Maria Valtorta
DER GOTTMENSCH
Leben und Leiden unseres Herrn
Jesus Christus
Originaltitel
Il poema dell’Uomo-Dio
Aus d. Ital. von Johannes Höricht
Inhaltsverzeichnis
Verborgenes Leben Jesu 31
1 »Maria kann die Zweitgeborene des Vaters genannt
werden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2 Joachim und Anna machen dem Herrn ein Gelübde . . 33
3 Das Gebet Annas im Tempel wird erhört . . . . . . . . 38
4 »Joachim hat sich mit der Weisheit Gottes vermählt, die
eingeschlossen war im Herzen der gerechten Frau« . . 42
5 Mit einem Lobgesang verkündete Anna ihre Mutterschaft 44
6 »Die Makellose war nie Gottes Gedenken bar« . . . . . 48
7 Geburt der Jungfrau Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
8 »Ihre Seele erscheint schön und unbefleckt, wie der Va-
ter sie ersann!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
9 »In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie« . . 69
10 »Sieh die vollkommene Magd mit dem Herzen einer
Taube« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
11 »Meine Freude, woher weißt du diese heiligen Dinge?
Wer hat sie dir gesagt?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
12 »Hat nicht der Sohn die Weisheit auf die Lippen der
Mutter gelegt?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
13 Mariä Darstellung im Tempel . . . . . . . . . . . . . . . 84
14 »Die ewig Jungfräuliche hat nur einen Gedanken: ihr
Herz hinzurichten auf Gott« . . . . . . . . . . . . . . . . 91
15 Der Tod von Joachim und Anna . . . . . . . . . . . . . . 92
16 »Du sollst die Mutter des Gesalbten sein« . . . . . . . . 96
17 »Sie schaute wieder, was ihr Geist in Gott gesehen hatte« 103
18 »Gott wird dir den Bräutigam geben, und er wird heilig
sein, denn du vertraust auf Gott. Du sollst ihm dein
Gelübde bekennen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
19 Josef wird zum Bräutigam der Jungfrau bestimmt . . . 111
20 Die Vermählung der Jungfrau mit Josef . . . . . . . . . 118
21 »Josef ist gesetzt als „Siegel des Siegels“, wie ein Erzen-
gel an der Schwelle des Paradieses« . . . . . . . . . . . 125
22 Das Brautpaar kommt nach Nazaret . . . . . . . . . . . 128
23 Die Verkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
24 Der Ungehorsam der alten Eva . . . . . . . . . . . . . . 140
25 Die neue Eva war in jeder Beziehung gehorsam . . . . 145
26 Noch ein Wort der Erklärung über die Erbsünde . . . . 151
27 Die Schwangerschaft Elisabets wird Josef verkündet . . 155
28 »Überlasse mir die Aufgabe, dich bei deinem Bräuti-
gam zu rechtfertigen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
29 Maria und Josef auf dem Weg nach Jerusalem . . . . . 162
30 Von Jerusalem zum Haus des Zacharias . . . . . . . . . 164
31 »Entzieht euch nie dem Schutz des Gebetes!« . . . . . . 166
32 Ankunft im Haus des Zacharias . . . . . . . . . . . . . . 168
33 Maria enthüllt Elisabet den Namen . . . . . . . . . . . . 174
34 Maria spricht von ihrem Kind . . . . . . . . . . . . . . . 178
35 »Das Gnadengeschenk Gottes muß uns immer besser
machen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
36 Die Geburt des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
37 »Die Hoffnung blüht für alle, die ihr Haupt an meinen
Mutterschoß legen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
38 Die Beschneidung des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . 192
39 »Macht euren Geist empfänglich für das Licht!« . . . . 195
40 Darstellung des Täufers im Tempel . . . . . . . . . . . . 197
41 »Wenn Josef weniger heilig gewesen wäre, hätte Gott
ihm sein Licht nicht gewährt« . . . . . . . . . . . . . . . 203
42 Maria von Nazaret spricht sich mit Josef aus . . . . . . 206
4
43 »Überlaßt dem Herrn die Sorge, euch als seine Diener
kundzutun!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
44 Die Verordnung der Volkszählung . . . . . . . . . . . . 212
45 »Lieben heißt, den Geliebten über Gefühl und Interesse
hinaus befriedigen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
46 Die Reise nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
47 Die Geburt Jesu, unseres Herrn . . . . . . . . . . . . . . 224
48 »Ich, Maria, habe die Frau mit meiner göttlichen Mut-
terschaft erlöst« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
49 Die Anbetung der Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
50 »In den Hirten finden sich alle Eigenschaften der wah-
ren Anbeter des Wortes« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
51 Der Besuch des Zacharias . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
52 »Josef ist auch der Schutzherr der Gottgeweihten« . . . 250
53 Darstellung Jesu im Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . 254
54 Lehren, die aus der vorhergehenden Vision zu ziehen
sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
55 Wiegenlied der Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
56 Anbetung der Weisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
57 Bemerkungen über den Glauben der drei Weisen . . . 273
58 Die Flucht nach Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
59 »Der Schmerz war unser treuer Freund und hatte die
verschiedensten Gesichter und Namen« . . . . . . . . . 287
60 Die Heilige Familie in Ägypten . . . . . . . . . . . . . . 293
61 »In diesem Haus herrscht Ordnung« . . . . . . . . . . . 299
62 Erste Arbeitslehre für Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . 303
63 »Ich wollte nicht durch eine meiner Altersstufe unange-
paßte Verhaltensweise auffallen« . . . . . . . . . . . . . 305
64 Maria, die Lehrerin von Jesus, Judas und Jakobus . . . 309
65 Anfertigung des Gewandes für den volljährigen Jesus . 318
66 Die Reise von Nazaret nach Jerusalem zur Feier der
Volljährigkeit Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
67 Die Prüfung des volljährigen Jesus im Tempel . . . . . 323
5
68 Das Streitgespräch Jesu mit den Gelehrten im Tempel . 328
69 Der Schmerz Marias, weil Jesus fehlt . . . . . . . . . . . 338
70 Der Tod des Heiligen Josef . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
71 »Maria hat beim Tod Josefs tief gelitten« . . . . . . . . . 347
72 Zum Abschluß des verborgenen Lebens Jesu . . . . . . 349
Erstes Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 354
73 Der Abschied von der Mutter und der Aufbruch von
Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
74 »Sie weinte, weil sie die Miterlöserin war« . . . . . . . 359
75 Die Taufe Jesu am Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
76 »Johannes benötigte kein besonderes Zeichen« . . . . . 370
77 Jesus wird in der Wüste vom Teufel versucht . . . . . . 373
78 »Satan zeigt sich immer wohlwollend« . . . . . . . . . . 379
79 Begegnung mit Johannes und Jakobus . . . . . . . . . . 381
80 »Ich liebte Johannes wegen seiner Reinheit« . . . . . . . 383
81 Johannes und Jakobus berichten Petrus vom Messias . 386
82 Erste Begegnung des Petrus mit dem Messias . . . . . . 392
83 »Johannes war groß auch in der Demut« . . . . . . . . 402
84 Jesus begegnet im Haus des Petrus zu Betsaida Philip-
pus und Natanaël . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
85 Judas Thaddäus kommt nach Betsaida, um Jesus zur
Hochzeit von Kana einzuladen . . . . . . . . . . . . . . 414
86 Jesus an der Hochzeit von Kana . . . . . . . . . . . . . . 419
87 »Frau, was habe ich nunmehr mit dir zu schaffen?« . . 425
88 Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel . . . . . . 427
89 Begegnung mit Judas Iskariot und Thomas • Wunder
an Simon, dem Zeloten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
90 Thomas wird Jünger Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
91 Judas des Alphäus, Thomas und Simon werden am Jor-
dan angenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
92 Nach Ostern, Rückkehr mit den sechs Jüngern nach Na-
zaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
6
93 Die Heilung des Blinden in Kafarnaum . . . . . . . . . 461
94 Der Besessene von Kafarnaum wird in der Synagoge
geheilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
95 Die Heilung der Schwiegermutter des Petrus . . . . . . 477
96 Jesus predigt und wirkt Wunder im Hause Petri . . . . 485
97 Jesus betet in der Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
98 Der Aussätzige bei Chorazin wird geheilt . . . . . . . . 496
99 Heilung des Gelähmten im Hause Petri in Kafarnaum 502
100 Der wunderbare Fischfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 509
101 Iskariot findet Jesus erneut im Getsemani und wird als
Jünger angenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
102 Jesus wirkt am Fischtor das Wunder der zerbrochenen
Klingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
103 Iskariot ist im Tempel, wo Jesus predigt . . . . . . . . . 522
104 Jesus belehrt Judas Iskariot . . . . . . . . . . . . . . . . 529
105 Jesus begegnet Johannes des Zebedäus im Garten Getse-
mani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
106 »Johannes, der Stammvater aller, die sich als Hostien
hingeben aus Liebe zu mir« . . . . . . . . . . . . . . . . 545
107 Jesus und Judas Iskariot begegnen Simon dem Zeloten
und Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546
108 Jesus, Johannes, Simon und Judas gehen nach Betlehem 550
109 Jesus in Betlehem im Hause des Landwirts und in der
Grotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
110 Jesus in der Herberge von Betlehem – er predigt auf
den Trümmern von Hannas Haus . . . . . . . . . . . . . 568
111 Jesus und die Hirten Elija, Levi und Josef . . . . . . . . 580
112 Jesus in Jutta beim Hirten Isaak . . . . . . . . . . . . . . 588
113 Jesus in Hebron • Das Haus des Zacharias • Aglaia . 598
114 Jesus in Kerijot • Tod des alten Saul . . . . . . . . . . . 608
115 Jesus mit den Hirten auf dem Rückweg nach Hebron . 623
116 Jesus auf dem Berg des Fastens und am Felsen der Ver-
suchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
7
117 Am Übergang des Jordan • Begegnung mit den Hirten
Johannes, Matthias und Simeon . . . . . . . . . . . . . . 645
118 Iskariot verkauft Diomedes die Schmuckstücke der
Aglaia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
119 Jesus weint über Judas • Simon der Zelote tröstet ihn . 660
120 »Bei euch stehen die Guten im selben Verhältnis zu den
Bösen wie die Apostel zu Judas« . . . . . . . . . . . . . 667
121 Begegnung Jesu mit Lazarus in Betanien . . . . . . . . 668
122 Jesus kehrt nach Jerusalem zurück und hört im Tempel
Iskariot • Im Ölgarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676
123 Jesus spricht mit dem Soldaten Alexander am Fischtor 683
124 Jesus und Isaak bei Dok • Aufbruch nach Jesreel . . . 689
125 Jesus beim Hirten Jona in der Ebene von Jesreel . . . . 694
126 Abschied von Jona und Rückkehr nach Nazaret . . . . 701
127 Am Tag darauf im Haus von Nazaret . . . . . . . . . . 711
128 Jesus unterrichtet die Jünger im Olivenhain . . . . . . . 718
129 Jesus unterweist die Jünger zu Hause . . . . . . . . . . 723
130 Unterweisung der Jünger mit der allerheiligsten Jung-
frau Maria im Garten von Nazaret . . . . . . . . . . . . 728
131 Heilung der Schönen von Chorazin • Predigt in der
Synagoge von Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . 735
132 Jakobus des Alphäus wird als Jünger angenommen •
Jesus predigt neben dem Zahltisch des Matthäus . . . . 745
133 Jesus predigt vor der Menge in Betsaida . . . . . . . . . 753
134 Berufung des Matthäus zum Jünger . . . . . . . . . . . 761
135 Jesus auf dem See von Tiberias • Belehrung der Jünger
vor der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770
136 Jesus sucht Jonatan im Hause Chuzas, in Tiberias . . . 782
137 Jesus im Hause des Onkels Alphäus und danach in sei-
nem eigenen Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
138 Jesus befragt seine Mutter über die Apostel . . . . . . . 802
139 »Wieviel Menschliches bei den Aposteln!« . . . . . . . . 804
140 Heilung Johannas des Chuza, bei Kana . . . . . . . . . 806
8
141 Jesus im Libanon bei den Hirten Benjamin und Daniel 816
142 Jesus erhält in der Stadt am Meer Briefe über Jona . . . 823
143 Jesus schließt im Hause Marias des Alphäus mit dem
Vetter Simon Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833
144 »Die Gnade wirkt immer, wo der gute Wille zur Gerech-
tigkeit vorhanden ist« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839
145 Jesus wird in Nazaret schlecht empfangen . . . . . . . 840
146 Jesus mit der Mutter im Hause der Johanna des Chuza 845
147 Jesus bei der Weinlese im Hause Hannas • Das Wun-
der am gelähmten Kinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848
148 Jesus bei Doras • Der Tod des Jona . . . . . . . . . . . 856
149 Jesus im Hause des Jakobus am See Meron . . . . . . . 874
150 Rückkehr zur Furt des Jordans bei Jericho . . . . . . . . 882
151 Jesus im Hause des Lazarus • Marta spricht über Mag-
dalena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 888
152 Wieder im Hause des Lazarus nach dem Laubhütten-
fest • Einladung von Josef aus Arimathäa . . . . . . . 896
153 Jesus begegnet Gamaliël beim Mahle Josefs von Arimat-
häa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898
154 Heilung des sterbenden Kindes • Der Soldat Alexan-
der • Mißtrauen gegen Jesus . . . . . . . . . . . . . . . 909
155 Jesus spricht bei Nacht mit Nikodemus im Getsemani . 915
156 Jesus bei Lazarus, bevor er zum „Trügerischen Gewäs-
ser“ geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929
157 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: Vorbereitung der
Jünger auf das Gemeinschaftsleben . . . . . . . . . . . . 934
158 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Ich bin der Herr,
Dein Gott!« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943
159 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst keine
Götter neben mir haben« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954
160 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst mei-
nen Namen nicht unnütz aussprechen« . . . . . . . . . 960
9
161 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst Vater
und Mutter ehren« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970
162 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht
Unkeuschheit treiben« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984
163 Die Verschleierte beim „Trügerischen Gewässer“ . . . . 995
164 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst die Fei-
ertage heiligen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002
165 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht
töten« • Tod des Doras . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009
166 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Die drei Jünger
des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019
167 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht
begehren Deines Nächsten Frau« . . . . . . . . . . . . . 1028
168 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Er heilt den be-
sessenen Römer • Er spricht zu Römern . . . . . . . . 1035
169 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst kein
falsches Zeugnis ablegen« . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045
170 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“: »Du sollst nicht
begehren deines Nächsten Gut« . . . . . . . . . . . . . . 1053
171 Jesus beim „Trügerischen Gewässer“ • Abschluß der
Erklärung zum „De profundis“ und „Miserere“ . . . . 1058
172 Jesus verläßt das „Trügerischen Gewässer“ und geht
nach Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069
173 Die Heilung der krebskranken Jeruscha in Dok . . . . . 1080
174 In Betanien • Im Hause Simons des Zeloten . . . . . . 1087
175 Das Lichterfest im Hause des Lazarus in Anwesenheit
der Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099
176 Rückkehr zum „Trügerischen Gewässer“ . . . . . . . . 1118
177 Ein neuer Jünger • Aufbruch nach Galiläa . . . . . . . 1126
178 Auf den Bergen bei Emmaus . . . . . . . . . . . . . . . 1132
179 Im Hause des Synagogenvorstehers Klopas . . . . . . . 1138
10
Zweites Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 1148
180 Unterweisung der Jünger auf dem Weg nach Arimathäa 1149
181 Auf dem Weg nach Samaria • Unterweisung der Apostel 1153
182 Die Samariterin Fotinai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156
183 Bei den Bewohnern von Sychar . . . . . . . . . . . . . . 1164
184 Verkündigung der Heilsbotschaft in Sychar . . . . . . . 1168
185 Der Abschied von den Bewohnern Sychars . . . . . . . 1173
186 Unterweisung der Apostel • Wunder an der Frau von
Sychar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1176
187 Jesus besucht den Täufer bei Änon . . . . . . . . . . . . 1182
188 Jesus unterweist die Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . 1186
189 Jesus in Nazaret • »Sohn, ich werde mit dir kommen« 1191
190 In Kana im Haus der Susanna • Der königliche Beamte 1194
191 Im Haus des Zebedäus • Salome angenommen als Jün-
gerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1197
192 Jesus spricht zu den Seinen vom Apostolat der Frau . . 1200
193 Jesus in Cäsarea am Meer • Er spricht zu den Galee-
rensklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1202
194 Heilung der kleinen Römerin in Cäsarea . . . . . . . . 1211
195 Annalia legt das Gelübde der Jungfräulichkeit ab . . . 1219
196 Die Unterweisung der Jüngerinnen in Nazaret . . . . . 1227
197 Jesus spricht auf dem See mit Johanna des Chuza . . . 1237
198 Jesus in Gerasa • Die Jünger des Johannes . . . . . . . 1242
199 Von Naftali nach Gischala • Begegnung mit dem Rabbi
Gamaliël . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1248
200 Die Heilung des Enkels des Pharisäers Eli in Kafarnaum 1256
201 Jesus im Hause von Kafarnaum nach dem Wunder an
Elischa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261
202 Das Mahl im Hause des Pharisäers Eli in Kafarnaum . 1269
203 Unterwegs in die Einsamkeit der Berge vor der Erwäh-
lung der Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1274
204 Die Erwählung der zwölf Jünger zu Aposteln . . . . . . 1278
205 Die erste Predigt Simons des Zeloten und des Johannes 1286
11
206 Im Hause der Johanna des Chuza • Jesus und die Rö-
merinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1298
207 Aglaia im Hause Mariens in Nazaret . . . . . . . . . . . 1312
208 Die Bergpredigt: »Ihr seid das Salz der Erde« . . . . . . 1326
209 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Erster Teil) . . . 1336
210 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Zweiter Teil) . . 1351
211 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Dritter Teil) . . . 1359
212 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Vierter Teil) . . . 1373
213 Die Bergpredigt: Die Seligpreisungen (Fünfter Teil) . . 1384
214 Heilung eines Aussätzigen am Fuße des Berges . . . . 1412
215 Am Sabbat nach der Bergpredigt am Fuße des Berges . 1418
216 Der Diener des Zenturio wird geheilt . . . . . . . . . . 1424
217 »Laß die Toten ihre Toten begraben!« . . . . . . . . . . . 1427
218 Das Gleichnis vom Sämann . . . . . . . . . . . . . . . . 1431
219 In der Küche des Petrus • Belehrung Jesu und Ankün-
digung der Gefangennahme des Täufers . . . . . . . . . 1442
220 Das Gleichnis vom guten Weizen und vom Unkraut . . 1456
221 Jesus spricht auf dem Weg nach Magdala zu Hirten . . 1466
222 Jesus in Magdala • Zweite Begegnung mit Magdalena 1471
223 Zu Magdala im Hause der Mutter Benjamins . . . . . . 1477
224 Jesus gebietet dem Sturm auf dem See . . . . . . . . . . 1487
225 »Heimsuchungen dienen dazu, daß ihr euch eures eige-
nen Nichts bewußt werdet« . . . . . . . . . . . . . . . . 1490
226 Die besessenen Gerasener . . . . . . . . . . . . . . . . . 1492
