerten Leib? Oh, Christus! Christus! Meine Sehnsucht! . . . «

Maria schweigt, weinend und überwältigt.


Auch Hanna schweigt und sagt dann mit der reinen Stimme

der bewegten Greisin: »Hast du mich noch anderes zu lehren, Ma-

ria? . . . «


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Maria schüttelt sich. Sie muß wohl in ihrer Demut glauben, daß

ihre Meisterin sie tadelt, denn sie sagt: »Oh! Verzeihung! Du bist die

Meisterin, und ich bin ein armes Nichts. Aber diese Stimme steigt

mir aus dem Herzen empor. Ich überwache sie gut, um nicht zu spre-

chen. Aber wie ein Fluß, dessen Wasser über die Ufer tritt und die

Dämme durchbricht, so hat es mich erfaßt und ist durchgebrochen.

Achte nicht auf meine Worte und demütige meine Anmaßung! Die

geheimnisvollen Worte sollten verborgen bleiben in der geheimen

Lade des Herzens, die Gott in seiner Güte beschenkte. Aber sie ist

so liebreich, diese unsichtbare Gegenwart, daß ich davon trunken

bin . . . Hanna verzeihe mir, deiner kleinen Magd!«


Hanna drückt sie an sich, und das faltenreiche, alte Antlitz bebt

und glänzt vom Weinen. Die Tränen bahnen sich zwischen den Fal-

ten einen Weg, wie Wasser auf einem trockenen Erdreich. Aber die

alte Meisterin erregt kein Lachen; vielmehr bewirkt ihr Weinen höch-

ste Verehrung.


Maria liegt in ihren Armen, das Gesichtchen an die Brust der grei-

sen Meisterin gelehnt, und alles endet so.


17 »Sie schaute wieder, was ihr Geist in Gott gesehen hatte«


Jesus spricht:

»Maria dachte an Gott. Sie träumte von Gott; sie glaubte zu träu-


men. Sie tat nichts anderes, als wiederzusehen, was ihr Geist im

Glanz des Himmels Gottes geschaut hatte, da sie erschaffen wurde,

um mit dem auf der Erde empfangenen Leib vereinigt zu werden.

Sie teilte mit Gott, wenn auch in viel geringerem Maß, so wie die Ge-

rechtigkeit es verlangt, eine der Eigenschaften Gottes: die des Sich-

Erinnerns, des Schauens und Vorausschauens, durch eine erhabene

und vollkommene, nicht durch die Erbsünde verletzte Intelligenz.


Der Mensch ist nach dem Bild Gottes erschaffen worden. Eine der

Ähnlichkeiten besteht in der Fähigkeit des von der Gnade erfüllten

Geistes, sich zu erinnern, zu sehen und vorauszusehen. Das erklärt


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die Fähigkeit, in der Zukunft zu lesen: eine Fähigkeit, die oft direkt

aus dem Willen Gottes entspringt, andere Male aus der Erinnerung,

die auftaucht, wie die Sonne am Morgen, und einen bestimmten

Punkt des Horizontes der Jahrhunderte beleuchtet, der schon gese-

hen ward vom Schoß Gottes aus. Dies sind Geheimnisse, die zu hoch

sind, als daß ihr sie voll begreifen könntet.


Aber denkt einmal nach! Diese höchste Intelligenz, dieser Gedan-

ke, der alles weiß, diese Schau, die alles sieht, die euch erschuf durch

einen Willensakt und mit einem Hauch seiner unendlichen Liebe

und euch zu seinen Kindern machte durch euren Ursprung und zu

seinen Söhnen durch eure Bestimmung: könnte sie etwas geben, was

von ihr verschieden ist? Sie gibt es euch in unendlich kleinem Maß

(nicht im pantheistischen, sondern im theologischen Sinn „einer Teil-

nahme an der göttlichen Natur“ zu verstehen). Denn das Geschöpf

könnte den Schöpfer nicht umfassen. Aber dieser Teil ist vollkom-

men und vollständig in seiner Kleinheit.


Welch einen Schatz von Intelligenz hat Gott dem Menschen, dem

Adam gegeben! Die Schuld hat sie verringert, aber mein Opfer ver-

vollständigt sie wieder und öffnet euch ihrem Leuchten, ihrem Strö-

men und ihrem Wissen.


Erhabenheit des menschlichen Geistes, der durch die Gnade mit

Gott verbunden ist. Er ist teilhaftig der Fähigkeit Gottes, zu erken-

nen.


Es gibt keinen andren Weg. Das sollen alle bedenken, die überna-

türliche Geheimnisse begreifen möchten. Jede Erkenntnis, die nicht

aus einer von der Gnade erfüllten Seele kommt – der aber ist nicht in

der Gnade, der gegen das Gesetz Gottes handelt, das klar in seinen

Geboten ist – kann nur von Satan kommen und entspricht schwer-

lich der Wahrheit, auch wenn sie Menschliches zum Gegenstand hat.