227 Von Tarichäa zum Tabor • Die zweite Osterreise beginnt 1500
228 In En-Dor • In der Grotte der Wahrsagerin • Bekeh-
rung von Felix, der hierauf Johannes genannt wird . . 1507
229 Auferweckung des Sohnes der Witwe von Naïn . . . . 1521
230 Ankunft in Jesreel und Aufenthalt bei Micha . . . . . . 1526
231 Der Sabbat in Jesreel • Der kleine Jabe . . . . . . . . . 1529
232 Von Jesreel nach En-Gannim über Megiddo . . . . . . . 1538
233 Von En-Gannim nach Sichem in zwei Tagen . . . . . . . 1545
234 Von Sichem nach Beerot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551
12
235 Von Beerot nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . 1558
236 Der Sabbat in Getsemani . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1563
237 Im Tempel zur Stunde des Opfers . . . . . . . . . . . . 1574
238 Begegnung Jesu mit seiner Mutter in Betanien . . . . . 1579
239 Die Macht des Wortes Marias . . . . . . . . . . . . . . . 1590
240 Aglaia beim Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1603
241 Die Prüfung Margziams . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1611
242 Am Abend vor Ostern im Tempel . . . . . . . . . . . . . 1618
243 Jesus lehrt das Vaterunser . . . . . . . . . . . . . . . . . 1623
244 Jesus und die Heiden in Betanien . . . . . . . . . . . . . 1633
245 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn . . . . . . . . . . . 1644
246 Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen . . . . . . . . . 1654
247 Das Gleichnis vom König, der seinem Sohn die Hoch-
zeit bereitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1661
248 Nach Betlehem mit den Aposteln und den Jüngern . . 1671
249 Auf dem Weg zu Elisa in Bet-Zur . . . . . . . . . . . . . 1685
250 Im Haus Elisas: »Laßt eure Leiden fruchtbar werden!« 1699
251 Auf dem Weg nach Hebron • Die Absichten der Welt
und die Absichten Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1707
252 Festliche Begrüßung in Hebron . . . . . . . . . . . . . . 1713
253 In Jutta • Predigt im Haus Isaaks . . . . . . . . . . . . 1725
254 In Kerijot • Jesus spricht in der Synagoge . . . . . . . . 1733
255 Im Haus des Judas von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . 1738
256 Das launenhafte Mädchen von Betginna . . . . . . . . . 1746
257 In der Ebene auf dem Weg nach Aschkelon . . . . . . . 1755
258 Im Streit mit den Pharisäern • Jesus Herr auch über
den Sabbat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1760
259 Jesus und die Seinen auf dem Weg nach Aschkelon . . 1765
260 Die Predigten und die Wunder in Aschkelon . . . . . . 1780
261 Jesus verbrennt in Migdal-Gad ein heidnisches Götzen-
bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1789
262 Belehrungen der Apostel auf dem Weg nach Jamnia . . 1798
263 Jesus und die Seinen auf dem Weg nach Modeïn . . . . 1808
13
264 Jesus spricht zu Wegelagerern . . . . . . . . . . . . . . . 1813
265 Die Ankunft in Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1820
266 Der Gelähmte am Teich von Betsaida . . . . . . . . . . . 1829
267 In Betanien • »Meister, Maria hat Marta gerufen« . . . 1843
268 Margziam wird Porphyria, der Frau des Petrus, anver-
traut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1847
269 Jesus spricht in Betsaida . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1852
270 Die blutflüssige Frau und die Tochter des Jaïrus . . . . 1854
271 Jesus und Marta in Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . 1860
272 Heilung der beiden Blinden und des stummen Besesse-
nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1869
273 Das Gleichnis vom verlorenen Schaf . . . . . . . . . . . 1876
274 »Nach der Erinnerung an das Gesetz habe ich die Hoff-
nung auf Vergebung singen lassen« . . . . . . . . . . . 1880
275 Jesus sagt zu Marta: »Du hast den Sieg schon in deiner
Hand« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1891
276 Magdalena im Haus des Pharisäers Simon . . . . . . . 1894
277 »Viel wird dem verziehen, der viel liebt« . . . . . . . . 1898
278 Erwägungen über die Bekehrung Maria Magdalenas . 1900
279 »Es lohnt sich, eine Freundschaft zu verlieren, um eine
Seele zu gewinnen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1904
280 In Begleitung von Maria Magdalena unter den Jünge-
rinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1915
281 Das Gleichnis von den Fischern . . . . . . . . . . . . . . 1921
282 Margziam lehrt Magdalena das Vaterunser . . . . . . . 1930
283 Jesus zu Philippus: »Ich bin der machtvolle Liebhaber«
• Das Gleichnis von der verlorenen Drachme . . . . . . 1934
284 »Wissen ist nicht Verderben, wenn es Religion ist« . . . 1942
285 Im Haus von Kana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1954
286 Johannes wiederholt die Rede Jesu auf dem Tabor . . . 1965
287 Jesus in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1974
288 Der Sabbat in der Synagoge von Nazaret . . . . . . . . 1981
289 Die Mutter unterrichtet Magdalena . . . . . . . . . . . . 1994
14
290 Zu Betlehem in Galiläa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2001
291 »Die Berufung ist mehr als das Blut« • Auf dem Weg
nach Sykaminon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2016
292 An die Jünger von Sykaminon: »Sich selbst verzehren« 2021
293 In Tyrus • »Beharrlichkeit ist das große Wort« . . . . . 2035
294 Zu den Jüngern von Sykaminon: »Der Glaube« . . . . . 2041
295 Jesus sagt Magdalena: »Ich werde dich schmieden mit
Feuer und Amboß« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2053
296 Syntyche, die griechische Sklavin . . . . . . . . . . . . . 2061
297 Der Abschied von Marta, Magdalena und Syntyche . . 2071
298 Jesus spricht über die Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . 2080
299 Jesus begibt sich mit Jakobus des Alphäus auf den Karmel 2089
300 »Auf vollkommene Weise lieben, um heiligmäßig Vor-
gesetzter zu sein« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2092
301 »Nenne ihn Sohn, der dir Schmerzen bereitet« . . . . . 2104
302 Petrus predigt in Jesreel: »Die Liebe ist das Heil« . . . 2117
303 Jesus spricht zu den Landarbeitern Johanans: »Liebe ist
Gehorsam« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2127
304 Maria, die Hochheilige: »Mein Erbarmen ist stärker als
alles« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2132
305 »Das Gute tun ist ein stärkeres Gebet als die Psalmen« 2146
306 Ein Tag Judas Iskariots in Nazaret . . . . . . . . . . . . 2150
307 Unterweisungen der Apostel zu Beginn des Apostolates 2164
308 »Bist du der Messias?« fragen die Gesandten des Täufers 2179
309 Jesus arbeitet als Schreiner für eine Witwe von Chorazin 2191
310 »Die Liebe ist das Geheimnis und das Gebot der Herr-
lichkeit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196
311 »Das Herz ist nicht mehr beschnitten« . . . . . . . . . . 2207
312 Der Tod Johannes des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . 2221
313 »Gehen wir nach Tarichäa« . . . . . . . . . . . . . . . . 2230
314 Unterredung mit einem Schriftgelehrten . . . . . . . . . 2236
315 Die erste Brotvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2242
316 Jesus wandelt auf dem Wasser . . . . . . . . . . . . . . 2249
15
317 »Wenn ihr Glauben habt, komme ich und bringe euch
außer Gefahr« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2252
318 Begegnung mit den Jüngern . . . . . . . . . . . . . . . . 2256
319 Der Geiz und der törichte Reiche . . . . . . . . . . . . . 2278
320 Im Garten Maria Magdalenas . . . . . . . . . . . . . . . 2291
321 Jesus sendet die Zweiundsiebzig aus, ihn zu verkündigen 2298
322 Die Begegnung mit Lazarus im Lager der Galiläer . . . 2304
323 Die zweiundsiebzig Jünger berichten Jesus, was sie ge-
tan haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2307
324 Im Tempel am Laubhüttenfest . . . . . . . . . . . . . . . 2312
325 Josef und Nikodemus berichten: Im Tempel weiß man
von Johannes und Syntyche . . . . . . . . . . . . . . . . 2334
326 Syntyche spricht im Haus des Lazarus . . . . . . . . . . 2342
327 Die Mission der vier Apostel in Judäa . . . . . . . . . . 2349
328 Jesus verläßt Betanien, um sich auf die andere Seite des
Jordan zu begeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352
329 Der Kaufmann von jenseits des Eufrat . . . . . . . . . . 2363
330 Von Ramot nach Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2371
331 Die Predigt in Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2377
332 Der Sabbat in Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2386
333 Der Aufbruch von Gerasa . . . . . . . . . . . . . . . . . 2394
334 Auf dem Weg nach Bozra . . . . . . . . . . . . . . . . . 2406
335 In Bozra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2411
336 Die Predigt und die Wunder in Bozra . . . . . . . . . . 2418
337 Der Abschied von den Jüngerinnen . . . . . . . . . . . . 2429
338 In Arbela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2433
339 Auf dem Weg nach Aera . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2441
340 Jesus predigt in Aera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2451
341 Maria und Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2455
342 »Nutzlos ist der Empfang der Sakramente, wenn die
Liebe fehlt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2461
343 »Es gibt kein Elend, das Jesus nicht in Reichtum ver-
wandeln könnte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2466
16
344 »Ich will, daß die Waisen eine Mutter haben« . . . . . . 2469
345 Zu Naïn im Haus des auferweckten Daniel . . . . . . . 2476
346 Im Schafstall von En-Dor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2486
347 Von En-Dor nach Magdala . . . . . . . . . . . . . . . . . 2490
348 Jesus am Lichterfest in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . 2497
349 Jesus mit Johannes von En-Dor und Syntyche in Nazaret 2503
350 Jesus unterweist Margziam . . . . . . . . . . . . . . . . 2506
351 Simon der Zelote in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . 2512
352 Ein Abend im Haus von Nazaret . . . . . . . . . . . . . 2515
353 Jesus mit Salome, der Frau des Vetters Simon . . . . . . 2524
354 Vetter Simon kehrt zu Jesus zurück . . . . . . . . . . . . 2528
355 Simon Petrus in Nazaret • Der Großmut Margziams . 2536
356 »Nichts geht verloren in der heiligen Harmonie der uni-
versalen Liebe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2542
357 »Johannes von En-Dor, du wirst nach Antiochia gehen« 2547
Drittes Jahr des öffentlichen Lebens Jesu 2562
358 In Nazaret • Versöhnung • Vorbereitungen für die
Abreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2563
359 Die Abreise von Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2573
360 Auf dem Weg nach Jiftach-El . . . . . . . . . . . . . . . 2582
361 Der Abschied Jesu von den zwei Jüngern . . . . . . . . 2589
362 Schmerz, Gebet und Buße Jesu . . . . . . . . . . . . . . 2594
363 Der Aufbruch von Ptolemaïs und die Fahrt nach Tyrus 2601
364 Abreise von Tyrus auf einem Schiff aus Kreta . . . . . . 2609
365 Sturm und Wunder auf dem Schiff . . . . . . . . . . . . 2615
366 Ankunft und Landung in Seleucia . . . . . . . . . . . . 2623
367 Von Seleucia nach Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . 2629
368 Sie begeben sich nach Antigonea . . . . . . . . . . . . . 2637
369 Der Abschied von Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . 2648
370 Die Rückkehr der acht Apostel in Achsib . . . . . . . . 2663
371 Aufenthalt in Achsib mit sechs Aposteln . . . . . . . . . 2674
17
372 Verkündigung der Frohen Botschaft auf dem Wege
nach Phönizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2677
373 Jesus in Alexandroskene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2683
374 Am Tag danach in Alexandroskene . . . . . . . . . . . . 2688
375 Der Hirte Hannas begleitet Jesus nach Achsib . . . . . 2706
376 Die kananäische Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2715
377 Bartholomäus versteht den Grund . . . . . . . . . . . . . 2729
378 Auf dem Rückweg nach Galiläa . . . . . . . . . . . . . . 2736
379 Begegnung mit Judas Iskariot und Thomas . . . . . . . 2739
380 Ismael Ben-Fabi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2750
381 Jesus mit seinen Vettern und mit Petrus und Thomas in
Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2768
382 Die gekrümmte Frau von Chorazin . . . . . . . . . . . . 2773
383 Der unfruchtbare Feigenbaum • Auf dem Weg nach Se-
fed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2779
384 Auf dem Weg nach Meiron . . . . . . . . . . . . . . . . 2789
385 Am Grabe Hillels in Gischala . . . . . . . . . . . . . . . 2794
386 Der an der phönizischen Grenze geheilte Taubstumme 2804
387 Jesus in Kedes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2809
388 Auf dem Weg nach Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . 2822
389 In Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2830
390 Auf der Burg von Cäsarea Philippi . . . . . . . . . . . . 2839
391 Jesus sagt zum ersten Mal seine Leiden voraus • Pe-
trus wird getadelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2845
392 Prophezeiung über Petrus und Margziam • Der Blinde
von Betsaida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2858
393 Von Kafarnaum nach Nazaret mit Manaen und den Jün-
gerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2863
394 Die Verklärung und die Heilung des Epileptikers . . . 2879
395 Belehrung der Apostel nach der Verklärung . . . . . . . 2893
396 Die Tempelabgabe und die Münze im Schlund des Fi-
sches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2896
18
397 Der Größte im Himmelreich • Der kleine Benjamin
von Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2901
398 Benjamin blieb treu bis in den Tod . . . . . . . . . . . . 2918
399 Die zweite Brotvermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . 2920
400 Das geistige Wunder der Vermehrung des Wortes . . . 2923
401 Das Brot, das vom Himmel kommt . . . . . . . . . . . . 2925
402 Der neue Jünger: Nikolaus von Antiochia . . . . . . . . 2943
403 Jesus auf dem Weg nach Gadara . . . . . . . . . . . . . 2952
404 Die Nacht in Gadara und die Abreise • Die Eheschei-
dung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2960
405 Jesus in Pella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2974
406 Jenseits Jabesch-Gilead im Hause des Matthias . . . . . 2986
407 Die geheilte „Aussätzige“ (Die Rose von Jericho) . . . . 2996
408 Wunder am Jordan bei Hochwasser . . . . . . . . . . . 3013
409 Am anderen Ufer • Begegnung mit der Mutter . . . . 3026
410 In Rama • Die Zahl der Auserwählten . . . . . . . . . 3034
411 Jesus im Tempel • Vaterunser • Gleichnis über die
Söhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3046
412 Jesus im Getsemani und in Betanien . . . . . . . . . . . 3059
413 Die Briefe aus Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3076
414 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Erster Teil) . . . . 3091
415 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Zweiter Teil: Im
Tempel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3094
416 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Dritter Teil: Ver-
schiedene Unterweisungen) . . . . . . . . . . . . . . . . 3108
417 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Vierter Teil: Im
Haus der Johanna) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3116
418 Der Donnerstag vor dem Paschafest (Fünfter Teil) . . . 3137
419 Während des Rüsttages (Erster Teil: Am Morgen) . . . 3151
420 Während des Rüsttages (Zweiter Teil: Im Tempel) . . . 3157
421 Während des Rüsttages (Dritter Teil: Auf den Straßen
Jerusalems) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3165
19
422 Während des Rüsttages (Vierter Teil: Das Paschamahl
mit Lazarus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3174
423 Der Sabbat der ungesäuerten Brote . . . . . . . . . . . . 3186
424 »Marta, Marta, du machst dir Sorge und Unruhe um
vieles« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3198
425 Jesus spricht in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3205
426 Auf dem Weg zum Berg Adummim . . . . . . . . . . . 3217
427 Nach der Einkehr auf dem Kerit . . . . . . . . . . . . . 3221
428 Essener und Pharisäer • Das Gleichnis vom untreuen
Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3225
429 Im Hause der Nike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3241
430 An der Furt zwischen Jericho und Betabara . . . . . . . 3250
431 Im Haus des Salomon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3260
432 Predigt an der Wegkreuzung beim Dorf des Salomon . 3267
433 Zum Westufer des Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . 3275
434 Zu Gilgal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3278
435 Nach En-Gedi • Trennung und Abschied von Judas
und Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3288
436 Ankunft in En-Gedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3296
437 Predigt und Wunder in En-Gedi . . . . . . . . . . . . . 3300
438 Elischa von En-Gedi, der geheilte Aussätzige . . . . . . 3310
439 In Masada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3317
440 Im Landhaus Marias, der Mutter des Judas . . . . . . . 3324
441 Der Abschied von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . . . . 3330
442 Hanna und Maria von Kerijot • Abschied von der Mut-
ter des Judas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3336
443 Abschied von Jutta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3345
444 Abschied von Hebron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3352
445 Abschied von Bet-Zur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3358
446 In Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3365
447 Jesus mit Petrus und Bartholomäus in Bet-Ter . . . . . 3373
448 Abschied von Bet-Ter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3379
449 Simon des Jona in einem geistigen, siegreichen Kampf 3387
20
450 Auf dem Weg nach Emmaus in der Ebene . . . . . . . . 3391
451 Die Predigt bei Emmaus in der Ebene . . . . . . . . . . 3397
452 Jesus spricht in Joppe zu Judas Iskariot und zu den Hei-
den . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3413
453 Auf dem Landgut des Nikodemus . . . . . . . . . . . . 3428
454 Bei Josef von Arimathäa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3436
455 Sabbat im Haus des Josef von Arimathäa • Der Syn-
edrist Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3445
456 Die Apostel sprechen miteinander . . . . . . . . . . . . 3454
457 Das Wunder der Ährenlese in der Ebene . . . . . . . . 3461
458 Die Apostel unter sich und mit Jesus • Jesus und Petrus 3471
459 Am Pfingstfest in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . 3476
460 Jesus als Gast des Synedristen und Pharisäers . . . . . 3487
461 In Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3501
462 Jesus und der Bettler auf dem Weg nach Jericho . . . . 3508
463 Die Bekehrung des Zachäus . . . . . . . . . . . . . . . . 3514
464 »Zachäus ist ein Zöllner und Sünder, aber nicht aus bö-
sem Willen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3521
465 Selig die Armen im Geiste . . . . . . . . . . . . . . . . . 3525
466 Im Dorf Salomons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3529
467 Jesus in einem Dörfchen der Dekapolis . . . . . . . . . 3537
468 Der Besessene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3545
469 Der Sauerteig der Pharisäer . . . . . . . . . . . . . . . . 3557
470 »Ihr sollt sagen: „Wir sind unnütze Knechte“« . . . . . 3567
471 »Wenn jemand siebenmal bereut, sollt ihr ihm sieben-
mal verzeihen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3575
472 »Es ist ein Martyrium zu leben, um andere zu belehren,
wenn man sich nach dem Himmel sehnt« . . . . . . . . 3584
473 In Cäsarea am Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3588
474 »Die Weisheit, als eine Art der Heiligkeit, verleiht Klar-
heit im Urteil« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3601
475 Religion ist Liebe und lebendiges Verlangen, zu dem zu
gehen, an den wir glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . 3618
21
476 Das Gleichnis vom Weinberg und vom freien Willen . . 3631
477 Unterwegs in der Ebene von Jesreel . . . . . . . . . . . 3640
478 Jesus und das herabgefallene Nest . . . . . . . . . . . . 3643
479 »Selig jene, die in allen Dingen Gott zu erkennen ver-
mögen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3647
480 Weiterhin unterwegs in der Ebene von Jesreel . . . . . 3649
481 Mit den Bauern des Johanan . . . . . . . . . . . . . . . . 3652
482 In Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662
483 Jesus erzählt bei der Arbeit das Gleichnis vom lackier-
ten Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3668
484 Friedliche Sabbate in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . . 3678
485 »Bevor ich Mutter bin, bin ich Tochter und Dienerin
Gottes« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3686
486 Jesus und Maria im Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . 3692
487 Maria in Tiberias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3696
488 Man muß dem Wohltäter Dankbarkeit erweisen . . . . 3705
489 Ein weiterer Sabbat in Nazaret . . . . . . . . . . . . . . 3710
490 Abreise nach Betlehem in Galiläa . . . . . . . . . . . . . 3718
491 Judas Iskariot bei Maria in Nazaret . . . . . . . . . . . . 3731
492 Der Tod des Großvaters von Margziam . . . . . . . . . 3740
493 Jesus spricht zu den Aposteln über die Liebe . . . . . . 3746
494 Jesus in Tiberias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3756
495 Jesus kommt nach Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . 3773
496 Verkündigung des Evangeliums in der Gegend am See
• In Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775
497 In Magdala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3784
498 Episode in Kafarnaum • Jesus, Beschützer der Kinder 3797
499 In einem Vorort von Hippos . . . . . . . . . . . . . . . . 3805
500 Morgendliche Predigt in der Vorstadt am See . . . . . . 3816
501 Predigt am Aufenthaltsort des Aussätzigen . . . . . . . 3824
502 Jesus in Hippos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3838
503 Nach Gamala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3849
504 In Gamala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3857
22
505 Von Gamala nach Afek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3875
506 Predigt in Afek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3885
507 Nach Gerasa und Rückkehr nach Kafarnaum . . . . . . 3891
508 »Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben« 3899
509 Der Sabbat in Kafarnaum . . . . . . . . . . . . . . . . . 3906
510 Bei Johanna des Chuza • Briefe aus Antiochia . . . . . 3917
511 Bei den Thermen von Emmaus bei Tiberias . . . . . . . 3945
512 In Tarichäa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3954
513 Im Landhaus des Chuza jenseits des Jordan . . . . . . . 3968
514 Jesus spricht von seinem vielgeliebten Jünger . . . . . . 3988
515 In Betsaida und Kafarnaum • Erneute Abreise . . . . . 3994
516 Bei Judas und Hanna am Meronsee . . . . . . . . . . . 4006
517 Jesus erzählt das Gleichnis von der Wasserverteilung . 4012
518 »Ich kenne keine bessere Ruhe als sagen zu können: Ich
habe einen gerettet, der zugrunde ging!« . . . . . . . . 4026
519 Jeder Fall hat seine Vorgeschichte in der Zeit . . . . . . 4034
520 Abschied von den wenigen Gläubigen in Chorazin . . 4035
521 Jesus spricht über die Pflichten von Schwiegermutter
und Schwiegertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4038
522 Jesus spricht von seinem Reich und von seinem Gesetz 4045
523 Ein Urteil Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4056
524 Jesus heilt den blindgeborenen Knaben von Sidon . . . 4067
525 »Die Lehre der Schauung handelt von der Gattentreue« 4074
526 Auf der Rückkehr aus den syro-phönizischen Grenzge-
bieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4077
527 Auf dem Weg nach Sepphoris . . . . . . . . . . . . . . . 4080
528 Jesus bei den aussätzigen Sündern von Betlehem in Ga-
liläa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4088
529 Jesus und seine Mutter im Wald des Mattatias . . . . . 4100
530 Jesus im Gespräch mit Josef des Alphäus . . . . . . . . 4112
531 In Erwartung der Bauern des Johanan beim Turm von
Jesreel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4124
532 Auf dem Weg nach En-Gannim . . . . . . . . . . . . . . 4130
23
533 Ankunft Jesu mit Johannes in En-Gannim . . . . . . . . 4132
534 Jesus und der samaritanische Hirte . . . . . . . . . . . . 4140
535 Die zehn Aussätzigen bei Efraim . . . . . . . . . . . . . 4149
536 Jesus in Efraim • Das Gleichnis vom Granatapfel . . . 4161
537 Jesus in Betanien zum Laubhüttenfest . . . . . . . . . . 4169
538 Jesus beim Laubhüttenfest im Tempel • »Das Reich
Gottes kommt nicht mit Gepränge« . . . . . . . . . . . 4177
539 Im Tempel • »Kennt ihr mich und wißt ihr, woher ich
bin?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4188
540 Im Tempel • »Nur noch kurze Zeit bin ich bei euch« . 4201
541 Jesus in Nob • Ein Windwunder . . . . . . . . . . . . . 4208
542 Jesus im Lager der Galiläer mit seinen Apostelvettern . 4217
543 Am letzten großen Tag des Laubhüttenfestes . . . . . . 4227
544 In Betanien • »Man kann auf viele Arten töten« . . . . 4237
545 Am Brunnen von En-Rogel . . . . . . . . . . . . . . . . 4241
546 Jesus, die Pharisäer und die Ehebrecherin . . . . . . . . 4248
547 »Der Schuldigen weise ich den Weg der Rettung« . . . 4252
548 Unterweisung der Apostel und Jünger . . . . . . . . . . 4257
549 Im Dorf und im Haus Salomons . . . . . . . . . . . . . 4262
550 Jesus und Simon des Jona . . . . . . . . . . . . . . . . . 4269
551 Jesus spricht mit Thaddäus und Jakobus des Zebedäus 4275
552 Jesus und der Mann aus Petra bei Hesbon . . . . . . . . 4282
553 Der Abstieg vom Berg Nebo . . . . . . . . . . . . . . . . 4287
554 »Die Finsternis weist das Licht ab« . . . . . . . . . . . . 4293
555 Jesus ermutigt seine Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . 4303
556 Die Frau des sadduzäischen Nekromanten . . . . . . . 4309
557 »Ein Gebet kann euch mit Gott verbinden, nicht eine
magische Formel« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4322
558 »Die, die mich lieben, gehen fort« . . . . . . . . . . . . . 4324
559 Das Gleichnis vom ungerechten Richter . . . . . . . . . 4332
560 »Ich bin das Licht der Welt« . . . . . . . . . . . . . . . . 4341
561 »Wir sind Nachkommen Abrahams« . . . . . . . . . . . 4348
562 Im Haus des Josef von Sepphoris . . . . . . . . . . . . . 4366
24
563 Der alte Priester Mattan (oder Natan) . . . . . . . . . . 4375
564 Heilung des Blindgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 4385
565 In Nob • Judas von Kerijot lügt . . . . . . . . . . . . . 4403
566 Jesus in den Ruinen eines zerstörten Dorfes . . . . . . . 4413
567 Jesus spricht zu Emmaus im Gebirge . . . . . . . . . . . 4418
568 Jesus in Bet-Horon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4428
569 Nach Gibeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4444
570 In Gibeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4453
571 Zurück nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4459
572 Ich bin der gute Hirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4465
573 Auf dem Weg nach Betanien • Im Haus des Lazarus . 4479
574 Auf dem Weg nach Tekoa • Der alte Heli-Hanna . . . 4487
575 Jesus spricht in Tekoa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4500
576 In Jericho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4506
577 Predigt in Jericho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4516
578 Im Haus des Zachäus mit den Bekehrten . . . . . . . . 4528
579 Jesus urteilt über Sabäa von Bet-Lehi . . . . . . . . . . . 4541
580 In Betabara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4565
581 Auf dem Rückweg nach Nob . . . . . . . . . . . . . . . 4570
582 In Nob • Judas Iskariot gehorcht nicht mehr . . . . . . 4576
583 Die folgenden Tage in Nob . . . . . . . . . . . . . . . . . 4583
584 Jesus mit dem unzüchtigen Judas von Kerijot . . . . . . 4592
585 Jesus und Valeria • Das Wunder an dem kleinen Levi
zu Nob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4599
586 Jesus und die Sünderin, die ihn versuchen soll . . . . . 4625
587 Jesus und Judas Iskariot auf dem Weg nach Jerusalem 4643
588 Jesus in der Synagoge der römischen Libertiner . . . . 4647
589 Judas und die Feinde Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659
590 Die sieben geheilten Aussätzigen • Jesus zu den Apo-
steln, Marta und Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4674
591 Jesus am Tempelweihfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4687
592 Jesus begibt sich zur Geburtshöhle, um allein zu sein . 4704
593 Jesus und Johannes des Zebedäus . . . . . . . . . . . . 4716
594 Jesus, Johannes und Manaen . . . . . . . . . . . . . . . . 4725
25
Vorbereitung auf die Passion 4740
595 Die Juden im Haus des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . 4741
596 Die Juden bei Marta und Maria . . . . . . . . . . . . . . 4744
597 Marta läßt den Meister benachrichtigen . . . . . . . . . 4751
598 Der Tod des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4759
599 Die Benachrichtigung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . 4774
600 Beim Begräbnis des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . 4782
601 »Laßt und zu unserem Freund Lazarus gehen, der
schläft« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4795
602 Die Auferweckung des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . 4805
603 Gedanken über die Auferweckung des Lazarus . . . . . 4828
604 In der Stadt Jerusalem und im Tempel nach der Aufer-
stehung des Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4832
605 Jesus in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4849
606 Auf dem Weg nach Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . . 4867
607 Der erste Tag in Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4881
608 Wenn das Sabbatgebot auch wichtig ist, so ist doch das
Gebot der Liebe das wichtigste . . . . . . . . . . . . . . 4887
609 Am anderen Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4895
610 In der Nacht desselben Tages . . . . . . . . . . . . . . . 4912
611 An einem Sabbat in Efraim . . . . . . . . . . . . . . . . 4924
612 Die Verwandten der Kinder und die Leute von Sichem 4935
613 Die geheime Unterweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 4943
614 Was in der Dekapolis und in Judäa geschieht . . . . . . 4950
615 Was in Judäa und besonders in Jerusalem geschieht . . 4957
616 Der Soferim Samuel, ehemaliger Jünger des Jonatan
Ben-Uziel und dann Jünger Jesu . . . . . . . . . . . . . 4970
617 Was in Galiläa und besonders in Nazaret geschieht . . 4986
618 Was in Samaria und bei den Römerinnen geschieht . . 4991
619 Jesus und der Mann von Jamnia . . . . . . . . . . . . . 4998
620 Jesus, Samuel, Judas und Johannes . . . . . . . . . . . . 5012
621 Die Ankunft der Mutter und der Jüngerinnen in Efraim 5028
622 Judas von Kerijot ist ein Dieb . . . . . . . . . . . . . . . 5057
26
623 Die Reise durch Samaria vor dem Paschafest • Von
Efraim nach Schilo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5089
624 In Schilo • Die schlecht Beratenen . . . . . . . . . . . . 5098
625 In Lebona • Die schlecht Beratenen • Noch einmal
über den Wert der Ratschläge . . . . . . . . . . . . . . . 5103
626 In Sichem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5114
627 Der Wert, den der Gerechte den Ratschlägen gibt . . . 5118
628 Jesus geht nach Änon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5125
629 In Änon • Der Jüngling Benjamin . . . . . . . . . . . . 5129
630 Jesus wird von den Samaritern abgelehnt . . . . . . . . 5144
631 Die Begegnung mit dem reichen Jüngling . . . . . . . . 5163
632 Dritte Ankündigung des Leidens • Die Mutter der Söh-
ne des Zebedäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5171
633 In Jericho vor dem Besuch in Betanien . . . . . . . . . . 5184
634 Jesus spricht zu unbekannten Jüngern . . . . . . . . . . 5189
635 Die beiden Blinden von Jericho . . . . . . . . . . . . . . 5197
636 Jesus kommt nach Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . 5208
637 Der Freitag vor dem Einzug in Jerusalem • I. Jesus und
Judas von Kerijot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5217
638 Der Freitag vor dem Einzug in Jerusalem • II. Jesus
und die Jüngerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5231
639 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • I. Das Wun-
der an Methusalem oder Schalem . . . . . . . . . . . . . 5257
640 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • II. Pilger
und Juden in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5272
641 Der Sabbat vor dem Einzug in Jerusalem • III. Das
Gastmahl in Betanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5279
Die Passion 5294
642 Verschiedene Einführungen: I. »Der Sohn Gottes und
der Frau ohne Makel war wie ein Wurm geworden« . . 5295
643 Verschiedene Einführungen: II. »Man braucht nur die
Wahrheit zu sagen, um gehaßt zu werden« . . . . . . . 5299
27
644 Verschiedene Einführungen: III. »Ich habe darunter ge-
litten, meine Mutter leiden zu sehen« . . . . . . . . . . 5301
645 Verschiedene Einführungen: IV. »Ich war und ich bin
der Sohn Gottes. Aber ich war auch der Menschensohn.« 5304
646 Verschiedene Einführungen: V. »Ihr denkt nie daran,
wieviel ihr mich gekostet habt« . . . . . . . . . . . . . . 5312
647 Der Abschied von Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . 5315
648 Judas geht zu den Vorstehern des Synedriums . . . . . 5328
649 Von Betanien nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . 5340
650 Der Einzug Jesu in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . 5347
651 Der Abend des Palmsonntags . . . . . . . . . . . . . . . 5365
652 Der Montag nach dem Einzug in Jerusalem: I. Der Tag 5371
653 Der Montag vor dem Paschafest: II. Die Nacht in Getse-
mani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5393
654 Der Dienstag vor dem Paschafest: I. Der Tag . . . . . . 5400
655 Der Dienstag vor dem Paschafest: II. Die Nacht . . . . 5407
656 Der Mittwoch vor dem Paschafest: I. Der Tag . . . . . . 5412
657 Der Mittwoch vor dem Paschafest: II. Die Nacht . . . . 5460
658 Der Donnerstag vor dem Paschafest: Der Tag . . . . . . 5469
659 Beschreibung des Abendmahlsaales • Abschied von
der Mutter vor dem letzten Abendmahl . . . . . . . . . 5488
660 Das Paschamahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5492
661 Betrachtungen über das letzte Abendmahl . . . . . . . 5530
662 Die Todesangst und die Gefangennahme in Getsemani 5533
663 Die verschiedenen Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . 5557
664 Anmerkungen über das Verhalten des Pilatus Jesus ge-
genüber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5593
665 Judas von Kerijot nach seinem Verrat . . . . . . . . . . . 5600
666 »Wenn Judas sich der Mutter zu Füßen geworfen und
um Erbarmen gefleht hätte, dann hätte die Barmherzige
ihn wie einen Verwundeten aufgehoben« . . . . . . . . 5611
667 »Maria muß Eva annullieren« . . . . . . . . . . . . . . . 5614
668 Johannes geht und holt die Mutter . . . . . . . . . . . . 5626
28
669 Vom Prätorium zum Kalvarienberg . . . . . . . . . . . . 5632
670 Die Kreuzigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5650
671 Das Grab des Josef von Arimathäa • Die furchtbare
Seelenqual Marias und die Einbalsamierung des Erlö-
sers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5683
672 Die Rückkehr zum Abendmahlsaal . . . . . . . . . . . . 5697
673 Die Nacht des Karfreitags . . . . . . . . . . . . . . . . . 5712
674 Die Klage der Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5719
675 Der Tag des Karsamstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5740
676 Die Nacht des Karsamstags . . . . . . . . . . . . . . . . 5753
Die Verherrlichung 5766
677 Der Morgen der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . 5767
678 Der Ostermorgen • Klage • Gebet Marias . . . . . . . 5776
679 Die Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5782
680 Jesus erscheint der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . 5786
681 Die frommen Frauen am Grab . . . . . . . . . . . . . . . 5790
682 Zum vorigen Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5802
683 Jesus erscheint Lazarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5809
684 Jesus erscheint Johanna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5817
685 Jesus erscheint Josef, Nikodemus und Manaen . . . . . 5821
686 Jesus erscheint den Hirten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5825
687 Jesus erscheint den Jüngern von Emmaus . . . . . . . . 5828
688 Jesus erscheint anderen Freunden . . . . . . . . . . . . . 5838
689 Jesus erscheint den zehn Aposteln . . . . . . . . . . . . 5843
690 Die Rückkehr des Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . 5857
691 Jesus erscheint den Aposteln mit Thomas . . . . . . . . 5865
692 Der Auferstandene Jesus in Getsemani . . . . . . . . . . 5877
693 Die Apostel gehen nach Golgota • Und dann . . . . . . 5903
694 Jesus bestätigt den Gläubigen an verschiedenen Orten
seine Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5924
695 Jesus erscheint am Ufer des Sees . . . . . . . . . . . . . 5970
696 Jesus auf dem Tabor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5978
29
697 Jesus zu den Aposteln und Jüngern . . . . . . . . . . . 5995
698 Das nachgeholte Paschafest . . . . . . . . . . . . . . . . 6020
699 Die Himmelfahrt des Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . 6029
700 Die Wahl des Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6047
701 Die Herabkunft des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . 6053
702 Petrus, nicht mehr der rauhe Fischer, in seiner neuen
Würde als Oberhirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6058
703 Maria empfängt Lazarus und Josef von Arimathäa . . . 6063
704 Maria und Johannes an den Orten der Passion . . . . . 6073
705 Das Grabtuch wird Maria überbracht . . . . . . . . . . 6078
706 Das Martyrium des Stephanus . . . . . . . . . . . . . . 6086
707 Die verschiedenen Wirkungen und Folgen der Begeg-
nungen mit Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6093
708 Die Beisetzung des heiligen Stephanus . . . . . . . . . . 6097
709 Gamaliël wird Christ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6102
710 Unterredung zwischen Petrus und Johannes . . . . . . 6109
711 Der selige Heimgang Marias . . . . . . . . . . . . . . . . 6115
712 Aufnahme Marias in den Himmel . . . . . . . . . . . . 6129
713 Erwägungen und Erklärungen zur Himmelfahrt und
zum Heimgang der allerheiligsten Jungfrau Maria . . . 6136
714 Abschließende Bemerkungen zum Werk . . . . . . . . . 6146
Anhang 6161
30
Verborgenes Leben Jesu
»Gott besaß mich zu Beginn seiner Werke«
(Spr 8,22)
1 »Maria kann die Zweitgeborene des Vaters genannt werden«
Jesus trägt mir auf:
»Nimm ein ganz neues Heft und kopiere auf das erste Blatt das Diktat vom
16. August. Dieses Buch wird von Ihr handeln.«
Ich gehorche und kopiere (22. August 1944).