Nie entspricht sie der Wahrheit, wenn es um Übermenschliches geht;

denn der Dämon ist der Vater der Lüge und zieht euch mit auf den

Pfad der Lüge. Es gibt keinen andren Weg, das Wahre zu erkennen,

als den von Gott stammenden, der redet und spricht oder uns etwas


104




ins Gedächtnis ruft, wie ein Vater dem Sohn sein Vaterhaus ins Ge-

dächtnis ruft und sagt: „Erinnerst du dich, als du mit mir dieses oder

jenes tatest, dieses sahst oder jenes hörtest? Erinnerst du dich daran,

als du von mir den Abschiedskuß erhieltst? Erinnerst du dich, als

du mich das erste Mal sahst, die strahlende Sonne meines Antlitzes

auf deiner jungfräulichen, eben erschaffenen und noch reinen Seele,

die du, kaum daß sie aus mir hervorgegangen, befleckt und damit

geschwächt hast? Erinnerst du dich, daß du in einer Regung der Lie-

be verstanden hast, was die Liebe ist, was das Geheimnis unseres

Seins und unserer Entwicklung ist?“ Und was die beschränkte Fas-

sungskraft des Menschen in der Gnade nicht erreicht, das ergänzt

der Geist des Wissens, der spricht und unterweist.


Aber, um den Heiligen Geist zu besitzen, bedarf man der Gnade!

Um die Wahrheit und das Wissen zu besitzen, bedarf es der Gnade.

Um den Vater mit sich zu haben, ist Gnade erforderlich. Das Zelt,

in dem die drei Personen wohnen, ist der Ort der Versöhnung, an

dem der Ewige ruht und nicht aus einer Wolke spricht, sondern dem

getreuen Sohn sein Antlitz enthüllt.


Die Heiligen (die Gerechten) erinnern sich Gottes und der Worte,

die sie gehört haben vom Schöpfergeist und die die göttliche Liebe

in ihrem Herzen erweckt, um sie wie Adler zur Betrachtung des

Wahren und zur Erkenntnis der Zeit zu erheben.


Maria war die Gnadenvolle. Die ganze Gnade des Dreieinigen war

in ihr. Die ganze Gnade des Einen und Dreieinen bereitete sie als

Braut für die Hochzeit vor, als Brautgemach für das Kind, als Göttli-

che zur Mutterschaft und zu ihrer Sendung. Sie ist es, die den Kreis

der Prophetinnen des Alten Testaments schließt und den der „Wort-

träger Gottes“ im Neuen Testament eröffnet.


Wahre Arche des Wortes Gottes, schaut sie hinein in ihr in Ewig-

keit unverletztes Innere, entdeckt sie, geschrieben vom Finger Gottes

auf ihr unbeflecktes Herz, die Worte des ewigen Wissens und erin-

nert sich wie alle Heiligen, sie bereits in ihrem unsterblichen Geist

gehört zu haben beim Geborenwerden, von Gott, dem Vater und


105




Schöpfer allen Lebens. Und wenn sie sich nicht an alle ihre künfti-

gen Aufgaben erinnert, so geschieht das, weil Gott in jeder mensch-

lichen Vollkommenheit Lücken läßt nach dem Gesetz der göttlichen

Klugheit, die Güte ist und Verdienst bedeutet für das Geschöpf.


Die zweite Eva, Maria, mußte sich ihren Verdienstanteil als Mutter

Christi durch einen treuen, guten Willen erwerben, den Gott auch in

seinem Gesalbten haben wollte, um ihn zum Erlöser zu machen.


Der Geist Marias war im Himmel, Gemüt und Fleisch auf der Erde,

und sie mußte Erde und Fleisch mit Füßen treten, um den Geist zu

erreichen und ihn mit dem Heiligen Geist in fruchtbarer Umarmung

zu verbinden.«


18 »Gott wird dir den Bräutigam geben, und er

wird heilig sein, denn du vertraust auf Gott.


Du sollst ihm dein Gelübde bekennen«


Welch eine Höllennacht! Es schien wirklich, als wären die Teufel auf die Erde ge-

kommen. Kanonendonner, Lärm, Blitze, Gefahr, Furcht, Schmerz und das Leid,

nicht in meinem eigenen Bett zu sein (infolge kriegerischer Ereignisse); und mit-

tendrin, wie eine ganz weiße und liebliche Blume im Rauch und Durcheinander,

Maria; Maria, ein wenig erwachsener als in der gestrigen Vision, aber immer noch

sehr jung, mit blonden Zöpfen auf den Schultern, in ihrem weißen Kleid, mit ih-

rem sanften, gesammelten Lächeln: einem inneren Lächeln, hingerichtet auf das

glorreiche Geheimnis, das sie im Herzen birgt. Ich verbringe die Nacht, indem ich

Vergleiche zwischen ihrem sanften Anblick und der Grausamkeit der Welt anstelle,

und ihre Worte von gestern morgen überdenke, ein Lied lebendiger Liebe, das ich

mit dem Haß, der sich zerfleischt . . . vergleiche . . .


Heute morgen, zurückgekehrt in das Schweigen meines Zimmers, erlebe ich die

folgende Szene:


Maria ist immer noch im Tempel. Jetzt kommt sie mit anderen

Jungfrauen heraus aus dem wahren und eigentlichen Tempel Gottes,

aus den Räumen in der Nähe des Heiligtums.


Es muß dort irgendeine Zeremonie stattgefunden haben, denn der

Weihrauch breitet sich in der Luft aus, die rötlich gefärbt ist vom

schönen Sonnenuntergang, ich möchte sagen, eines vorgerückten


106




Herbstes; denn der Himmel hängt an diesem heiteren Oktobertag

ziemlich müde über den Gärten Jerusalems, in denen das Ockergelb

der herabfallenden Blätter blondrote Flecken zwischen das Silber-

grün der Olivenbäume legt.