Jesus sagt:
»Heute schreibe nur dies! Die Reinheit hat einen solchen Wert, daß
der Schoß einer Frau den Unerfaßbaren nur umfassen konnte, weil
sie die höchste Reinheit besaß, die ein Geschöpf Gottes haben kann.
Die Allerheiligste Dreifaltigkeit stieg mit ihren Vollkommenheiten
herab, wohnte mit ihrem unendlichen Sein in einem kleinen Raum –
ohne dadurch von ihrer Unendlichkeit zu verlieren – und offenbarte
sich mit ihren charakteristischen Eigenschaften:
Der Vater wiederum als Schöpfer, wie am sechsten Tage. Er schuf
eine wahre „Tochter“, seiner würdig und ihm ähnlich. Der Stem-
pel Gottes war in Maria eingeprägt, so klar und scharf, daß er nur
im Erstgeborenen des Vaters [Röm 8,29] vollkommener war. Maria
kann die „Zweitgeborene“ des Vaters genannt werden, weil sie we-
gen der verliehenen und bewußt bewahrten Vollkommenheit, wegen
der Würde als Braut und Mutter Gottes und als Königin des Him-
mels die Zweite nach dem Sohn des Vaters ist; die Zweite im ewi-
gen Gedanken des Vaters, der von Ewigkeit her an ihr Wohlgefallen
fand.
Der Sohn, der auch für sie „der Sohn“ war, lehrte sie – durch den
geheimnisvollen Eingriff der Gnade – seine Wahrheit und Weisheit,
als er noch ein Keim war, der in ihrem Schoß heranwuchs.
Der Heilige Geist erscheint den Menschen in einem vorweggenom-
menen, verlängerten Pfingstfest als Liebe in „der, die er liebte“; als
32
Trost durch die Frucht ihres Schoßes; als Heiligung durch die Mut-
terschaft des Heiligen.
Um sich den Menschen in einer neuen und vollkommenen Wei-
se zu offenbaren, welche das Zeitalter der Erlösung einleitet, wählte
Gott nicht einen Stern des Himmels zu seinem Thron oder den Pa-
last eines mächtigen Herrschers; auch nahm er nicht die Flügel der
Engel zum Schemel seiner Füße. Vielmehr wollte er einen Schoß oh-
ne Makel.
Auch Eva war ohne Makel erschaffen worden; aber sie hat sich
aus freiem Willen verderben wollen. Maria, die in einer zerrütteten
Welt lebte – während Eva von einer reinen umgeben war – woll-
te ihre Reinheit nicht einmal durch einen Gedanken an die Sünde
beeinträchtigen. Sie wußte, daß die Sünde existiert. Sie sah ihre viel-
fältigen, schrecklichen Gesichter. Sie sah sie alle, auch das grauen-
hafteste: den Gottesmord. Aber sie lernte sie kennen, um für sie zu
sühnen und in alle Ewigkeit die zu sein, die Erbarmen mit den Sün-
dern hat und für ihre Rettung betet.
Dieser Gedanke ist eine Einleitung zu anderen heiligen Dingen, die ich dir und
vielen anderen zum Trost mitteilen werde.«
2 Joachim und Anna machen dem Herrn ein Gelübde
Ich sehe das Innere eines Hauses. Dort sitzt eine bejahrte Frau an
einem Webstuhl. Nach ihrem sicherlich einst schwarzen, nun aber
schon ergrauten Haar und ihrem Gesicht, das noch nicht gerunzelt,
aber doch durch den Ernst der Jahre geprägt ist, möchte ich schätzen,
daß sie 50–55 Jahre alt ist. Nicht älter.
Bei der Bestimmung dieses Alters nehme ich das Gesicht meiner Mutter zum
Vergleich, das mir besonders in diesen Tagen, die mich an ihre letzten Tage an mei-
nem Bett erinnern, gegenwärtig ist . . . Das Gesicht meiner Mutter war unter den
frühzeitig weiß gewordenen Haaren sehr jugendlich. Im Alter von fünfzig Jahren
war sie weiß und schwarz wie am Ende ihres Lebens. Aber, abgesehen von der
33
Reife ihres Blickes, verriet nichts ihre Jahre. Ich könnte mich daher irren, wenn ich
älteren Frauen eine bestimmte Anzahl von Jahren gebe.
Die Frau, die ich in einem hellerleuchteten Raum weben sehe, ist
schön in ihren typisch hebräischen Gesichtszügen. Die halbgeöffne-
te Tür läßt den Blick über einen großen Garten schweifen, den ich
aufgrund seiner Ausdehnung eher als ein kleines Gut bezeichnen
möchte, das sich über ein welliges Gelände dahinzieht. Die tiefen,
schwarzen Augen der Frau erinnern mich – ich weiß nicht warum
– an jene Johannes des Täufers. Sie sind stolz wie die einer Königin,
aber zugleich auch sanft, als wäre über ihr adlerhaftes Aufblitzen ein
himmelblauer Schleier gebreitet worden. Sanft und zugleich ein we-
nig traurig, wie wenn jemand trübsinnig verlorener Dinge gedenkt.
Die Gesichtsfarbe ist bräunlich, aber nicht übermäßig. Der Mund,
ein klein wenig breit, ist schön geformt und hat einen ernsten, aber
nicht harten Zug. Die Nase ist lang und fein, leicht nach unten ge-
bogen. Eine Adlernase, die gut zu diesen Augen paßt. Die Frau ist
kräftig, aber nicht dick, gut gebaut und, nach ihrer sitzenden Hal-
tung zu schätzen, ziemlich groß.
Ich glaube, sie webt ein Zelttuch oder einen Teppich. Die vielfar-
bigen Spulen eilen schnell über den dunkelbraunen Webstuhl, und
das fertige Stück Tuch zeigt eine Verschlingung von Verzierungen
und Rosetten, in denen grün, gelb, rot und dunkelblau sich verflech-
ten und vermischen wie in einem Mosaik. Die Frau trägt ein ganz
einfaches, tiefdunkles Gewand, dessen Violettrot an gewisse Stief-
mütterchen erinnert.
Auf ein Pochen an der Tür erhebt sie sich. Sie ist wirklich groß.
Vor der Tür steht eine Frau, die fragt: »Anna, willst du mir deinen
Krug geben? Ich werde ihn für dich füllen.«
Die Frau hat einen lebhaften Jungen von fünf Jahren bei sich, der
sich sofort an das Kleid der genannten Anna schmiegt. Sie liebkost
ihn, während sie in einen anderen Raum geht, und kommt mit ei-
nem schönen kupfernen Krug zurück, den sie der Frau mit den Wor-
ten gibt: »Immer bist du gut zu deiner alten Anna. Gott vergelte es
34
dir an diesem Kind und an den Söhnen, die du hast und haben wirst,
du Glückliche!« Anna seufzt. Die Frau schaut sie an und weiß nicht,
was sie zu diesem Seufzer sagen soll. Um sie von dem Kummer, der
sie offenbar bedrückt, abzulenken, sagt sie: »Ich lasse Alphäus hier,
wenn er dir nicht lästig ist; so geht es schneller, und ich kann dir
viele Krüge und Schläuche füllen.«
Alphäus freut sich, daß er bleiben darf, und der Grund ist ver-
ständlich. Kaum ist die Mutter fort, da nimmt ihn Anna auf ihre
Schultern und geht mit ihm in den Garten hinaus. Sie hebt ihn
hoch in einem Laubengang, von dem goldgelbe Weintrauben her-
abhängen, und sagt: »Iß, iß, die sind gut!« Und sie küßt ihn auf das
vom Saft der Früchte klebrige Gesichtchen, während das Kind eif-
rig Beere um Beere verspeist. Dann lacht sie vor Freude und scheint
gleich jünger mit den schönen Zähnen, die zum Vorschein kommen,
und der Freude, die das Gesicht überstrahlt, als das Kind noch sagt:
»Und was gibst du mir jetzt?« und sie dabei mit großen, graublauen
Augen anschaut. »Was gibst du mir, wenn ich dir, wenn ich dir ge-
be . . . na, rate was!« Und das Kind klatscht in die Hände und sagt
lachend: »Küsse, Küsse gebe ich dir, schöne Anna, gute Anna, Ma-
ma Anna . . . « Anna hört sich Mama nennen, drückt mit einem Freu-
denschrei den Kleinen an sich und sagt: »Oh, mein Schatz! Liebling,
Liebling!« Bei jedem „Liebling“ küßt sie die rosigen Wangen. Dann
gehen sie zu einem Schränkchen, und sie nimmt von einem Teller et-
was Honigkuchen. »Ich habe ihn für dich gebacken, du Freude der
armen Anna, weil du mich so gern hast. Aber sage mir, wie sehr
liebst du mich?« Der Junge erinnert sich an das, was ihn in seinem
bisherigen Leben am meisten beeindruckt hat, und sagt: »Wie den
Tempel des Herrn.« Anna küßt ihn noch einmal auf die lebhaften
Äuglein, auf das rosige Mündchen, und das Kind schmiegt sich an
sie wie ein Kätzchen.
Die Mutter kommt und geht mit dem Krug und lacht, ohne dabei
etwas zu sagen. Sie überläßt die beiden ihren Zärtlichkeiten.
Da kommt vom Garten her ein alter Mann, etwas kleiner als An-
35
na, mit vollem, schneeweißem Haar. Er hat ein helles Gesicht mit
einem viereckig geschnittenen Bart und zwei türkisblauen Augen
unter den hellbraunen, fast blonden Augenbrauen. Ein dunkelbrau-
nes Gewand kleidet ihn.
Anna sieht ihn nicht, denn sie steht mit dem Rücken gegen den
Ausgang. Er geht auf sie zu und spricht: »Und für mich nichts?« An-
na wendet sich um und sagt: »Oh, Joachim, bist du mit deiner Arbeit
fertig?« Gleichzeitig schmiegt sich der kleine Alphäus an Joachims
Knie und sagt: »Auch für dich, auch für dich.« Joachim beugt sich
zu ihm nieder. Das Kind wühlt in dem weißen Bart und gibt ihm
einen schallenden Kuß.
Auch Joachim hat ein Geschenk für Alphäus . . . Er hielt es bisher
in der linken Hand hinter dem Rücken; nun aber zeigt er den wun-
derschönen Apfel, der wie gemalt aussieht, und sagt lachend zum
Kind, das erwartungsvoll die Händchen danach ausstreckt: »Warte,
ich schneide ihn dir in Stücke. So kannst du ihn nicht essen; er ist ja
fast größer als du.« Und mit einem Messerchen, das er sonst zum Be-
schneiden der Bäume und der Blumensträucher benützt, zerteilt er
den Apfel in kleine Scheiben, die er mit großer Sorgfalt in den klei-
nen Mund steckt, als hätte er es mit einem noch im Nest sitzenden
Vögelchen zu tun.
»Sieh doch die Augen, Joachim! Sind sie nicht wie zwei Stückchen
des galiläischen Meeres, wenn der Abendwind einen Wolkenschleier
über den Himmel webt?« Bei diesen Worten legt Anna eine Hand
auf Joachims Schulter und lehnt sich leicht an ihn: eine Haltung,
die eine tiefe Gattenliebe bekundet; eine nach so langen Ehejahren
ungetrübte Liebe.
Joachim schaut sie liebevoll an und nickt, indem er sagt: »Sehr
schön sind sie! Und diese Löckchen? Haben sie nicht die Farbe des
Heus, wenn es die Sonne getrocknet hat? Schau: ein Gemisch von
Gold und Kupfer.«
»Ach, wenn wir ein Kind gehabt hätten: so hätte ich es mir ge-
wünscht; mit diesen Augen und diesen Haaren . . . « Anna hat sich
36
niedergebeugt, ja niedergekniet, und küßt mit einem schweren Seuf-
zer die beiden großen blaugrauen Augen.
Auch Joachim seufzt. Aber er will sie trösten, legt ihr eine Hand
auf die krausen, weißen Haare und sagt: »Wir dürfen die Hoffnung
nicht aufgeben. Gott ist allmächtig. Solange man lebt, kann das Wun-
der jederzeit stattfinden; besonders wenn man ihn liebt und sich ge-
genseitig liebt.« Joachim betont diese letzten Worte.
Anna aber schweigt niedergeschlagen und hat das Haupt geneigt,
um die beiden Tränen zu verbergen, die über ihre Wangen herun-
terrollen; nur der kleine Alphäus bemerkt sie und ist erstaunt und
betrübt, daß seine große Freundin weint wie er selbst manchmal. Er
hebt ein Händchen und wischt die Tränen ab. »Weine nicht, Anna!«
tröstet sie Joachim. »Wir sind auch so glücklich. Ich wenigstens bin
es, weil ich dich besitze.«
»Auch ich bin glücklich, weil ich dich habe. Aber ich habe dir
keinen Sohn geschenkt . . . Vielleicht habe ich dem Herrn in etwas
mißfallen, da er mir den Schoß verschlossen hat . . . «
»Oh, meine Gattin! Worin solltest du ihm mißfallen haben, du Hei-
lige? Höre! Gehen wir für dieses unser Anliegen noch einmal zum
Tempel! Nicht nur wegen des Laubhüttenfestes [Ex 23,14–17]. Beten
wir lange! . . . Vielleicht ergeht es dir wie Sara . . . wie Hanna, der
Frau des Elkana. Lange haben sie gewartet und haben geglaubt, sie
seien verworfen, weil sie kinderlos blieben. Statt dessen reifte für sie
im Himmel Gottes ein heiliges Kind [1 Kön 1; 2,11]. Lächle, meine
Gattin! Dein Weinen schmerzt mich mehr als die Kinderlosigkeit . . .
Wir werden Alphäus mit uns nehmen und ihn beten lassen; ihn, der
unschuldig ist . . . und Gott wird sein Gebet und unser Gebet anneh-
men und erhören.«
»Ja, machen wir dem Herrn ein Gelübde. Ihm soll das Kind ge-
hören, wenn er es uns gibt . . . Ach, könnte ich mich doch „Mama“
rufen hören!«
Da sagt Alphäus, der erstaunte und unschuldige Zuschauer: »Ich
nenne dich doch so!«
37
»Ja, meine liebe Freude . . . «
Hier endet die Vision.
Ich begreife, daß der Zyklus der Geburt Marias begonnen hat. Und ich bin sehr
erfreut darüber, denn ich habe diese so sehr ersehnt. Ich denke, daß auch Sie zu-
frieden sein werden (In diesem Satz, wie an anderen Stellen dieses Buches, wendet
sich die Verfasserin an ihren Seelenführer).
Bevor ich zu schreiben begann, hörte ich die Mutter sagen: »Tochter, schreibe
jetzt von mir! Für alle deine Leiden wirst du Trost empfangen.« Und während
sie mir dies sagte, legte sie mir die Hand aufs Haupt und streichelte mich zärtlich;
dann kam die Vision. Anfangs aber, solange ich die Fünfzigjährige nicht mit Namen
rufen hörte, wußte ich nicht, daß ich die Mutter der Mutter vor mir hatte und daß
die Gnade ihrer Geburt bevorstand.
3 Das Gebet Annas im Tempel wird erhört
Bevor ich fortfahre, sei folgende Bemerkung gemacht.
Das Haus schien mir nicht das mir wohlbekannte von Nazaret zu sein; wenig-
stens war die Umgebung eine ganz andere. Auch war der Gemüse- und Blumengar-
ten viel größer, und Felder waren in der Ferne sichtbar. Nicht viele, aber immerhin
etliche. Später, nach der Vermählung Marias ist nur mehr ein Gemüsegarten da,
und das Zimmer, das ich in dieser Vision sah, habe ich in den folgenden niemals
wiedergesehen. Ich weiß nicht, wie ich mir das erklären soll; ob sich die Eltern
Marias aus finanziellen Gründen eines Teiles ihrer Habe entledigten oder ob Maria
nach dem Verlassen des Tempels in ein anderes Haus kam, das ihr vielleicht von
Josef gegeben wurde. Ich erinnere mich nicht, ob sich in den früheren Visionen und
Lehrstücken ein sicherer Anhaltspunkt dafür findet, daß das Haus von Nazaret ihr
Geburtshaus gewesen ist. Mein Kopf ist sehr müde. Ferner vergesse ich, besonders
was die Diktate angeht, sofort die Worte, während mir die Aufträge und das Licht
in der Seele eingeprägt bleiben. Aber Einzelheiten verflüchtigen sich unmittelbar.
Wenn ich nach einer Stunde wiederholen sollte, was ich gehört habe, wüßte ich
nichts mehr, abgesehen von ein oder zwei Hauptgedanken. Die Visionen hingegen
bleiben mir lebendig im Gedächtnis, weil ich bei ihnen selbst beobachten muß. Die
Diktate schreibe ich einfach nieder. Jene hingegen muß ich in mich aufnehmen. Sie
bleiben in mir lebendig, weil ich selbst auf alle Einzelheiten habe achten müssen.
Ich hoffte, es würde ein Diktat über die gestrige Vision kommen. Aber nein. Nun
beginne ich zu schauen und schreibe.
Außerhalb der Mauern von Jerusalem auf den Hügeln und zwi-
schen den Ölbäumen hat sich eine große Menschenmenge niederge-
38
lassen. Es scheint ein riesiger Marktplatz zu sein. Aber man sieht
keine Tische und Buden. Auch hört man nicht die Stimmen von
Marktschreiern und Verkäufern. Keine Spiele. Es sind da sehr viele
Zelte aus rauher, sicher wasserundurchlässiger Leinwand, die über
Pfähle, die im Boden befestigt sind, gezogen ist. Von den Pfählen
hängen grüne Zweige herab, die zur Zierde und zur Erfrischung
dienen. Andere Zelte bestehen ganz aus Zweigen, die im Boden be-
festigt wurden und so miteinander verbunden sind, daß sie kleine,
grüne Lauben bilden. Unter jedem dieser Zelte befinden sich Men-
schen jedes Alters und jedes Standes. Ihre Gespräche sind friedvoll
und gesammelt, höchstens von einem Kinderschrei unterbrochen.
Die Nacht bricht herein, und schon leuchten da und dort, in die-
sem eigenartigen Lager, Öllaternen auf. Um diese Lichter versam-
melt nehmen einige Familien ihre Abendmahlzeit ein; man sitzt auf
dem Boden, die Mütter mit ihren Kleinen auf dem Schoße. Viele Kin-
der schlafen ermüdet ein, oft noch ein Stück Brot zwischen den rosi-
gen Fingerchen, und lassen ihre Köpfchen auf die Brust der Mutter
sinken, wie Kücken unter der Henne. Die Mütter beenden ihre Mahl-
zeit, so gut sie es können, mit der freien Hand, während die andere
das Kind an ihr Herz drückt. Andere Familien hingegen sind noch
nicht bei der Mahlzeit. Man spricht im Halbdunkel miteinander und
wartet darauf, daß das Essen bereit sei. Kleine Feuer brennen hier
und dort, und um sie herum sind die Frauen beschäftigt. Ein Wie-
genlied, langsam, fast klagend gesungen, wiegt ein noch unruhiges
Kind in den Schlaf.
Oben in der Höhe ein schöner, heiterer Himmel, der immer dun-
kelblauer wird, bis er einem gewaltigen Theaterzeltdach aus wei-
chem, schwarzblauem Samt gleicht, auf dem unsichtbare Künstler
und Dekorateure ganz allmählich Perlen und Lichter erscheinen las-
sen; einige einzeln, andere in bizarren, geometrischen Gebilden, un-
ter denen der große und der kleine Bär mit ihren Wagenformen her-
vorstechen, die Wagenstangen auf dem Boden aufgestützt und die
Zugtiere ausgespannt. Der Polarstern strahlt in vollem Glanz.
39
Ich erfahre, daß es Oktober ist, denn eine kräftige Männerstimme
sagt: »Der heurige Oktober ist von einer seltenen Schönheit!«
Sieh da, Anna kommt von einem Feuer. Sie trägt verschiedene
Dinge auf einem breiten, flachen Brotfladen, der ihr als Teller dient.
An ihren Kleidern hängt Alphäus, dessen Kinderstimmchen hörbar
ist. Joachim beeilt sich, die Laterne anzuzünden, als er Anna sieht.
Er hatte auf der Schwelle seiner kleinen Laubhütte mit einem drei-
ßigjährigen Mann gesprochen, den Alphäus von weitem mit einem
Schrei als Papa begrüßt hat.
Anna schreitet in fürstlichem Gang durch die Reihen der Zelthüt-
ten. Fürstlich und doch bescheiden. Sie sieht auf niemanden stolz
herab. Sie richtet den Kleinen einer armen, sehr armen Frau auf, der
ihr gerade vor die Füße gefallen ist, als er bei seinem hastigen Lau-
fen stolperte; und da er sich das Gesichtchen beschmutzt hat und
weint, reinigt und tröstet sie ihn und übergibt ihn der herbeieilen-
den Mutter mit den Worten: »Oh, es ist nichts! Ich freue mich, daß
er sich nicht weh getan hat. Welch ein schönes Kind! Wie alt ist es?«
»Drei Jahre. Er ist das Zweitjüngste; aber in Kürze werde ich noch
ein Kind bekommen. Jetzt habe ich sechs Knaben und deshalb hätte
ich gerne ein Mädchen . . . Für eine Mutter bedeutet ein Mädchen
viel . . . «
»Der Allerhöchste hat dich sehr beschenkt, Frau!« Anna seufzt.
Die andere: »Ja, ich bin arm, aber die Kinder sind unsere Freude,
und die größeren helfen schon bei der Arbeit mit. Und du, Herrin
(daß Anna aus vornehmen Kreisen kommt, erkennt die Frau an ih-
rem ganzen Benehmen), wie viele Kinder hast du?«
»Keine«
»Keine?! Ist das nicht das deinige?«
»Nein, es gehört einer braven Nachbarin; es ist mein Trost . . . «
»Sind sie dir gestorben, oder . . . «
»Ich habe nie Kinder gehabt.«
»Oh!« Die arme Frau schaut sie mitleidig an. Anna grüßt sie mit
einem tiefen Seufzer und geht zu ihrer Sippe.
40
»Ich habe auf mich warten lassen, Joachim. Eine arme Frau hat
mich aufgehalten, eine Mutter von sechs Knaben, denke dir! Und in
Bälde wird sie noch ein Kind bekommen.«
Joachim seufzt.
Der Vater von Alphäus ruft seinen Buben; aber dieser antwortet:
»Ich bleibe bei Anna. Ich helfe ihr.« Alle lachen.
»Laß ihn nur! Er ist uns keine Last. Er ist noch nicht zur Einhal-
tung des Gesetzes verpflichtet. Hier oder dort. Er ist wie ein Vöglein,
das gefüttert wird«, sagt Anna und setzt sich nieder mit dem Kind
auf dem Schoß. Sie gibt ihm Brotkuchen und, wie mir scheint, ge-
rösteten Fisch. Ich sehe, daß sie letzteren zubereitet, bevor sie ihn
ihm gibt. Vielleicht nimmt sie die Gräten heraus. Vorher hat sie ih-
ren Gemahl bedient. Sie selbst ißt als letzte.
Die Nacht wird immer sternenklarer und die Lichter im Lager im-
mer zahlreicher. Dann erlöschen allmählich viele Lichter. Es beginnt
bei jenen, die zuerst ihr Abendbrot eingenommen haben und die
jetzt schlafen gehen. Auch der Lärm schwindet langsam. Kinderstim-
men sind nicht mehr zu hören. Nur der eine oder andere Säugling
läßt sein Stimmchen vernehmen wie ein Lämmlein, das nach der
Muttermilch verlangt. Die Nacht breitet ihren Atem über Personen
und Dinge und verwischt Mühen und Erinnerungen, Hoffnungen
und Sorgen; aber vielleicht leben diese jetzt im Traum neu auf.
Während Anna Alphäus wiegt, der anfängt, auf ihren Armen ein-
zuschlafen, sagt sie zu ihrem Gatten: »Letzte Nacht habe ich ge-
träumt, daß ich im nächsten Jahr für zwei Feste in die heilige Stadt
kommen werde, anstatt für eines allein. Und ein Fest wird die Opfe-
rung meines Kindes im Tempel sein . . . Oh! Joachim! . . . «
»Hoffe, hoffe, Anna! Hast du sonst nichts vernommen? Hat dir
der Herr nichts ins Herz geflüstert?«
»Nichts. Es war nur ein Traum . . . «
»Morgen ist der letzte Gebetstag. Alle Opfer sind bereits darge-
bracht, aber wir werden die Gebete morgen nochmals feierlich wie-
derholen. Wir wollen Gott überwältigen mit unserer treuen Liebe.
41
Ich denke immer, dir wird es wie der Hanna des Elkana ergehen.«
»So Gott will . . . und ich möchte auch jemandem begegnen, der
mir sagt: „Geh in Frieden! Der Gott Israels hat dir die Gnade ge-
währt, um die du ihn bittest!“«
»Wenn die Gnade kommt, wird dein Kind es dir sagen, wenn es
sich das erste Mal in deinem Schoße regt. Es wird die Stimme der
Unschuld sein, daher die Stimme Gottes.«
Jetzt schweigt das Lager in der Finsternis. Auch Anna bringt Al-
phäus in die Nachbarhütte zurück und legt ihn aufs Heu neben
die kleinen Brüder, die bereits schlafen. Dann legt sie sich neben
Joachim nieder, und auch ihr Lämpchen erlöscht. Eines der letzten
Sternchen der Erde. Viel schöner leuchten die Sterne am Firmament,
die über die Schlafenden wachen.
4 »Joachim hat sich mit der Weisheit Gottes vermählt, die
eingeschlossen war im Herzen der gerechten Frau«
Jesus sagt:
»Die Gerechten sind immer weise, denn sie sind Freunde Gottes,
leben in seiner Gemeinschaft und werden von ihm belehrt; von ihm,
der die unendliche Weisheit ist. Meine Großeltern waren gerecht
und besaßen daher die Weisheit. Sie konnten in Wahrheit sagen, wie
es im Buch steht, welches das Lob der Weisheit singt: „Ich habe sie
geliebt und gesucht von meiner frühesten Jugend an und habe be-
schlossen, sie mir zur Braut zu nehmen.“ [Weish 8,2]
Anna vom Stamm Aarons war die starke Frau, von der unser Vor-
fahr spricht [Spr 31,10–31], und Joachim vom Stamme des Königs
David hat nicht so sehr Anmut und Reichtum gesucht als vielmehr
die Tugend. Anna besaß eine große Tugend. Ja, alle Tugenden waren
in ihr vereint, wie ein duftender Blumenstrauß, um etwas einziges,
Schönes zu bilden: die Tugendhaftigkeit. Eine königliche Tugend,
würdig, vor dem Thron Gottes zu stehen.
42
Joachim hatte sich daher zweimal mit der Weisheit vermählt, „in-
dem er sie liebte mehr als jede andere“. Er hat sich mit der Weisheit
Gottes vermählt, die eingeschlossen war im Herzen der gerechten
Frau. Anna, die Tochter Aarons, hatte nichts anderes gewollt, als
ihr Leben mit einem gerechten Mann zu teilen, in der Überzeugung,
daß die Freude der Familie in der Rechtschaffenheit besteht. Und
um ein Sinnbild der „starken Frau“ zu sein, fehlte ihr nur die Krone
der Kinder, die der Ruhm der verheirateten Frau und die Rechtferti-
gung der Vermählung ist, von der Salomon spricht [Spr 17,6]. Auch
zu ihrem Glück fehlten ihr nur diese Kinder, die Blüten des Bau-
mes, der zu einem einzigen geworden ist mit seinem Nachbarbaum
und von ihm den Reichtum jener neuen Früchte empfangen hat, in
denen sich die Tugenden beider zu einer einzigen verbinden; denn
von seiten des Gatten mußte sie niemals eine Enttäuschung erleben.
Da sie nun alterte und seit vielen Jahren Joachims Gattin war, blieb
sie für ihn dennoch immer „die Braut seiner Jugend, seine Freude,
das geliebte Reh, die schlanke Gazelle“ [Spr 5,18–19], deren Liebko-
sungen jedes Mal den Zauber des ersten Vermählungsabends hatten
und voller Zärtlichkeit seine Liebe entzückten, indem sie ihn frisch
erhielten wie eine Blume, die der Tau benetzt, und glühend wie das
Feuer, das immer von neuen genährt wird. In ihrer Betrübnis ob der
Kinderlosigkeit richteten sie aneinander Worte des Trostes, in Ge-
danken und in den schweren Augenblicken. Die Stunde kam, und
die ewige Weisheit, die sie im Leben unterwiesen hatte, erleuchtete
sie nun in den nächtlichen Träumen. So erfuhren sie, daß der Mor-
genstern der Herrlichkeit aus ihnen hervorgehen sollte, nämlich die
Heilige Maria, meine Mutter.
Wenn sie auch in ihrer Demut nicht daran dachten, so zitterten
doch ihre hoffnungsvollen Herzen beim ersten Schall der göttlichen
Verheißung. Schon liegt Gewißheit in den Worten Joachims: „Hoffe,
hoffe . . . wir werden Gott besiegen durch unsere treue Liebe.“
Sie wünschten sich einen Sohn: sie erhielten die Mutter des Herrn.
Die Worte des Buches der Weisheit scheinen für sie geschrieben wor-
43
den zu sein: „Durch sie werde ich Ruhm ernten vor dem Volk . . .
durch sie werde ich Unsterblichkeit erlangen und hinterlassen ewi-
ges Gedenken meiner bei jenen, die nach mir kommen werden“
[Weish 8,13]. Um all das zu erlangen, mußten sie aber zu Königen
einer wahren und dauerhaften Tugend werden, die kein Ereignis
verletzen kann. Tugend des Glaubens, Tugend der Liebe, Tugend
der Hoffnung, Tugend der Keuschheit.
Die Keuschheit der Gatten! Sie besaßen sie, denn um keusch zu
sein, bedarf es nicht der Jungfernschaft. Auch das keusche Brautge-
mach hat seinen Schutzengel, der für eine gute Nachkommenschaft
sorgt, für die die Tugend der Eltern eine Richtlinie im Leben bildet.
Was ist aber aus ihr geworden? Heute wünscht man weder Kinder
noch Keuschheit. Daher sage ich, die Liebe und das Brautgemach
sind entweiht worden.«
5 Mit einem Lobgesang verkündete Anna ihre Mutterschaft
Ich sehe wieder das Haus von Joachim und Anna. Im Innern hat
sich nichts verändert, wenn man von den zahlreichen, blühenden
Zweigen absieht, die hier und dort Vasen füllen und sicherlich von
den Obstbäumen im Garten kommen, die jetzt alle in Blüte stehen:
eine Wolke, deren Farbe vom Weiß des Schnees ins Rot gewisser
Korallen übergeht.
Auch die Arbeit Annas ist nicht mehr die gleiche. An einem Web-
stuhl, der viel kleiner ist als der frühere, webt sie schöne Linnentü-
cher und singt im Rhythmus der Bewegung ihrer Füße einen Lob-
gesang. Sie singt und lächelt . . . Für wen? Für sich selbst, für etwas,
das sie in ihrem Innern sieht. Der Gesang ist langsam und doch freu-
dig. Ich habe ihn niedergeschrieben, stückweise, denn sie wiederholt
ihn mehrmals, als schöpfe sie daraus Seligkeit. Immer stärker und
sicherer wird ihr Gesang, wie der eines Menschen, der einen Rhyth-
mus in seinem Herzen gefunden hat und ihn erst nur leise vor sich
hersagt, dann aber mit zunehmender Sicherheit den Ton erhöht und
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schneller wird. Ich schreibe ihn nieder, denn er ist sehr lieblich in
seiner Schlichtheit.
»Ehre sei dem Vater, dem Allmächtigen, der von den Söh-
nen Davids Liebe erntet. Ehre sei dem Vater!
Hohe Gnade hat mich heimgesucht vom Himmel her.
Der alte Baum gibt einen neuen Sproß, der mich be-
glückt.
Am Fest der Lichter warf die Hoffnung ihren Samen:
nun sieht der Blütenduft des Nisans ihn keimen.
Wie der Mandelbaum erblüht mein Fleisch zur Frühlings-
zeit.
Es fühlt, daß seine Frucht erscheinen wird, zur Abend-
zeit.
Auf diesem Zweig blüht eine Rose, prangt einer der sü-
ßesten Äpfel;
ein Stern geht auf, hell leuchtet er am Himmel; ein junges,
unschuldiges Leben ist uns gegeben.
Die Freude des Hauses, des Gatten und der Gattin.
Lob sei dem Herrn, ja meinem Herrn, der Erbarmen mit
mir hatte!
Sein Licht hat mir verkündet: Ein Stern wird zu dir kom-
men.
Ehre, Ehre sei Dir! Dein wird die Frucht der Pflanze sein.
Die erste und letzte, heilige und reine, die ein Geschenk
des Herrn ist.
Dein soll sie sein, und durch sie wird Freude und Frieden
auf Erden kommen.
Webschiffchen, flieg! Der Faden soll zu Windeln fürs
Kindlein werden.
Es wird geboren werden! Gott preisend steige empor mei-
nes Herzens Jubel!«
Joachim tritt ein, während sie dabei ist, ihren Gesang zum dritten
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Mal zu wiederholen. »Bist du glücklich, Anna? Du bist wie ein Vög-
lein an einem Frühlingsmorgen. Welch ein Gesang mag das wohl
sein? Nie habe ich ihn von jemandem gehört. Woher kommt er uns?«
»Aus meinem Herzen, Joachim.« Anna hat sich erhoben und geht
ihrem Gatten voll lachender Freude entgegen. Sie sieht jünger und
schöner aus.
»Als Poetin habe ich dich noch nicht gekannt«, sagt ihr Gemahl
und schaut sie mit offensichtlicher Bewunderung an. Sie scheinen
nicht mehr ein bejahrtes Paar. In ihren Blicken liegt die Zartheit jun-
ger Verlobter.
»Ich kam aus dem Hintergrund des Gartens, da hörte ich dein
Singen. Seit Jahren hörte ich dich nicht mehr mit der Stimme der
verliebten Turteltaube singen. Willst du mir diesen Gesang noch ein-
mal wiederholen?«
»Ich würde ihn dir wiederholen, auch wenn du mich nicht dar-
um gebeten hättest. Die Kinder Israels haben stets dem Gesang den
wahrsten Ausruf ihrer Hoffnung, ihrer Freude und ihres Schmerzes
anvertraut. Auch ich will dir und mir mit dem Gesang eine große
Freude kundtun. Ja, auch mir selbst, denn die Sache ist so groß, daß
sie mir noch nicht wahr scheint, obwohl ich ihrer doch so sicher
bin . . . « Und sie beginnt aufs neue zu singen. Als sie die Stelle er-
reicht: »Auf diesem Zweig blüht eine Rose, prangt einer der süße-
sten Äpfel; ein Stern geht auf . . . « erfaßt ihre schöne Altstimme ein
Zittern; sie stockt, schaut Joachim mit einem Freudenschluchzer an
und ruft mit erhobenen Armen aus: »Ich bin Mutter!« Dann stürzt
sie an sein Herz, in die Arme, die er ihr entgegengestreckt hat und
mit denen er jetzt seine glückliche Gemahlin an sich drückt. Das
war die keuscheste und seligste Umarmung, die ich je gesehen habe.
Keusch und doch glühend in ihrer Keuschheit. Dazu der sanfte Vor-
wurf, der in das graue Haar von Anna gesprochen wird: »Und du
hast mir nichts davon gesagt!«
»Ja, ich wollte dessen gewiß sein . . . Alt wie ich bin . . . mich als
Mutter zu wissen . . . Ich konnte es nicht glauben . . . Und ich wollte
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dir nicht die bitterste aller Enttäuschungen bereiten. Schon seit En-
de Dezember fühle ich eine tiefe Veränderung in meinem Innersten,
weil, wie gesagt, ein neuer Zweig sich bildet. Aber nun bin ich der
Frucht auf diesem Zweig sicher . . . Siehst du, dieses Tuch ist schon
für den kommenden Sprößling.«
»Ist das nicht der Flachs, das du im Oktober in Jerusalem erwor-
ben hast?«
»Ja, und dieser Flachs habe ich gesponnen, während ich wartete . . .
und hoffte. Ich hoffte, denn als ich am letzten Tag im Tempel bete-
te, solange eine Frau im Haus Gottes verweilen darf, und es war ja
schon Abend . . . erinnerst du dich, daß ich da sagte: „Noch, noch
ein wenig!“? Ich konnte mich von jener Stätte nicht trennen, ohne
das Bewußtsein, Gnade erlangt zu haben! Und sieh da: Im Schat-
ten, der schon das Innere des heiligen Ortes erfüllte, den ich mit
der ganzen Anziehungskraft der Seele betrachtete, um von dem ge-
genwärtigen Gott eine Zusage zu erhalten, sah ich ein Licht, einen
Funken schönsten Lichtes. Es war weiß wie der Mond, hatte aber in
sich das Leuchten aller Perlen und Edelsteine, die es auf Erden gibt.