Die Schar, vielmehr der weiße Schwarm der Mädchen durchquert

den hinteren Säulengang, ersteigt die Stufen, durchrauscht einen

Säulengang und betritt einen anderen, weniger prunkvollen, qua-

dratischen Hof, der keine andere Öffnung hat als diesen Eingang.

Es muß die Pforte zu den kleinen Behausungen jener Jungfrauen

sein, die dem Tempeldienst geweiht sind; denn jedes Mädchen eilt

auf seine Zelle zu wie ein Täubchen zu seinem Nest, und es sieht

genau so aus, wie wenn ein Schwarm von Tauben sich auflöst. Vie-

le, beinahe alle reden leise, aber fröhlich miteinander, bevor sie sich

trennen. Maria schweigt. Bevor sie sich aber von den andren trennt,

grüßt sie mit freundlicher Stimme, und begibt sie sich dann zu ih-

rem Kämmerlein, in einen Winkel zur Rechten.


Eine Lehrerin nähert sich ihr, nicht so alt wie Hanna des Penuël,

aber doch schon in einem fortgeschrittennen Alter: »Maria, der Ho-

hepriester erwartet dich.«


Maria schaut sie etwas erstaunt an, stellt aber keine Frage. Sie

antwortet nur: »Ich werde mich schnell zu ihm begeben.«


Ich weiß nicht, ob der weite Saal, in den sie eintritt, zum Haus

des Hohenpriesters gehört oder ob er noch ein Teil der Frauenwoh-

nungen im Tempel ist. Ich weiß nur, daß er weit, hell und gut ein-

gerichtet ist und daß sich in ihm außer dem prächtig gekleideten

Hohenpriester auch Zacharias und Hanna des Penuël befinden.


Maria macht an der Schwelle eine tiefe Verneigung und bleibt

stehen, bis der Hohepriester zu ihr sagt: »Tritt näher, Maria, fürch-

te dich nicht!« Nun richtet Maria sich auf, erhebt ihr Antlitz und

schreitet langsam vorwärts, nicht widerwillig, sondern mit einem

ungewöhnlichen Ausdruck von Feierlichkeit, der sie fraulicher er-

scheinen läßt.


Hanna lächelt ihr zu, um sie zu ermutigen, und Zacharias grüßt

sie mit einem: »Der Friede sei mit dir, meine Base.«


107




Der Hohepriester beobachtet sie aufmerksam und sagt, zu Za-

charias hingewendet: »In ihr erkennt man den Stamm Davids und

Aarons.«


Dann fährt er fort: »Tochter, ich kenne deine Anmut und Güte. Ich

weiß, daß du täglich in den Augen Gottes und der Menschen an Wis-

sen und Gnade zunimmst. Ich weiß, daß die Stimme Gottes deinem

Herzen die lieblichsten Worte zuraunt. Ich weiß, daß du die Blume

des Tempels Gottes bist und daß ein dritter Kerub vor dem Taber-

nakel steht, seit du hier bist. Ich möchte gerne, daß dein Duft auch

weiterhin mit dem Weihrauch aller Tage vor Gott aufsteige. Aber

das Gesetz spricht andere Worte. Du bist nun kein Kind mehr, son-

dern eine Frau. Und jede Frau in Israel muß Gattin werden, um dem

Herrn Knaben darzubringen. Du mußt dem Gesetz folgen. Fürchte

dich nicht, erröte nicht! Ich kenne deine königliche Abstammung.

Aber das Gesetz schützt dich mit der Verordnung, daß jedem Mann

eine Frau aus seinem Stamm gegeben werde [Num 36,6–10]. Aber

selbst, wenn es das nicht gäbe, ich würde dafür sorgen, daß dein

edles Blut nicht verdorben wird. Kennst du niemanden aus deinem

Stamm, der dir Bräutigam sein könnte?«


Maria erhebt ein von Schamhaftigkeit gerötetes Gesicht, während

in den Winkeln der Augenwimpern erste Tränen aufschimmern, und

mit zitternder Stimme antwortet sie: »Niemanden.«


»Sie kann niemanden kennen, denn sie trat in ihrer Kindheit hier

ein, und der Stamm Davids ist zu sehr heimgesucht worden und zer-

streut, als daß es möglich wäre, daß sich die verschiedenen Zweige

zusammenfinden, um die Krone der königlichen Palme zu bilden«,

sagt Zacharias.


»Dann überlassen wir Gott die Wahl!«

Die bisher zurückgehaltenen Tränen quellen nun hervor und flie-


ßen auf den zitternden Mund, und Maria wirft einen flehentlichen

Blick auf ihre Meisterin.


»Maria hat sich dem Herrn geweiht zu seiner Ehre und zur Ret-

tung Israels. Sie war noch ein Kind, das kaum zu buchstabieren ge-


108




lernt hatte, und schon hatte sie sich an das Gelübde gebunden . . . «

sagt Hanna, um ihr zu helfen.