Es schien, als ob einer der kostbarsten Sterne des Vorhangs, einer der
Sterne unter den Füßen der Kerubim, sich loslöste und ein überna-
türliches Licht ausstrahlte . . . Es schien, als ob jenseits des heiligen
Vorhanges von der Herrlichkeit Gottes ein Feuer ausginge, auf mich
zueilte und beim Durchdringen der Luft mit himmlischer Stimme
sänge: „Das, worum du bittest, soll dir gegeben werden.“ Daher sin-
ge ich: „Ein Stern wird zu dir kommen.“ Welch ein Sohn wird der
unsrige sein, der uns als Sternenlicht im Tempel geoffenbart wird
und der am Fest der Lichter spricht: „Da bin ich.“ Mögest du rich-
tig gesehen haben, als du mich für eine neue Hanna Elkana hieltest
[1 Sam 1,9]. Wie werden wir unser Kind nennen, das ich lieblich wie
plätscherndes Wasser in meinem Schoß reden höre mit seinem klei-
nen Herzen, das schlägt und schlägt wie jenes eines Turteltäubchens
in der Höhlung der Hände?«
»Wenn es ein Knabe ist, so werden wir ihn Samuel nennen; ist
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es aber ein Mädchen, so geben wir ihm den Namen Stella (Stern).
Dieses Wort hat deinen Gesang beendet, als mir die Freude zuteil
wurde, mich Vater zu wissen; dies ist die Gestalt, die es angenom-
men hat, um sich im heiligen Schatten des Tempels zu offenbaren.«
»Stern, unser Stern, denn ich weiß nicht, aber ich denke, es wird
ein Mädchen sein. Es scheint mir, daß so sanfte Liebkosungen nur
von einem allerliebsten Töchterchen kommen können. Denn nicht
ich trage es; es bereitet mir keine Schmerzen. Sie ist es, die mich da-
hinträgt auf einem himmelblauen, blumenreichen Pfad, als ob ich ge-
tragen würde von heiligen Engeln und die Erde schon weit entfernt
wäre. Ich habe immer von den Frauen gehört, daß das Empfangen
und Schwangersein Schmerzen mit sich bringt. Aber ich fühle kei-
nen Schmerz. Ich fühle mich stark, jung und frisch, mehr als damals,
da ich dir in ferner Jugendzeit meine Jungfräulichkeit schenkte. Die
Tochter Gottes – denn von Gott kommt sie mehr als von uns, da sie
aus einem verdorrten Stamme sprießt – bereitet ihrer Mutter keine
Pein; nur Frieden und Segen bringt sie ihr: die Geschenke Gottes,
ihres wahren Vaters.«
»Dann werden wir sie Maria nennen, Stern unseres Meeres, Perle,
unser Glück. Es ist der Name der ersten Frau [Ex 15,20–21; Num
12,1–15]. Aber diese wird nie sündigen gegen den Herrn, und ihn
allein wird sie besingen, denn ihm ist sie geweiht: Opfer schon vor
der Geburt.«
»Ja, ihm sei es angeboten, ob Knabe oder Mädchen. Wenn wir uns
drei Jahre an unserem Kind erfreut haben, werden wir es dem Herrn
schenken. Auch wir wollen zusammen mit ihm eine Opfergabe sein,
zur Ehre Gottes.«
Weiteres sehe und höre ich nicht.
6 »Die Makellose war nie Gottes Gedenken bar«
Jesus spricht:
»Die Weisheit Gottes erleuchtete sie in den nächtlichen Träumen,
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stieg als „Hauch der Gotteskraft in sie herab, als Ausstrahlung der
Herrlichkeit des Allmächtigen“ [Weish 7,25], und wurde für die Un-
fruchtbare Wort. Der, der die Zeit der Erlösung herannahen sah, Ich,
Christus, der Enkel Annas, wirkte etwa fünfzig Jahre später durch
das Wort Wunder an den Unfruchtbaren, den Kranken, den Besesse-
nen, den Trostlosen und an allen Elenden der Erde.
Inzwischen aber flüsterte ich, in der Freude, eine Mutter zu haben,
geheimnisvolle Worte im Schatten des Tempels, der die Hoffnungen
Israels barg; des Tempels an der Grenze seines Daseins; denn der
neue und wahre Tempel, der nicht mehr die Hoffnungen eines Vol-
kes, sondern die ewige Gewißheit des Paradieses für das Volk der
ganzen Erde darstellt, sollte in Bälde errichtet werden. Und dieses
Wort wirkt das Wunder und macht fruchtbar, was unfruchtbar war;
es gibt mir eine Mutter, die nicht nur als Tochter zweier Heiliger ei-
ne vollkommene Natur hat, die nicht nur wie viele andere ein edles
Herz besitzt, die nicht nur durch ihren guten Willen beständig an
Güte zunimmt und nicht nur einen unbefleckten Körper hat, son-
dern auch als einzige unter den Geschöpfen eine unbefleckte Seele.
Du hast in deinem Leben viele aufeinanderfolgende Generationen
der Kinder Gottes gesehen. Nun erwäge, wie schön die Seele gewe-
sen sein muß, die der Vater mit Wohlgefallen anschaute, noch bevor
die Zeit begann; diese Seele, die die Freude der Allerheiligsten Drei-
faltigkeit war, die gleichsam darauf brannte, sie mit ihren Gaben
auszustatten, um sich selbst damit zu beschenken. O du vollkom-
men Heilige, die Gott für sich und das Heil der Welt erschuf! Du
Trägerin des Erlösers, du Anfang unseres Heiles! Lebendiges Para-
dies, du hast mit deinem Lächeln begonnen, die Erde zu heiligen.
O Seele, geschaffen, die Seele der Mutter Gottes zu sein! Als aus
einem lebendigeren Herzschlag der dreifaltigen Liebe dieser leben-
dige Funke entsprang, jubelten die Engel; denn helleres Licht hatte
das Paradies nie erblickt . . . Wie ein himmlisches Rosenblatt, ein
geistiges, kostbares Blütenblatt, das zugleich Perle und Flamme, das
der Hauch Gottes war, der herabstieg, ein Fleisch zu beleben, gar ver-
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schieden von den übrigen Menschen – wie ein mächtiges Feuer, das
keine Schuld aufkommen ließ, durcheilte er die Räume und schloß
sich ein in einen heiligen Schoß.
Die Erde besaß die Blume, wußte es aber noch nicht; die wahre,
einzige Blume, die in alle Ewigkeit blüht: Lilie und Rose, Veilchen
und Jasmin, Zyklame und Sonnenblume, alle irdische Blumenschön-
heit in sich schließend: Maria, in der alle Tugenden und Gnaden
sich vereinen. Im April glich Palästina einem großen Garten. Die
Düfte und Farben entzückten das Herz der Menschen. Aber noch
war die allerschönste Rose unbekannt. Schon blühte sie für Gott im
geheimen Mutterschoß, denn meine Mutter liebte vom Augenblick ihrer
Empfängnis an.1 Aber erst wenn die Weinrebe ihr Blut gibt, damit
daraus Wein werde, und der Duft des Mostes, süß und stark, die
Tenne und die Nasenflügel erfüllt, erst dann soll sie vor Gott und
den Menschen lächeln und mit ihrem unschuldigen Lächeln sagen:
„Seht die Rebe, die euch die Traube geben wird, die, gepreßt in der
Kelter, ewige Medizin gegen eure Übel sein wird – nun ist sie bei
euch.“
Ich habe gesagt: „Maria liebte, seit sie empfangen war.“ Was gibt
dem Geist Licht und Erkenntnis? Die Gnade. Und was nimmt die
Gnade hinweg? Die Erbsünde und die Todsünde.
Maria, die Makellose, entbehrte nie Gottes Gedenken, seine Nähe,
seine Liebe, seine Weisheit, sein Licht. Daher war sie schon fähig zu
verstehen und zu lieben, als sie noch ein Fleisch war, das sich um
eine unbefleckte Seele verdichtete, die beständig liebte.
Später werde ich dich im Geist die Tiefe der Jungfräulichkeit Ma-
rias schauen lassen. Es wird dir ein himmlisches Erschaudern verur-
sachen, wie damals, als ich dir unsere Ewigkeit zu betrachten gab.
Inzwischen erwäge, wie die Mutter, die in ihrem Schoß ein Geschöpf
trägt, das frei von allen von Gott trennenden Makeln ist, selbst wenn
sie nur natürlich, menschlich empfangen hat, eine höhere Erkenntnis
1Sie war voller Gnaden. Gnade aber ist Liebe, ist Weisheit, ist alles. Und da Maria
deren Fülle besaß, liebte sie von dem Augenblick an, da sie eine Seele hatte.
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erhält, die aus ihr eine Prophetin macht: Die Prophetin ihrer Tochter,
die sie „Tochter Gottes“ nennt.
Und dann bedenke, was geschehen wäre, wenn von den unschul-
digen Ureltern unschuldige Kinder geboren worden wären, wie Gott
es wollte! Das, ihr Menschen, die ihr euch zum „Übermenschen“ ent-
wickeln wollt, mit euren Lastern aber nur zum „Überdämon“ wer-
det, das wäre das Mittel gewesen, ein „Übermenschentum“ zu errei-
chen. Ihr wäret nicht vom Satan berührt worden und hättet Gott die
Gestaltung des Lebens, der Erkenntnis und des Guten überlassen,
ohne mehr zu verlangen, als Gott euch geben wollte (und es war um
weniges weniger als das Unendliche). Ihr hättet in einer beständi-
gen Entwicklung zum Vollkommenen Söhne gezeugt, die dem Leib
nach Menschen und dem Geist nach Söhne der Weisheit gewesen
wären, d. h. Sieger, Starke und Riesen gegenüber Satan, der zu Bo-
den geschmettert worden wäre Tausende von Jahrhunderten vor der
Stunde, in der es nun geschehen wird, und mit ihm all sein Böses.«
7 Geburt der Jungfrau Maria
Ich sehe Anna in den Blumen- und Gemüsegarten hinausgehen. Sie
stützt sich auf den Arm einer Verwandten, wie mir scheint; denn die
Frau sieht ihr sehr ähnlich. Sie ist hochschwanger und offenbar sehr
müde; vielleicht auch wegen der Schwüle, die sehr jener gleicht, die
mich umgibt.
Obwohl der Garten schattig ist, ist die Luft doch glühend heiß,
ja erdrückend. Eine Luft, die man zerschneiden könnte wie einen
weichen Teig, so dicht scheint sie zu sein unter dem erbarmungslos
blauen Himmel. Es muß schon seit längerer Zeit nicht mehr geregnet
haben, denn die Erde ist dort, wo sie nicht bewässert wird, buchstäb-
lich zu feinstem, fast weißem Staub geworden. Das Weiß neigt leicht
zu einem schmutzigen Rosa, während der Boden dort, wo er bewäs-
sert wird, dunkelbraun bis rot ist; so am Fuß der Bäume, längs der
kleinen Beete, auf denen reihenweise Gemüse wächst, und um die
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Rosenstöcke, den Jasmin und andere Blumen und Blümchen, die es
besonders vorne gibt und entlang der schönen Laube, die den Gemü-
segarten in zwei Teile teilt, bis zum Beginn der Felder, deren Hafer
schon geerntet worden ist. Auch das Gras am Rand des Besitztums
ist trocken und spärlich. Nur am äußersten Ende, dort wo sich eine
Hecke aus wildem Weißdorn befindet, der schon fast ganz der Rubi-
ne seiner kleinen Früchte beraubt ist, dort ist das Gras grüner und
dichter, und dort weiden, bewacht von einem Hirtenknaben, einige
Schafe auf der Suche nach Futter und Schatten.
Joachim macht sich an den Beeten und an den Olivenbäumen zu
schaffen. Er hat zwei Männer um sich, die ihm helfen. Wenn er auch
schon alt ist, so ist er dennoch flink und arbeitet mit Freude. Sie öff-
nen kleine Dämme an den Grenzen eines Feldes, um den durstigen
Bäumen Wasser zuzuleiten. Und das Wasser bahnt sich einen Weg,
plätschert zwischen Kräutern und trockener Erde dahin und breitet
sich in den Wendungen aus, die für einen Augenblick gelbes Kri-
stall zu sein scheinen, dann aber zu dunklen Rinnen feuchter Erde
werden, rings um die Rebstöcke und die schwerbeladenen Oliven-
bäume.
Langsam geht Anna durch die schattige Laube, unter der gold-
gelbe Bienen gierig nach dem Saft der blonden Beeren fliegen, auf
Joachim zu, der ihr, sobald er ihrer ansichtig wird, entgegeneilt.
»Bis hierher bist du gekommen?«
»Das Haus ist heiß wie ein Ofen.«
»Und du leidest darunter.«
»Das Leiden der letzten Stunden einer Schwangeren. Es ist das
Leiden aller: Menschen und Tiere. Erhitze dich nicht zu sehr, Joa-
chim!«
»Der so lange erwartete Regen, der seit drei Tagen schon nahe
scheint, ist noch nicht gekommen, und die Flur verbrennt. Es ist
gut für uns, daß die Quelle so nahe ist, und so reich an Wasser. Ich
habe die Kanäle geöffnet. Eine kleine Erleichterung für die Bäume
mit ihren welken und staubbedeckten Blättern; aber genug, um sie
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am Leben zu erhalten. Wenn es nur regnete! . . . « Joachim blickt mit
der Sorge des Landwirts forschend zum Himmel auf, während Anna
sich müde Luft zufächelt mit einem getrockneten Palmblatt, das von
vielfarbigen Fäden, die es steif halten, durchflochten ist.
Die Verwandte sagt: »Dort, jenseits des hohen Hermon steigen
schnell dahinziehende Wolken auf. Nordwind; er bringt Frische und
vielleicht etwas Regen.«
»Seit drei Tagen weht er so; aber dann läßt er beim Aufgehen des
Mondes wieder nach. So wird es auch heute sein«, sagt Joachim
entmutigt.
»Kehren wir ins Haus zurück. Auch hier kann man nicht at-
men . . . « sagt Anna, die aufgrund einer Blässe, die ihr Gesicht befal-
len hat, olivenfarbiger als gewöhnlich erscheint.
»Hast du Schmerzen?«
»Nein. Ich fühle den großen Frieden, den ich im Tempel empfun-
den habe, als ich Erhörung fand; ich habe ihn auch gefühlt, als ich
wußte, daß ich Mutter werde. Es ist wie eine Ekstase. Ein sanfter
Schlaf des Körpers, während der Geist aufjubelt und in einem Frie-
den schwelgt, für den es auf menschlicher Ebene keinen Vergleich
gibt. Ich habe dich lieb, Joachim, und als ich in dein Haus einzog
und mir sagte: „Ich bin die Braut eines Gerechten“, hatte ich ein Ge-
fühl des Friedens und ebenfalls, sooft deine tätige Liebe sich um dei-
ne Anna sorgte. Aber der jetzige Friede ist von anderer Art. Schau:
ich glaube, daß es ein Friede ist, wie der sich ölartig ausbreitende
und lindernde Friede, den der Geist Jakobs, unseres Vaters, nach sei-
nem Traumgesicht von den Engeln empfand [Gen 28,12]; oder besser
noch: er ähnelt dem freudigen Frieden der beiden Tobias, nachdem
Rafael sich ihnen geoffenbart hatte [Tob 12]. Je mehr ich mich in ihn
vertiefe und ihn genieße, um so mehr wächst er. Es ist, als erhöbe
ich mich in die blauen Räume des Himmels . . . Ich weiß nicht war-
um, aber seit ich in mir diese friedliche Freude habe, vernehme ich
einen Gesang in meinem Herzen: den des alten Tobias [Tob 13,1–13].
Mir ist, als sei er für diese Stunde geschrieben worden . . . für diese
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Freude . . . für das Land Israel, dem sie zuteil wird . . . für Jerusalem,
die Sünderin, der nun verziehen wird . . . aber . . . lächelt nur über
das irre Reden einer Mutter . . . aber wenn ich sage: „Danke dem
Herrn für seine Wohltaten und preise den Herrn, den Ewigen, da-
mit er in dir sein Zelt wieder erbaue!“, dann denke ich, daß der, der
in Jerusalem das Zelt des wahren Gottes wieder erbauen wird, das
Geschöpf ist, das bald geboren wird . . . Ich meine auch, daß nicht
so sehr von der heiligen Stadt als vielmehr von meinem Kind das
Schicksal vorausverkündet wird, wenn es im Lobgesang heißt: „Du
wirst in hellem Licht erstrahlen, alle Völker der Erde werden sich
vor dir niederwerfen, die Nationen werden zu dir kommen und dir
Geschenke bringen, sie werden in dir den Herrn anbeten und dein
Land heilig heißen; denn in dir werden sie den Großen Namen an-
rufen. Du wirst glücklich sein in deinen Söhnen, denn alle werden
gesegnet sein und sich um den Herrn versammeln. Selig, die dich
lieben und sich an deinem Frieden erfreuen! . . . “ Und die erste, die
sich freut, bin ich selbst, die selige Mutter . . . «
Anna entflammt sich bei diesen Worten und wechselt mehrmals
Farbe wie ein Wesen, das aus dem Mondlicht zu einem großen Feu-
er getragen wird und umgekehrt. Sanfte Tränen rollen ihr über die
Wangen herab; sie beachtet sie nicht in ihrer Freude. Inzwischen
kehrt sie zwischen dem Gemahl und ihrer Verwandten, die beide
bewegt schweigen und lauschen, zum Haus zurück.
Sie beeilen sich, denn die Wolken, die von einem starken Wind
getrieben werden, kommen rasch näher und breiten sich am Him-
mel aus, und die Ebene wird dunkel und erschaudert in der Ankün-
digung des Gewitters. Als sie an der Schwelle des Hauses ankom-
men, durchfurcht ein erster hellzuckender Blitz den Himmel, und
das Grollen des Donners ertönt wie das Schmettern einer riesigen
Pauke, das sich in das Trommeln der ersten Tropfen auf die dürren
Blätter mischt.
Alle treten ein, und Anna zieht sich zurück, während Joachim,
von seinen Helfern eingeholt, an der Türe über den so lange erwar-
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teten Regen zu sprechen beginnt, der ein wahrer Segen für das dur-
stige Land ist. Aber die Freude verwandelt sich in Furcht, denn es
kommt ein heftiges Unwetter mit Blitzen und hagelbeladenen Wol-
ken. »Wenn die Wolke platzt, werden die Weinstöcke und die Oli-
venbäume wie im Mörser zerstampft. Wir Ärmsten!«
Noch eine andere Angst befällt Joachim: für seine Gattin ist die
Stunde gekommen, da ihr Kind das Licht der Welt erblicken soll. Die
Verwandte versichert ihm, daß Anna tatsächlich nicht leidet. Aber
er bleibt unruhig, und jedes Mal, wenn die Verwandte oder ande-
re Frauen, unter denen sich auch die Mutter des Alphäus befindet,
aus der Kammer Annas herauskommen und mit warmem Wasser,
Decken und Linnen, die sie am hellflackernden Feuer der geräumi-
gen Küche erwärmt haben, dorthin zurückkehren, geht er hin und
erkundigt sich, läßt sich aber durch ihre Versicherungen nicht beru-
higen. Auch das Fehlen von Schmerzensschreien macht ihm Sorge.
Er sagt: »Ich bin ein Mann und habe nie eine Geburt gesehen; aber
ich erinnere mich gehört zu haben, daß das Fehlen von Geburtswe-
hen verhängnisvoll ist.«
Die Nacht bricht infolge des außergewöhnlich heftigen Gewitters
verfrüht herein. Wassergüsse, Winde, Blitze, alles stellt sich ein; doch
nicht der Hagel, der sich anderswo entladen hat.
Einer der Burschen weist auf die Heftigkeit des Gewitters hin und
bemerkt: »Es scheint, daß Satan mit all seinen Dämonen aus der
Hölle herausgekommen ist. Schau, welch schwarze Wolken! Riechst
du, welch ein Schwefelgeruch in der Luft liegt und hörst du das
Pfeifen und Zischen, die Klagestimmen und die Flüche? Wenn er es
ist, dann rast er heute abend ganz schön!«
Der andere Bursche lacht und sagt: »Es muß ihm eine große Beu-
te entgangen sein, oder Michael hat ihn mit einem neuen Blitz Got-
tes getroffen und ihm Hörner und Schwanz abgeschnitten und ver-
brannt.«
Eine Frau kommt und ruft: »Joachim, sie hat gerade geboren! Al-
les ging schnell und glücklich vonstatten!« Und sie verschwindet
wieder mit einem Krüglein in der Hand.
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Das Unwetter bricht in sich zusammen nach einem lauten und so
heftigen Blitzschlag, daß es die drei Männer gegen die Wand wirft
und an der Frontseite des Hauses im Boden des Gartens zur Erinne-
rung ein schwarzes, rauchendes Loch bleibt. Während im Zimmer
Annas ein Wimmern hörbar wird, das dem Klagen eines Turteltäub-
chens gleicht, das zum ersten Mal nicht mehr piepst, sondern gurrt,
breitet ein gewaltiger Regenbogen seinen Halbkreis über die ganze
Breite des Himmels aus. Er steigt auf oder scheint wenigstens aufzu-
steigen von der Höhe des Hermon aus, der, von einem Sonnenstrahl
geküßt, wie ein Alabasterblock in zartestem Rosaweiß leuchtet und
sich in den klaren Septemberhimmel erhebt. Dann durchzieht der
Farbenbogen die von aller Unreinheit gesäuberten Himmelsräume,
überfliegt die Hügel von Galiläa und die Ebene, die im Süden zwi-
schen zwei Feigenbäumen sichtbar wird, dann noch einen anderen
Berg und scheint sich am äußersten Horizont niederzulassen, dort,
wo eine graue Gebirgskette jede weitere Aussicht versperrt.
»Ein nie gesehenes Schauspiel!«
»Schaut, schaut!«
»Es scheint, als werde ganz Israel in einen Kreis zusammenge-
schlossen . . . und nun schaut! . . . da erscheint ein Stern, während
die Sonne noch nicht verschwunden ist. Welch ein Stern! Er leuchtet
wie ein gewaltiger Diamant! . . . «
»Und der Mond dort, ein Vollmond, obwohl noch drei Tage bis
dahin fehlen. Aber seht, wie er strahlt!«
Die Frauen kommen in festlicher Freude herbei, mit einem rosigen
Kindlein in weißem Linnen.
Es ist Maria, die Mutter! Eine ganz kleine Maria, so klein, daß sie
in den Armen eines Kindes schlafen könnte; eine Maria, nicht länger
als ein Vorderarm, das Köpfchen wie aus leicht rosa gefärbtem Elfen-
bein und die winzigen Lippen, die nun nicht mehr weinen, karmin-
rot; sie machen fast unmerkliche saugende Bewegungen, aber man
kann sich kaum vorstellen, daß sie an der Mutterbrust saugen wer-
den können. Das Näschen zwischen den beiden runden Bäckchen
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ist winzig, und wenn man es sachte berührt, dann öffnen sich die
Äuglein und lassen durch zwei unschuldige, blaue Pünktchen zwei
Stückchen Himmel sehen. Die Äuglein unter den blonden Wimpern
schauen, ohne zu sehen. Auf dem runden Köpfchen bilden rötlich-
blonde Härchen einen zarten Flaum, der die Farbe eines gewissen,
beinahe weißen Honigs hat. Die durchsichtigen Öhrchen gleichen
zwei rosafarbenen Müschelchen. Und die Händchen, was sind das
für winzige Dinge, die sich in die Luft heben und dann nach dem
kleinen Mund greifen! Geschlossen, wie sie jetzt sind, gleichen sie
zwei Knospen, die das Grün des Kelches abgestreift haben und am
Aufbrechen sind . . . und nun, geöffnet . . . gleichen sie zwei Kameen
aus rötlich angehauchtem Elfenbein. Die kleinen Händchen aus ro-
saschimmerndem Alabaster, mit fünf bleichen Granatplättchen als
Fingernägel . . . wie können solche Händchen ein Meer von Tränen
trocknen?
Und sieh, nun ist sie wieder in den Windeln und auf den Armen
des irdischen Vaters, dem sie ähnelt. Eigentlich noch nicht. Vorerst
ist sie nur der Entwurf eines Menschenkindes. Ich meine, daß sie
ihm als Frau gleichen wird. Von der Mutter hat sie nichts. Vom Va-
ter die Farbe der Haut und der Augen und sicher auch der Haare;
denn wenn diese jetzt auch weiß sind, in der Jugend waren sie si-
cherlich blond, wie die Augenbrauen es bezeugen. Vom Vater hat
sie auch die Gesichtsform, die aber feiner ausgearbeitet ist, da sie
Frau und erhabene Frau ist; außerdem das Lächeln und den Blick,
die Art und Weise, sich zu bewegen, und die Statur. Wenn ich an
Jesus denke, wie ich ihn sehe, finde ich, daß Anna ihrem Enkelkind
die Statur gegeben hat und die mehr elfenbeinartige Farbe der Haut.
Maria besitzt nicht die imponierende Gestalt Annas, dieser hohen,
geschmeidigen Palme, wohl aber die Anmut des Vaters.
Die Frauen sprechen noch vom Gewitter und von dem Wunder
des Mondes, des Sternes, des ungeheuren Regenbogens, während
sie mit Joachim hineingehen zur glücklichen Mutter und ihr das
Kindlein wiederbringen.
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Anna lächelt in Gedanken und spricht: »Sie ist der Stern. Ihr Zei-
chen ist am Himmel erschienen. Maria, der Regenbogen des Frie-
dens! Maria, mein Stern, Maria, strahlender Mond! Maria, unsere
Perle!«
»Maria nennst du sie?«
»Ja, Maria, Stern und Perle, Licht und Frieden . . . «
»Aber dieser Name bedeutet auch Bitterkeit . . . Fürchtest du nicht,
daß er ihr Unheil bringen könnte?«
»Gott ist mit ihr. Sie gehörte ihm, schon bevor sie lebte. Er wird
sie führen auf ihren Wegen, und jede Bitterkeit wird sich in para-
diesische Süße verwandeln. Jetzt gehöre deiner Mutter . . . noch ein
wenig, bevor du ganz Gottes sein wirst . . . !«
Die Vision endet mit dem ersten Schlaf der Mutter Anna zusam-
men mit ihrem Kind Maria.
8 »Ihre Seele erscheint schön und unbefleckt, wie der Vater
sie ersann!«
Jesus spricht:
»Steh auf und beeile dich, kleine Freundin! Ich habe ein brennen-
des Verlangen, dich mit mir in das paradiesische Blau der Betrach-
tung der Jungfräulichkeit Marias zu führen. Du wirst daraus hervor-
gehen mit frischer Seele, als wärest du soeben vom Vater erschaffen
worden; eine kleine Eva, die das Fleisch noch nicht kennt. Du wirst
daraus hervorgehen mit einem Geist voller Licht und betrachtend
dich versenken in das Meisterwerk Gottes. Du wirst daraus hervor-
gehen mit deinem ganzen Sein, überfließend von Liebe: denn du
wirst begreifen, wie groß die Liebe Gottes ist. Von der Empfängnis
Marias, der Makellosen, sprechen will heißen: untertauchen im Him-
melsblau, im Licht, in der Liebe. Komm und lies ihre Herrlichkeiten
im Buch des Vorfahren!
„Der Herr schuf mich, seines Waltens Erstling, als Anfang seiner
Werke, vorlängst. Von Ewigkeit her bin ich gebildet, von Anbeginn,
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vor dem Ursprung der Welt. Noch ehe die Meere waren, ward ich
geboren, noch vor den Quellen, reich an Wasser. Bevor die Berge ein-
gesenkt wurden, vor den Hügeln ward ich geboren, ehe er die Erde
gemacht und die Fluren und die ersten Schollen des Erdreichs. Als
er den Himmel baute, war ich dabei, als er das Gewölbe absteckte
über der Urflut, als er die Wolken droben befestigte und die Quel-
len der Urflut stark machte, als er dem Meer seine Schranke setzte,
daß die Wasser seinem Befehle gehorchten, als er die Grundfesten
der Erde legte, da war ich als Liebling ihm zur Seite, war lauter
Entzücken Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit, spielte auf sei-
nem Erdenrund und hatte mein Ergötzen an den Menschenkindern.“
[Spr 8,22–31]
Ihr habt diese Worte auf die Weisheit bezogen, aber sie sprechen
von ihr: der schönen Mutter, der heiligen Mutter, der jungfräulichen
Mutter der Weisheit, die ich bin, der ich mit dir rede. Ich wollte, daß
du den ersten Vers dieses Hymnus, der von ihr spricht, an den An-
fang des Buches setztest, damit man erkennt und anerkennt, daß sie
der Trost und der Ruhm Gottes, die Ursache der beständigen, voll-
kommenen und innigen Freude dieses Dreieinigen Gottes ist, der
euch regiert und liebt und dem der Mensch so viel Anlaß zur Trau-
rigkeit gibt; sie ist der Grund, weshalb er das Menschengeschlecht
weiter bestehen ließ, damals, als es nach der ersten Prüfung verdien-
te, vernichtet zu werden; sie ist der Grund der Vergebung, die ihr
erhalten habt.
Maria haben, um von ihr geliebt zu werden! Oh, es lohnte sich,
den Menschen zu erschaffen, ihn leben zu lassen und ihm zu verzei-
hen, um die schöne Jungfrau, die heilige Jungfrau, die unbefleckte
Jungfrau, die von der Liebe erfüllte Jungfrau, die geliebte Tochter,
die reinste Mutter, die zärtliche Braut zu besitzen! So viel hat Gott
und noch viel mehr hätte er euch gegeben, nur um das Geschöpf sei-
nes Entzückens, die Sonne seiner Sonne, die Blume seines Gartens
zu besitzen. Und immer wieder fährt er fort, euch ihretwegen zu be-
schenken, auf ihre Bitten hin, zu ihrer Freude, weil ihre Freude sich
59
vereinigt mit der Freude Gottes und sie erhöht mit dem funkelnden
Glanz, der das große Licht des Paradieses erfüllt; und jedes Funkeln
ist ein Geschenk an das Universum, an das Menschengeschlecht, ja
an die Seligen selbst, die mit einem jauchzenden Halleluja auf jedes
göttliche Wunder antworten, das gewirkt wird durch den Wunsch
des Dreieinigen Gottes, das strahlende Lächeln der Jungfrau zu se-
hen!
Gott wollte dem Universum, das er aus dem Nichts erschaffen hat-
te, einen König geben; einen König, der das oberste Wesen sein sollte
unter allen aus der Materie erschaffenen und selbst materiellen We-
sen; einen König, der etwas weniger als göttlich sein sollte in seiner
geistigen Natur, vereinigt in seiner Unschuld mit der Gnade wie am
ersten Tag. Doch der höchste Geist, der alles, was in den fernsten
Zeiten geschieht, kennt; der unmittelbar alles weiß, was war, was ist
und was sein wird; der, während er das Vergangene betrachtet und
die Gegenwart beobachtet, seinen Blick auch auf die fernste Zukunft
richtet; der weiß, welchen Todes der letzte Mensch sterben wird –
und das alles ohne Verwirrung und Unterbrechung – dieser höchste
Geist wußte stets, daß der von ihm vorhergesehene und erschaffene
König, der zu seiner Seite im Himmel halb-göttlich sein sollte, Erbe
des Vaters, der nach der Kindheit seines irdischen Aufenthaltes als
Erwachsener in sein Reich kommen sollte – der höchste Geist wuß-
te stets und sah voraus, daß dieses Geschöpf gegen sich selbst das
Verbrechen, die Gnade in sich zu töten und sich des Himmels zu
berauben, begehen würde.
Warum hat er ihn dennoch erschaffen? Gewiß stellen sich viele
diese Frage. Hättet ihr es vorgezogen, nicht zu sein? Verdient dieser
Erdentag es nicht, obwohl er arm und bloß und rauh geworden ist
infolge eurer Bosheit, gelebt zu werden, um das von Gotteshand
ins Universum gestreute unendliche Schöne kennenzulernen und
zu bewundern?
Für wen hätte er die Sterne und Planeten erschaffen, die wie Blitze
und Pfeile vorüberzucken und das Gewölbe des Firmaments durch-
60
furchen; die langsam zu sein scheinen und doch schneller als die
schnellsten Geschosse ihre Bahnen ziehen; die euch Licht und die
Jahreszeiten schenken; die euch beständig, unveränderlich und doch
stets ihre Lage verändernd, neue Seiten im Himmelsblau zu lesen
geben, jeden Abend, jeden Monat, jedes Jahr? Als wollten sie euch
sagen: „Vergeßt eure Beschränktheit, laßt alle eure geschriebenen
Werke beiseite, die angefüllt sind mit dunklen, faulenden, schmutzi-
gen, giftigen, lügenhaften, gotteslästerlichen, verdorbenen Dingen!
Erhebt euch wenigstens mit dem Blick in die unbegrenzte Freiheit
der Firmamente! Laßt eure Seele himmelblau werden im Betrach-
ten dieser Herrlichkeit! Schafft euch einen Vorrat an Licht, um eure
Finsternis zu erhellen! Lest das Wort, das wir beim Gesang unse-
res Sternenchors ins Firmament schreiben! Es ist harmonischer als
jedes Orgelstück in den Kathedralen: das Wort, das wir leuchtend ge-
schrieben haben: das Wort, das wir voller Liebe geschrieben haben;
denn immer ist uns jener gegenwärtig, der uns die Freude des Seins
schenkte, und wir danken ihm, uns das Dasein geschenkt zu haben,
das Licht, das Leben, das Frei-Sein und das Schön-Sein inmitten der
erquickenden Bläue, über die hinaus wir noch ein erhabeneres Blau
sehen: das Paradies, und erfüllen den zweiten Teil seines Liebesge-
botes, indem wir euch, unseren Nächsten im Universum, lieben; wir
lieben euch und geben euch darum Führung und Licht, Wärme und
Schönheit. Vernehmt das Wort, das wir euch sagen und dem gemäß
wir unsere Melodie, unser Strahlen und unsere Freude ausrichten:
Gott!“
Für wen sonst hätte Gott das flüssige Blau gemacht, in dem sich
der Himmel spiegelt, auf dem ihr dahinfahrt, in dem das Wasser
lächelt und die Wellen sprechen? Alles Worte, die mit dem Rauschen
der Seide, mit dem heiteren Lachen der Kinder, mit dem Seufzen
der Alten und den Schlägen, den Stößen, dem Brüllen und dem
Donnern der Gewalt immer wieder reden und sagen: „Gott“. Das
Meer wurde für euch erschaffen, ebenso wie der Himmel und die
Sterne. Und mit dem Meer die Seen, die Flüsse, die Teiche, die Bäche
61
und die reinen Quellen, die alle dazu dienen, euch zu tragen, euch
zu nähren, euren Durst zu stillen und euch zu reinigen. Sie dienen
euch, indem sie dem Schöpfer dienen, ohne über die Ufer zu treten
und euch zu überfluten, wie ihr es verdientet.
Für wen sonst hätte er die unzähligen Familien der Tiere geschaf-
fen, die wie singende Blumen fliegen (Vögel), die als eure Knechte
laufen, arbeiten, euch nähren und euch erfreuen: euch, ihre Könige?
Für wen sonst hätte er all die zahllosen Familien der Bäume und
Pflanzen erschaffen und die Blumen, die aussehen wie Schmetterlin-
ge, Edelsteine und regungslose Vöglein; die Familien der Früchte,
die wie Juwelen oder Perlenschreine sind, die euch als Teppiche für
eure Füße, zum Schutz eurer Häupter, zur Zerstreuung, zur Freu-
de für euren Geist, eure Glieder, eure Augen und die andren Sinne
dienen?
Für wen anders hätte er die Mineralien in der Erde gemacht und
die Salze aufgelöst in eiskalten oder heißkochenden Quellen: Schwe-
fel, Jod und Brom, als für einen, der sich daran ergötze, der nicht
Gott, aber Kind Gottes ist: für den Menschen.
Zu seiner Freude benötigte Gott sie nicht; er hat keine Bedürfnis-
se. Er genügt sich selbst. Er braucht sich nur zu betrachten, um sich
zu ergötzen und zu ernähren, um zu leben und zu ruhen. Die gan-
ze Schöpfung hat die Unendlichkeit seiner Freude, seiner Schönheit,
seines Lebens und seiner Macht nicht im geringsten erhöht. Viel-
mehr hat er alles für sein Geschöpf gemacht, das er zum König über
das von ihm geschaffene Werk setzen wollte: den Menschen.
Es lohnt sich zu leben, um dieses großartige Werk Gottes zu schau-
en und ihm zu danken für seine Machtentfaltung. Ihr müßt ihm
dankbar sein dafür, daß ihr lebt. Und ihr hättet es sein müssen, auch
wenn er euch erst am Ende der Welt erlöst hätte; denn, obwohl eure
Vorfahren die Gebote nicht befolgt haben und hochmütig, genuß-
süchtig und Mörder gewesen sind und auch ihr ebenso lebt, gestat-
tet euch Gott immer noch, euch an dem Guten und dem Schönen
im Universum zu erfreuen. Er behandelt euch, als ob ihr gute Men-
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schen und gute Söhne wäret, denen alles gezeigt und zugestanden
wird, um ihr Leben angenehmer und gesünder zu gestalten. Was ihr
wißt, wißt ihr durch Gottes Licht. Was ihr entdeckt, entdeckt ihr auf
einen Hinweis Gottes, soweit es gut ist. Die anderen Erkenntnisse
und Erfindungen, die das Zeichen des Bösen tragen, kommen vom
höchsten Bösen, vom Satan.