»Ist das der Grund deines Weinens? Nicht der Trotz gegen das

Gesetz?«


»Deswegen, wegen nichts anderem . . . Ich gehorche dir, Hoher-

priester Gottes.«


»Das bekräftigt, was mir immer von dir gesagt wurde. Seit wie

langer Zeit bist du Gott als Jungfrau geweiht?«


»Seit jeher, glaube ich. Ich war noch nicht im Tempel, und schon

hatte ich mich dem Herrn geschenkt.«


»Aber bist du nicht die Kleine, die mich vor zwölf Frühlingen

gebeten hat, eintreten zu dürfen?«


»Ich bin es.«

»Aber wie kannst du sagen, daß du schon damals Gott gehörtest?«

»Soweit ich zurückschaue, sehe ich mich als Jungfrau . . . Ich erin-


nere mich nicht an die Stunde, da ich geboren wurde; auch nicht dar-

an, wie ich langsam begann, meine Mutter zu lieben und zu meinem

Vater zu sagen: „O Vater, ich bin deine Tochter . . . “ Aber ich erinne-

re mich, obwohl ich nicht sagen kann, wann es geschah, daß ich Gott

mein Herz geschenkt habe. Vielleicht war es beim ersten Kuß, den

ich zu geben vermochte, beim ersten Wort, das ich sprechen, beim er-

sten Schritt, den ich machen konnte . . . Ja, ich glaube, daß die erste

Erinnerung an diese Liebe mit meinen ersten, sicheren Schritten ver-

bunden ist . . . Mein Haus . . . mein Haus hatte einen Garten voller

Blumen . . . hatte einen Obstgarten und Felder . . . Und eine Quelle

im Hintergrund war dort, am Fuß des Hügels, und sprudelte hervor

aus einem ausgehöhlten Felsen, der eine Grotte bildete . . . Der Hü-

gel war mit langen und feinen Gräsern bedeckt, die wie ein grüner

Wasserfall von allen Seiten herabregneten, und es schien, als ob die

leichten Blättchen und Zweige, die einer Verzierung glichen, wein-

ten, wenn ihre Wassertröpfchen beim Niederfallen wie kleine Glöck-

lein anklangen. Auch die Quelle sang. Und es gab dort auch Vöglein

auf den Ölbäumen, die auf dem Bergvorsprung oberhalb der Quelle


109




wuchsen, und die weißen Tauben kamen, sich zu waschen in dem

klaren Spiegel dieser Quelle . . . Ich erinnere mich nicht mehr an

alles, denn ich hatte mein Herz ganz in Gott versenkt, und außer Va-

ter und Mutter, die ich liebte während ihres Lebens und nach ihrem

Tod, war alles auf dieser Erde fern von meinem Herzen . . . du läßt

mich nun daran denken, Hoherpriester . . . Ich muß suchen, wann

ich mich Gott weihte . . . Und die Dinge der ersten Jahre tauchen in

mir wieder auf . . .


Ich liebte diese Grotte, denn viel lieblicher noch als der Gesang

des Wassers und der Vögel erklang dort eine Stimme, die zu mir

sagte: „Komm, meine Geliebte!“ Ich liebte diese Gräser mit ihren

klingenden Diamanttröpfchen, denn ich sah in ihnen das Zeichen

meines Herrn, und ich verlor mich in den Worten: „Siehst du, wie

groß dein Gott ist, meine Seele? Er, der die Zedern des Libanon

gemacht hat für die großen Adler. Er hat diese Blättchen, die sich

neigen unter der Last einer Fliege, zu deiner Augenweide und zum

Schutz für deinen kleinen Fuß gemacht.“


Ich liebte das Schweigen der reinen Dinge: den leichten Wind, das

silberne Wasser, die Einfalt der Tauben . . . Ich liebte diesen Frieden,

der auf der kleinen Grotte ruhte, der von den Apfel- und Olivenbäu-

men herabzuregnen schien, die bald in Blüten waren, bald alle köst-

liche Früchte trugen . . . Und ich weiß nicht . . . es schien mir, daß

die Stimme zu mir, eigens zu mir, sagte: „Komm, du meine niedliche

Olive; komm, du mein süßer Apfel; du verschlossener Quell; komm,

du meine Traube!“ . . . Süß ist die Liebe des Vaters und der Mutter,

süß die Stimme, die mich rief . . . Aber diese! Diese! Oh! Ich glaube,

daß im irdischen Paradies jener, der dann schuldig wurde, diesel-

be gehört hat, und ich weiß nicht, wie er das Zischen einer Schlange

dieser Stimme der Liebe vorziehen, wie er ein anderes Wissen begeh-

ren konnte, das nicht von Gott war . . . Mit den Lippen, die noch der

Milch der Mutter bedurften, aber schon mit einem Herzen trunken

von himmlischem Honig habe ich damals gesagt: „Sieh, ich komme!

Dein bin ich! Kein anderer Herr wird meinen Leib besitzen außer


110




dir, o Herr; wie auch mein Geist keine andere Liebe kennt.“ Als ich

diese Worte sagte, schien es mir, als hätte ich sie schon gesagt, als

vollendete ich nur einen Ritus, der bereits vollzogen war, als wäre

mir der vorausbestimmte Bräutigam nicht fremd; denn ich kannte

schon seine Glut, meine Augen hatten sich in seinem Licht gebildet

und meine Fähigkeit zu lieben hatte sich erfüllt in seinen Armen.

Wann? . . . Ich weiß es nicht. Jenseits des Lebens, möchte ich sagen;

denn ich fühle, daß ich ihn immer besessen habe und daß er mich

immer besessen hat und daß ich bin, weil er mich gewollt hat zur

Freude seines und meines Geistes . . .


Ich gehorche, Priester. Sage du mir, wie ich handeln soll . . . Ich

habe weder Vater noch Mutter. Sei du mein Führer!«


»Gott wird dir den Bräutigam geben, und er wird heilig sein, da

du dich Gott anvertraust. Du sollst ihm dein Gelübde mitteilen.«


»Wird er es annehmen?«

»Ich hoffe es. Bete, Tochter, daß er dein Herz verstehe! Geh und


bete! Gott möge dich immer begleiten!«

Maria zieht sich mit Hanna zurück, während Zacharias bei dem


Oberpriester bleibt.

So endet die Vision.


19 Josef wird zum Bräutigam der Jungfrau bestimmt


Ich sehe einen reichen Saal mit schönem Fußboden, Vorhängen, Tep-

pichen und mit Intarsien verzierten Möbeln. Er muß noch zum Tem-

pel gehören, denn es sind Priester darin, unter ihnen auch Zacharias

und viele Männer jeden Alters (zwischen 20 und 50 Jahren).


Sie sprechen leise, aber lebhaft miteinander. Sie scheinen in ängstli-

cher Erwartung, aber ich weiß nicht warum. Alle sind festlich geklei-

det mit neuen Gewändern, oder wenigstens mit ganz frisch gewa-

schenen, als wären sie eigens für ein Fest hergerichtet. Viele haben

die Kopfbedeckung, ein Leinentuch, abgenommen; andere haben sie

noch auf dem Kopf, besonders die Alten, während die Jungen ihren


111




unbedeckten Kopf mit den dunkelblonden oder braunen Haare zei-

gen; nur einer ist kupferrot. Die Haare sind meist kurz geschnitten;

aber es gibt auch einige mit langen, bis auf die Schultern wallenden

Haaren. Es scheint, daß sich nicht alle kennen, denn viele beobach-

ten sich neugierig. Aber sie scheinen doch irgendwie verwandt zu

sein, denn man merkt, daß sie alle ein einziger Gedanke beherrscht.


In einem Winkel sehe ich Josef. Er spricht mit einem rüstigen äl-

teren Mann. Josef ist etwas über dreißig. Ein schöner Mann mit kur-

zen, etwas krausen Haaren, die kastanienbraun sind, wie auch der

Schnurrbart und der Bart, die ein schönes Kinn und die rotbraunen

Wangen umschatten. Er hat dunkle, schöne, tiefe und sehr ernste, ich

möchte fast sagen, etwas melancholische Augen. Wenn er aber lacht,

wie jetzt, werden sie lebendig und jugendlich. Er ist ganz hellbraun

gekleidet; einfach, aber sehr ordentlich.


Eine Gruppe von jungen Leviten kommt herein und stellt sich

zwischen der Tür und einem langen schmalen Tisch auf, der nahe

der Wand steht, in deren Mitte sich die weitgeöffnete Tür befindet.

Nur ein Vorhang, der bis auf 20 cm zum Boden herabhängt, bedeckt

die Leere.


Die Neugierde wächst. Sie wächst noch mehr, als eine Hand den

Vorhang zur Seite zieht, um einen Leviten eintreten zu lassen, der

auf den Armen ein Bündel trockener Zweige trägt, auf das ganz vor-

sichtig ein blühender Zweig gelegt worden ist; ein leichter Schaum

weißer Blütenblätter, die kaum rötlich angehaucht sind. Der Levit

legt das Bündel der Zweige mit großer Sorgfalt auf den Tisch, um

das Wunder dieses blühenden Zweiges inmitten von so vielen dür-

ren Ästen nicht zu beschädigen.


Ein Raunen geht durch den Saal. Die Hälse recken sich. Die Blicke

werden durchdringender. Auch Zacharias, der mit den Priestern

dem Tisch näher ist, sucht etwas zu erkennen. Aber er sieht nichts.

Josef in seinem Winkel wirft kaum einen Blick auf das Bündel von

Zweigen, und als sein Nachbar ihm etwas sagt, macht er eine abwei-

sende Gebärde, als wollte er sagen: »Unmöglich!«, und lächelt.


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Ein Trompetenstoß jenseits des Vorhanges! Alle schweigen und

stellen sich in guter Ordnung auf, mit dem Blick zum Ausgang, der

jetzt halbgeöffnet erscheint. Umgeben von den Ältesten tritt der Ho-

hepriester ein. Alle verneigen sich tief. Der Priester geht zum Tisch

und spricht aufrechtstehend:


»Ihr Männer aus dem Haus Davids, die ihr auf meine Ausschrei-

bung hier versammelt seid, hört zu! Der Herr hat gesprochen, er sei

gepriesen. Von seiner Herrlichkeit ist ein Strahl herabgestiegen, und

wie die Frühlingssonne hat er einem trockenen Zweig Leben gege-

ben. Dieser hat auf wunderbare Weise geblüht, obwohl kein Zweig

auf Erden heute in Blüte ist, am letzten Tag des Lichterfestes, wäh-

rend der Schnee, der auf den Höhen von Juda liegt, noch nicht ge-

schmolzen ist; und so ist dieser der einzige weiße Glanz zwischen

Zion und Betanien. Gott hat gesprochen und sich zum Vater und

Beschützer der Jungfrau Davids gemacht, die keinen anderen zum

Schutz hat als ihn. Heiliges Mädchen, Ruhm des Tempels und des

Stammes Davids! Sie hat es verdient, daß durch ein Gotteswort der

Name des Bräutigams bekannt wurde, der dem Ewigen genehm ist.


Ein gerechter muß derjenige sein, der vom Herrn als Hüter

der ihm teuren Jungfrau erwählt wird! Somit mildert sich unser

Schmerz, sie zu verlieren, und wird uns jede Sorge um ihr Schick-

sal als Braut genommen. Und dem von Gott Bezeichneten vertrauen

wir mit aller Sicherheit die Jungfrau an, auf der Gottes Segen und

auch der unsrige ruht. Der Name des Bräutigams ist Josef, der Sohn

Jakobs aus Betlehem, vom Stamm Davids, Zimmermann zu Nazaret

in Galiläa. Josef, komm her, der Hohepriester befiehlt es dir!«


Stimmengewirr. Köpfe, die sich drehen, Augen und Hände, die

auf ihn weisen, enttäuschte Gesichter, Worte der Erleichterung. Der

eine oder andere besonders unter den Älteren, muß froh sein, daß

ihn dieses Los nicht getroffen hat.


Josef, rot und verlegen, tritt hervor. Jetzt befindet er sich vor dem

Tisch, dem Priester gegenüber, den er ehrfürchtig grüßt.


»Kommt alle und schauet den Namen, der auf dem Zweig einge-


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ritzt ist; ein jeder nehme seinen Zweig, um sicher zu sein, daß kein

Betrug vorliegt!«


Die Männer gehorchen. Sie blicken auf den Zweig, den der Hohe-

priester behutsam in der Hand hält, und nehmen ihren eigenen, den

der eine zerbricht, der andere aufbewahrt. Alle schauen auf Josef.

Der eine schaut und schweigt, der andere wünscht ihm Glück. Der

ältere Mann, mit dem er vorher gesprochen hat, sagt: »Habe ich es

dir nicht gesagt, Josef? Wer sich am unsichersten fühlt, siegt!« Alle

sind an dem blühenden Zweig vorbeigegangen.


Der Hohepriester gibt ihn Josef; dann legt er ihm die Hände auf

die Schulter und spricht: »Sie ist nicht reich, du weißt es, die Braut,

die Gott dir gibt. Aber sie ist reich an Tugenden. Sei ihrer immer

mehr würdig! Es gibt keine Blume in Israel, so lieblich und rein wie

sie. Geht jetzt alle! Es bleibe Josef! Und du, Zacharias, als Verwand-

ter, führe die Braut herbei!«


Alle gehen mit Ausnahme des Hohenpriesters und Josefs. Der Vor-

hang wird über den Ausgang gezogen.


Josef steht demütig neben dem majestätischen Hohenpriester. Ein

kurzes Schweigen, dann sagt dieser zu ihm: »Maria hat dir ein Ge-

lübde zu bekennen. Hilf ihr in ihrer Schüchternheit! Sei gut mit der

Guten!«


»Ich werde meine Mannhaftigkeit in ihren Dienst stellen, und kein

Opfer für sie wird mir zu schwer sein. Sei dessen versichert!«


Maria tritt ein mit Zacharias und Hanna des Penuël.

»Komm, Maria!« sagt der Priester. »Sieh, das ist der Bräutigam,


den Gott für dich bestimmt hat. Es ist Josef von Nazaret. Du kehrst

daher in deine Stadt zurück. Jetzt verlasse ich euch. Gott gebe euch

seinen Segen! Der Herr möge euch behüten und segnen; er möge

sich euch zeigen und allezeit Erbarmen mit euch haben! Er möge

euch sein Antlitz zuwenden und euch den Frieden geben!«


Zacharias geht hinaus; er begleitet den Priester. Hanna beglück-

wünscht den Bräutigam, dann geht auch sie.


Die beiden Verlobten stehen nun einander gegenüber. Maria, die


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errötet ist, steht mit geneigtem Haupt da. Josef, auch er etwas er-

rötet, beobachtet sie und sucht nach den ersten Worten, die er an

sie richten kann. Endlich findet er sie, und ein leuchtendes Lächeln

überstrahlt sein Gesicht, als er sagt: »Ich grüße dich, Maria; ich habe

dich als kleines Kind gesehen . . . Ich war ein Freund deines Vaters,

und der Neffe meines Bruders Alphäus war befreundet mit deiner

Mutter. Er war ihr kleiner Freund, denn jetzt zählt er erst achtzehn

Jahre, und als du noch nicht geboren warst, war er ein wirklich klei-

nes Geschöpf; und doch erfreute er deine Mutter in ihrem Kummer;

sie liebte ihn sehr. Du kennst uns nicht, weil du als kleines Mädchen

hierher gekommen bist. Aber in Nazaret haben dich alle lieb und

denken an dich; sie reden immer noch von der kleinen Maria des

Joachim, deren Geburt ein Wunder des Herrn war, der die Unfrucht-

bare aufblühen ließ . . . Und ich erinnere mich noch des Abends,

an dem du geboren wurdest . . . Wir erinnern uns alle noch des

Wunders: eines gewaltigen Regens, der die Felder rettete, und eines

heftigen Gewitters, bei dem die Blitze nicht einen einzigen Stengel

des Heidekrautes niederschmetterten. Alles endete mit dem größ-

ten und lieblichsten Regenbogen, der je gesehen worden ist. Und

dann . . . wer erinnert sich nicht der Freude des Joachim? Er zeigte

dich überall seinen Nachbarn . . . Wie eine Blume seist du vom Him-

mel gekommen, und er bewunderte dich und wollte, daß alle dich

bewundern. Noch kurz vor dem Tod erzählte der glückliche, alte

Vater von seiner Maria, die so schön und gut sei, und von ihren Wor-

ten, die voll der Anmut und der Weisheit seien. Er hatte recht, als er

dich bewunderte und sagte, daß es keine Schönere gäbe als dich! . . .

Und deine Mutter? Sie erfüllte mit ihrem Singen den Erdenwinkel,

in dem ihr Haus lag. Sie schien eine Lerche im Frühjahr, während sie

dich trug, und später, als sie dich auf ihrem Schoß hatte. Ich habe dir

die Wiege gezimmert: eine kleine Wiege, ganz mit geschnitzten Ro-

sen verziert; denn so wollte deine Mutter sie haben. Vielleicht ist sie

noch in der verschlossenen Wohnung zu finden . . . Ich bin bejahrt.

Maria, als du geboren wurdest, verfertigte ich meine ersten Arbeiten.


115




Ich arbeitete schon . . . Wer hätte mir damals sagen können, daß ich

dich einmal zur Braut haben werde! Vielleicht wären die Deinigen

glücklicher gestorben; denn wir waren befreundet. Ich habe deinen

Vater begraben und ihn aufrichtigen Herzens beweint; denn er war

mir ein guter Lehrmeister im Leben gewesen.«


Maria erhebt langsam ihr Gesicht und wird immer unbefangener,

als sie Josef so reden hört; und als er die Wiege erwähnt, lächelt sie

ein wenig. Als Josef von ihrem Vater spricht, reicht sie ihm die Hand

mit den Worten: »Danke, Josef!« Es ist ein schüchternes und sanftes

Danke.


Josef nimmt das Lilienhändchen in seine kurzen und starken Zim-

mermannshände und drückt es mit einer Verehrung, die sie ermu-

tigen soll. Vielleicht erwartet er noch andere Worte. Aber Maria

schweigt von neuem. So fährt er fort: »Das Haus, das du kennst,

ist unversehrt geblieben, abgesehen von dem Teil, der auf Befehl des

Konsuls abgerissen wurde, um aus dem kleinen Weg eine Straße für

die Wagen aus Rom zu machen. Und das Feld, das dir geblieben

ist, ist ein wenig vernachlässigt worden; du weißt ja, die Krankheit

des Vaters hat euer Besitztum sehr verringert. Es sind jetzt schon

mehr als drei Frühlinge vergangen, daß die Bäume und Weinstöcke

nicht mehr beschnitten worden sind, und der Boden ist ungepflegt

und hart. Aber die Bäume, die du als kleines Mädchen gesehen hast,

sind noch da, und wenn du mir erlaubst, werde ich mich ihrer sofort

annehmen.«


»Danke, Josef. Aber du hast ja schon andere Arbeit . . . «

»Ich werde deinen Garten in den ersten und letzten Stunden des


Tages pflegen. Jetzt nehmen die Tage mehr und mehr zu.

Für den Frühling werde ich alles zu deiner Freude in Ordnung


bringen. Schau: dies ist ein Zweig des Mandelbaumes, der vor dem

Haus steht; ich habe ihn mitbringen wollen . . . Man kann von über-

all her durch den verfallenen Zaun eintreten; aber jetzt werde ich

ihn ausbessern und befestigen. Ich habe diesen genommen, weil ich

dachte, wenn ich der Erwählte sein sollte . . . aber ich wagte es nicht


116




zu hoffen, da ich ja ein Nazoräer bin [Num 6]. Ich habe nur dem

Ruf des Hohenpriesters gehorcht. Da habe ich gedacht, es könnte

dir Freude bereiten, einen Zweig aus deinem Garten zu erhalten.

Sieh ihn hier, Maria! Mit ihm gebe ich dir mein Herz, das bis heute

nur für den Herrn geblüht hat; nun blüht es für dich, meine Braut.«


Maria nimmt den Zweig. Sie ist gerührt und schaut Josef mit ei-

nem immer festeren und strahlenderen Blick an. Sie fühlt sich sicher

bei ihm. Als er sagte: »Ich bin Nazoräer«, leuchtete ihr Gesicht förm-

lich auf, und sie faßte Mut. »Auch ich gehöre ganz Gott an, Josef. Ich

weiß nicht, ob der Hohepriester es dir gesagt hat . . . «


»Er hat nur gesagt, daß du gut und rein seist, daß du mir von

einem Gelübde reden wollest und daß ich gut mit dir sein soll.

Sprich, Maria, dein Josef will dich glücklich machen in all deinen

Wünschen! Ich liebe dich nicht dem Fleisch nach. Ich liebe dich dem

Geist nach, du heiliges Kind, das David mir gibt! Sieh in mir einen

Vater und einen Bruder, nicht nur den Bräutigam! Und vertraue mir

wie einem Vater, wie einem Bruder.«


»Seit meiner Kindheit habe ich mich dem Herrn geweiht. Ich weiß,

daß man so etwas in Israel nicht tut. Aber ich hörte eine Stimme, die

meine Jungfräulichkeit als Opfer forderte, aus Liebe zum kommen-

den Messias. Schon so lange wird er erwartet in Israel! . . . Es ist

nicht zuviel, um seinetwillen auf die Mutterschaft zu verzichten!«


Josef schaut sie fest an, als wolle er in ihrem Herzen lesen; dann

nimmt er ihre beiden kleinen Hände, die noch den aufgeblühten

Zweig halten, und spricht: »Und ich vereinige mein Opfer mit dem

deinen, und wir werden mit unserer Keuscheit den Ewigen so sehr

lieben, daß er der Erde den Erlöser schneller schickt und uns erlaubt,

sein Licht in der Welt leuchten zu sehen. Komm, Maria, gehen wir

in sein Haus und geloben wir ihm, uns zu lieben wie die Engel sich

lieben. Dann werde ich nach Nazaret gehen und in deinem Haus al-

les für dich vorbereiten, wenn du gerne dorthin zurückkehren willst;

sonst anderswo, nach deinem Wunsch.«


»In mein Haus . . . Es war dort eine Grotte im Hintergrund . . . Ist

sie noch dort?«


117




»Ja, doch sie ist nicht mehr dein Eigentum . . . Aber ich mache

dir eine, wo du dich erfrischen und dich in den heißen Stunden zu-

rückziehen kannst. Ich will sie soweit möglich der anderen ähnlich

gestalten. Und nun sage mir: Wen willst du bei dir haben?«


»Niemand, ich habe keine Furcht. Die Mutter des Alphäus, die

mich immer besucht, wird mir tagsüber ein wenig Gesellschaft lei-

sten, und in der Nacht möchte ich lieber allein sein. Es kann mir

nichts Schlimmes zustoßen.«


»Und dann bin ich ja da . . . Wann soll ich kommen, um dich zu

holen?«


»Wann du willst, Josef.«

»Dann werde ich kommen, sobald das Haus in Ordnung ist. Ich


werde nichts anrühren. Ich will, daß du es vorfindest, wie deine Mut-

ter es verlassen hat. Aber ich will, daß es viel Sonne hat und ganz

sauber ist, um dich ohne Traurigkeit aufzunehmen. Komm, Maria!

Gehen wir, um dem Allerhöchsten zu sagen, daß wir ihn lobprei-

sen!«


Weiter sehe ich nichts mehr. Aber im Herzen bleibt mir das Gefühl

der Sicherheit, das Maria empfindet . . .


20 Die Vermählung der Jungfrau mit Josef


Wie schön ist Maria in ihrem Brautgewand unter ihren festlichen

Freundinnen und Lehrerinnen! Auch Elisabet befindet sich unter ih-

nen.


Mit reinstem Linnen ist sie bekleidet, so fein, daß es kostbare Sei-

de zu sein scheint. Ihr Gürtel mit in Gold und Silber gestochenem

Schmuck ist aus Medaillons zusammengesetzt, die von Kettchen zu-

sammengehalten werden; jedes einzelne Medaillon ist ein aus Gold-

und Silberfäden bestehendes Zierwerk, das schon von der Zeit ge-

bräunt ist. Der Gürtel umgibt die schmalen Lenden, und da er für

das zarte Mädchen wohl zu lang ist, hängen vorne zwischen den

Falten des weiten Gewandes drei Medaillons herab. Hinten wirkt


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das Gewand wie eine Schleppe, so lang ist es. An den kleinen Füßen

trägt Maria Sandalen aus schneeweißem Fell mit silbernen Schnal-

len.


Am Hals wird das Kleid von einem Kettchen aus goldenen Roset-

ten und silbernem Filigran gehalten, das im kleinen das Motiv des

Ledergürtels wiederholt. Es ist durch breite Knopflöcher gezogen,

um den Halsausschnitt zusammenzuhalten, und bildet so eine klei-

ne Rüsche. Der Hals Marias ragt aus diesem gefalteten Blütenweiß

mit der Grazie eines in kostbare Gaze gewickelten Stieles hervor und

scheint noch schmächtiger zu sein: ein Blumenstiel, der in einem li-

lienweißen Antlitz endet, das noch bleicher und reiner geworden ist

unter der inneren Bewegung. Ein Gesicht wie eine reine Hostie.


Die Haare fallen nicht mehr über die Schultern herab. Die Zöp-

fe sind zu einem Knoten geflochten, der von kostbaren Haarnadeln

aus gebräuntem Silber, alle mit Filigran verziert, zusammengehalten

wird. Der Schleier der Mutter ruht auf diesen Flechten und fällt vom

kostbaren Stirnreifchen in schönen Falten nach unten; hinunter bis

zu den Hüften, denn Maria ist nicht so groß wie ihre Mutter, bei der

der Schleier nur bis zum Gürtel reichte. An den Händen trägt sie

nichts, an den Handgelenken Armbänder. Aber die Gelenke sind so

fein und zart, daß ihr die schweren Armbänder der Mutter bis auf

die Handrücken rutschen; sie würden, wenn sie die Hände schüttel-

te, zu Boden fallen.


Die Gefährtinnen bestaunen sie von allen Seiten. Ihr Reden und

Fragen hört sich an wie munteres Vogelgezwitscher.


»Sind die von deiner Mutter?«

»Alt, nicht wahr?«

»Wie schön ist dieser Gürtel, Sara!«

»Und der Schleier, Susanne! Schau, wie fein! Schau die Lilien, die


hineingewoben worden sind!«

»Laß mich die Armbänder sehen, Maria! Gehörten sie deiner Mut-


ter?«

»Sie trug sie, aber sie sind von der Mutter Joachims, meines Va-


ters.«


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»Oh! Schau! Sie hat das Siegel Salomons, verwoben mit Palmen-

und Olivenzweigen, und dazwischen sind Lilien und Rosen. Oh, wer

hat diese fehlerlose und präzise Arbeit geleistet?«


»Sie stammen aus dem Haus Davids«, erklärt Maria. »Seit Jahr-

hunderten schmücken sich die Frauen dieses Geschlechtes mit ih-

nen, wenn sie sich vermählen, und dann bleiben sie im Erbschatz

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