Der höchste Geist, dem nichts unbekannt bleibt, wußte schon vor
der Erschaffung des Menschen, daß dieser aus eigenem Willen Dieb
und Mörder geworden wäre. Da aber die ewige Güte Gottes ohne
Grenzen ist, dachte Gott, noch bevor die Sünde begangen wurde, an
ein Mittel, um die Schuld wiedergutzumachen. Das Mittel bin Ich,
das Wort. Das Werkzeug, um aus dem Mittel ein wirksames In-
strument zu machen, war Maria. Die Jungfrau wurde im erhabenen
Gedanken Gottes geschaffen. Alle Dinge sind geschaffen worden für
mich, den geliebten Sohn des Vaters.
Als König hätte ich unter meinen Füßen Teppiche und Kleinodi-
en haben müssen, wie kein Königspalast sie je gehabt hat; Lieder
und Stimmen, Knechte und Diener hätten mich umgeben müssen,
wie keinen Herrscher je zuvor, und Blumen und Perlen und alles
Erhabene, Großartige und Liebliche, das aus dem Gedanken Gottes
entspringen kann. Aber ich sollte auch Fleisch sein, nicht nur Geist:
Fleisch, um das Fleisch zu erlösen; Fleisch, um das Fleisch zu ver-
edeln; um es in den Himmel zu tragen, viele Jahrhunderte vor der
Zeit. Das vom Geist bewohnte Fleisch ist das Meisterwerk Gottes,
und für dieses ist der Himmel erschaffen worden.
Um Fleisch zu werden, bedurfte ich einer Mutter. Um Gott zu sein,
mußte mein Vater Gott sein. Und sieh da, Gott schuf sich eine Braut
und sagte zu ihr: „Folge mir! An meiner Seite wirst du sehen, was
ich für unseren Sohn tue. Schau und juble, ewige Jungfrau, ewige
Tochter. Dein Lachen erfülle dieses Reich, gebe den Engeln den Ton
an und lehre das Paradies die himmlische Harmonie! Ich schaue auf
dich. Ich sehe dich schon, wie du sein wirst, o unbefleckte Frau, die
du jetzt nur Geist bist: Gedanke, an dem ich mein Wohlgefallen fin-
63
de. Ich schaue auf dich und gebe das Blau deiner Augen dem Meer
und dem Firmament; die Farbe deiner Haare dem heiligen Korn; das
reine Weiß und das Rosa, die Farben deiner seidenen Haut, der Lilie
und der Rose; als Vorbild für die Perlen nehme ich deine feingear-
beiteten Zähne; die süßen Erdbeeren bilde ich mit einem Blick auf
deinen Mund; den Nachtigallen lege ich deine Stimme in die Kehle
und den Turteltauben dein Klagen. Und indem ich deine künftigen
Gedanken lese und das Klopfen deines Herzens höre, habe ich ein
Leitmotiv für meine Schöpfung. Komm, meine Freude, bewohne die
Welten zum Zeitvertreib, solange du noch tanzendes Licht meines
Gedankens bist. Die Welten sind da für dein Lachen. Bewohne die
Kränze der Sterne und die Ketten der Gestirne. Lege dir den Mond
unter deine edlen Füße und umgürte dich mit dem Sternengurt der
Milchstraße! Für dich sind die Sterne und Planeten erschaffen wor-
den. Komm und erfreue dich an den Blumen, die deinem Kind zum
Spielzeug und dem Sohn deines Schoßes zum Kissen dienen wer-
den! Komm und schau, wie ich die Lämmer bilde, die Adler und
die Tauben! Sei mir nahe, während ich die Schalen der Meere und
die Betten der Flüsse erschaffe, die Berge erhebe und sie bemale
mit Schnee und Wäldern; während ich das Getreide säe und die
Bäume und den Weinstock bilde: die Olivenbäume für dich, meine
Friedensträgerin, und den Weinstock für dich, meine Rebe, die die
eucharistische Traube tragen wird.
Eile, fliege, juble, meine Schöne, und lehre die ganze Welt, die von
Stunde zu Stunde erschaffen wird, mich zu lieben, du Liebevolle;
die Welt soll schöner werden durch dein Lächeln, o Mutter meines
Sohnes, du Königin meines Paradieses, du Liebe deines Gottes!“
Und während ich den Irrtum sehe und zugleich die Makellose vor
Augen habe, rufe ich aus: „Komm zu mir, die du die Bitterkeit des
menschlichen Ungehorsams, der menschlichen Unzucht mit Satan
und der menschlichen Undankbarkeit auslöschest, mit dir werde ich
Vergeltung üben an Satan.“
Gott, der Vater und Schöpfer, hatte Mann und Frau mit einem
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so vollkommenen Gesetz der Liebe erschaffen, daß ihr diese Vollkom-
menheit nicht einmal mehr verstehen könnt. Und ihr denkt ohne
Erfolg darüber nach, was wohl mit dem Menschengeschlecht gesche-
hen wäre, wenn der Mensch nicht die Lehren Satans angenommen
hätte.
Schaut auf die Frucht- und Samenpflanzen! Erhalten sie Samen
und Frucht durch Unzucht, durch eine Befruchtung unter hundert
Vereinigungen? Nein! Von der männlichen Blüte geht der Blüten-
staub aus und geführt von einem Komplex meteoritischer und ma-
gnetischer Gesetze gelangt er zum Fruchtknoten der weiblichen Blü-
te. Dieser öffnet sich, nimmt ihn auf und bringt Frucht. Die weibliche
Blüte beschmutzt sich nicht und weist ihn nicht ab, wie ihr es nur
tut, um tags darauf wiederum dasselbe Lustgefühl kosten zu kön-
nen. Sie trägt Frucht; und bis zum nächsten Jahr bringt sie keine
Blüte hervor, und wenn sie dann blüht, ist es wieder, um Frucht zu
tragen.
Betrachtet die Tiere, alle! Habt ihr je ein männliches Tier gesehen,
das sich zum weiblichen begibt steriler Umarmung wegen und zu
lasterhaftem Verkehr? Nein. Von nah und fern, fliegend und krie-
chend, springend und laufend, gehen sie, wenn es Zeit ist, zum
Befruchtungsritus und entziehen sich ihm nicht, indem sie nur die
Befriedigung ihrer Lust suchen; sie übernehmen ohne weiteres die
ernste und heilige Verantwortung für die Nachkommenschaft. Die-
sen alleinigen Zweck muß der Mensch, der Gott ähnlich ist aufgrund
des göttlichen Ursprungs einer Gnade, die ich ihm voll und gänzlich
geschenkt habe, annehmen in der Ausübung des notwendigen ani-
malischen Aktes, seit ihr um einen Grad in Richtung des Tierreiches
herabgesunken seid.
Ihr handelt nicht wie die Pflanzen und die Tiere. Ihr habt Satan
zum Lehrmeister gehabt. Ihr habt ihn zum Lehrmeister gewollt und wollt
ihn immer noch. Und die Werke, die ihr vollführt, sind des Meisters
würdig, den ihr gewollt habt. Aber wenn ihr Gott treu geblieben wä-
ret, hättet ihr den Kindersegen in heiliger Weise erlebt, ohne Schmer-
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zen und ohne euch in unanständigen, unwürdigen Vereinigungen
zu entkräften, die selbst den Tieren unbekannt sind; den Tieren oh-
ne vernünftige und geistige Seele.
Dem von Satan verdorbenen Paar wollte Gott den Menschen ge-
genüberstellen, geboren von einer von Gott über alles erhobenen
Frau. Sie gebar, ohne einen Mann gekannt zu haben: Blume, die die
Blume gebiert, ohne der natürlichen Befruchtung zu bedürfen, ein-
zig durch den Kuß der Sonne auf den unangetasteten Kelch der Lilie:
Maria.
Die Vergeltung Gottes!
Mache nur, Satan, deinem Haß Luft, während sie geboren wird!
Dieses Kind hat dich besiegt! Noch bevor du zum Rebellen wur-
dest, zum Schleicher, zum Verderber, warst du schon besiegt, und
sie ist deine Besiegerin! Tausend zur Schlacht gerüstete Heere ver-
mögen nichts gegen deine Macht. Die Waffen der Menschen vermö-
gen nichts gegen deinen Panzer, o ewiger Verführer, und es gibt kei-
nen Wind, der den Gestank deines Atems wegwehen könnte. Und
dennoch: Diese Kindesferse, die rosig ist wie das Innere einer röt-
lichen Kamelie; die glatt und weich ist, daß die Seide rauh ist im
Vergleich zu ihr; die so klein ist, daß sie in den Kelch einer Tulpe
paßt und sich daraus Schühlein machen könnte; sieh, sie nähert sich
dir ohne Furcht und sie wird dich in deine Höhle jagen. Ihr Klagen
schlägt dich in die Flucht, dich, der du die Heere nicht fürchtest,
und ihr Atem reinigt die Welt von deinem Gestank. Du bist besiegt!
Ihr Name, ihr Blick, ihre Reinheit sind Lanze, Blitz und Stein, die
dich durchbohren, die dich niederschmettern, die dich einschließen
in dein Höllenloch, o Verfluchter, der du Gott die Freude genommen
hast, Vater aller erschaffenen Menschen zu sein!
Nun aber hast du sie vergebens verdorben, sie, die unschuldig
erschaffen worden sind. Du hast sie verführt zur Vereinigung und
Empfängnis auf den Irrwegen der Fleischeslust; du hast Gott daran
gehindert, seinem geliebten Geschöpf der Spender von Kindern zu
sein nach Regeln, die, wenn sie beachtet worden wären, auf Erden
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ein Gleichgewicht erhalten hätten unter den Geschlechtern und den
Rassen, wodurch Kriege unter den Völkern und Zwietracht in den
Familien vermieden worden wären.
Wenn sie gehorcht hätten, hätten sie die Liebe kennengelernt. Viel-
mehr: nur im Gehorsam hätten sie die wahre Liebe verstanden und
erhalten: den vollen und ruhigen Besitz dieses Ausflusses Gottes, der
vom Übernatürlichen herabkommt zum Niedrigeren, damit auch
das Fleisch darob heilig jubiliere; das Fleisch, das dem Geist ver-
bunden ist und von demselben geschaffen wurde, der dem Fleisch
eine Seele gegeben hat.
Eure Liebe, o Menschen, was ist sie jetzt? Entweder Sinnenlust,
bemäntelt mit Liebe, oder unheilbare Furcht, die Liebe des Gatten
zu verlieren durch eigene oder anderer Menschen Unzucht. Seit die
Sinnenlust in der Welt herrscht, seid ihr nie sicher, das Herz des Ge-
mahls oder der Gemahlin zu besitzen. Ihr zittert, weint und werdet
wahnsinnig vor Eifersucht; manchmal Mörder, um einen Verrat zu
rächen; verzweifelt bisweilen, werdet willenlos in gewissen Fällen
und wahnsinnig in anderen.
Das hast du, Satan, den Kindern Gottes angetan. Die, welche du
ins Verderben gestürzt hast, hätten die Freude erlebt, Kinder ohne
Schmerzen zu gebären, und die Freude, geboren zu werden ohne
die Angst, sterben zu müssen. Jetzt bist du, Satan, durch eine Frau
und in einer Frau besiegt. Von nun an wird jeder, der Sie liebt, zu
Gott zurückfinden; er wird jeder deiner Versuchungen widerstehen
und die volle Reinheit bewahren können. Von jetzt an werden die
Mütter, die nicht ohne Schmerzen gebären können, Sie zur Helferin
haben. Von jetzt an werden die Eheleute Sie als Führerin und die
Sterbenden Sie als Mütter haben; denn der Tod wird süß in ihren
Armen, die Schutz und Schild gegen dich, den Verfluchten, sind. Sie
ist aber auch die Fürbitterin beim Gericht Gottes.
Maria Valtorta, du kleine Stimme, du hast die Geburt des Sohnes
der Jungfrau und den Eingang seiner Mutter in den Himmel gese-
hen. Du hast gesehen, daß den Schuldlosen weder Geburtswehen
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noch Todesschmerzen bekannt sind. Und so, wie der unbefleckten
Mutter Gottes die himmlischen Gaben vorbehalten waren, so wären
allen, wenn sie wie die ersten Kinder Gottes unschuldig geblieben
wären, Geburtswehen und Todesangst erspart geblieben.
Der erhabene Sieg Gottes über Satans Rache bestand darin, die
Vollkommenheit des erwählten Geschöpfes so zu steigern, daß we-
nigstens in Einer der Hauch jener menschlichen Schwäche, die dem
Gift des Satans Einlaß verschafft, nichtig wurde; und somit sollte
der Sohn nicht aus einer menschlichen Vereinigung, sondern aus der
göttlichen Umarmung, die den Geist im Feuer der Ekstase verzückt,
hervorgehen.
Die Jungfräulichkeit der Jungfrau! . . .
Komm und erwäge diese tiefe Jungfräulichkeit, bei deren Betrach-
tung sich schwindelerregende Abgründe eröffnen! Was ist die arme,
erzwungene Jungfräulichkeit einer Frau, die von keinem Mann be-
gehrt wurde? Weniger als nichts! Was ist die Jungfräulichkeit einer
Frau, die um Gottes Willen ehelos bleibt, dies aber nur dem Leib und
nicht dem Geist nach? Sie läßt viele zügellose, unreine Gedanken in
ihren Geist eintreten, spielt mit diesen und läßt sich von mensch-
lichen Vorstellungen liebkosen! Das ist nur ein Larvenstadium der
Jungfräulichkeit. Was ist die Jungfräulichkeit einer Gottgeweihten,
die nur für Gott lebt? Viel, doch ist sie nie so vollkommen wie die
meiner Mutter!
Eine Bindung ist immer vorhanden gewesen, selbst beim Heilig-
sten: jene zwischen Geist und Schuld; jene, die nur die Taufe zu lö-
sen vermag. Sie löst sie; doch wie eine Frau, die durch den Tod von
ihrem Mann getrennt wird, nicht die ganze Jungfräulichkeit wieder-
findet, so gibt die Taufe nicht diese vollkommene Jungfräulichkeit
zurück, die unseren Stammeltern vor der Sünde zu eigen war. Eine
Narbe bleibt und schmerzt und bringt das Frühere in Erinnerung,
und die einstige Wunde ist stets bereit, wieder aufzubrechen, wie
gewisse Krankheiten periodisch durch ihre Viren neu entfacht wer-
den. Die Jungfrau Maria hat diese Narbe einer aufgelösten Bindung
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mit der Schuld nicht. Ihre Seele erscheint schön und unberührt wie
damals, als der Vater sie erdachte und in ihr alle Gnaden vereinigte.
Sie ist die Jungfrau. Sie ist die Einzige. Sie ist die Vollkommene. Sie
ist, wie sie erdacht wurde. So wurde sie geboren. So ist sie geblieben.
So wurde sie gekrönt. So ist sie in Ewigkeit.
Sie ist die Jungfrau. Sie ist ein Abgrund der Unberührtheit, der
Reinheit, der Gnade, der sich verliert im Abgrund, aus dem sie
stammt: Gott. Unberührtheit, Reinheit, vollkommenste Gnade. Sieh,
so rächt sich Gott, der Dreieinige. Gegen alle entheiligten Geschöp-
fe erhebt er diesen Stern der Vollkommenheit. Gegen die ungesun-
de Neugierde erhebt er diese heilige Scheu, die allein in der Liebe
Gottes Befriedigung findet. Dem Wissen um das Böse stellt er die-
se erhabene Unwissende gegenüber. In ihr ist nicht nur Unkenntnis
der niedrigen Liebe, nicht nur Unkenntnis der Liebe, die Gott den
verehelichten Menschen gab, sondern noch mehr. In ihr ist Unkennt-
nis der bösen Neigungen, die Erbschaft der Sünde sind. In ihr ist
gleichzeitig Kühle, Weisheit und weißglühende Gottesliebe. Ein Feu-
er, welches das Fleisch mit Eis panzert, damit es der durchsichtige
Spiegel sei am Altar, wo Gott sich mit einer Jungfrau vermählt und
sich dennoch nicht erniedrigt; denn seine Vollkommenheit umarmt
jene, die, wie es einer Braut geziemt, nur in einem Punkt niedriger
ist als der Bräutigam: Sie ist Ihm unterworfen als Frau, aber ohne
Makel wie Er.«
9 »In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie«
Ich sehe Joachim und Anna zusammen mit Zacharias und Elisabet.
Sie kommen aus einem Haus in Jerusalem, das sicher Freunden oder
Verwandten gehört, und begeben sich zum Tempel, um an der Zere-
monie der Reinigung teilzunehmen.
Anna hat in ihren Armen das Kindlein, ganz in Windeln gewickelt.
Es ist aber auch in ein weites Gewebe aus leichter Wolle gehüllt, das
sehr weich und warm sein muß. Und mit welcher Sorge und Lie-
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be sie ihr Kindlein überwacht! Von Zeit zu Zeit hebt sie den Saum
des feinen und warmen Gewebes hoch, um zu schauen, ob Maria
gut atmen kann, und rückt ihn dann wieder zurecht, um sie vor der
eisigen Luft eines zwar heiteren, aber kalten Wintertages zu schüt-
zen. Elisabet hat ein Bündel in den Händen. Joachim zieht an ei-
ner Schnur zwei gutgenährte, weiße Schäfchen hinter sich her; es
sind schon mehr Schafe als Lämmer. Zacharias hat nichts. Er sieht
schön aus in seinem weißen Linnengewand, das ein schwerer, wol-
lener Mantel hervorblicken läßt. Es ist ein Zacharias in seiner vollen
Männlichkeit, der viel jünger als jener, den ich schon bei der Geburt
des Johannes gesehen habe, scheint. Auch Elisabet ist eine reife Frau
mit frischem Aussehen, die sich jedesmal, wenn Anna das Kind an-
schaut, entzückt über das schlafende Gesichtchen neigt. Auch sie ist
sehr schön in ihrem blauen, fast dunkelvioletten Gewand, mit dem
Schleier, der ihr das Haupt bedeckt und über die Schultern und den
Mantel, der noch dunkler ist als das Kleid, herabwallt.
Joachim und Anna aber sind feierlich in ihren Festkleidern. Gegen
seine Gewohnheit trägt er nicht die kastanienbraune Tunika, son-
dern ein langes, dunkelrotes Gewand. Die Fransen an seinem Man-
tel sind neu und schön. Auf dem Haupt hat auch er eine Art von
rechteckigem Schleier, der gehalten wird durch einen Lederreifen.
Alles ist neu und fein.
Und Anna, oh!, sie trägt heute nichts Dunkles! Sie hat ein hellgel-
bes Kleid an, das an die Farbe alten Elfenbeins erinnert: eng an der
Hüfte, am Hals und an den Handgelenken und von einem schweren
Gürtel zusammengehalten, der aus Gold und Silber zu sein scheint.
Ihr Kopf ist in einen leichten damastartigen Schleier gehüllt, der an
der Stirn von einem feinen, aber kostbaren Metallplättchen festgehal-
ten wird. Am Hals trägt sie eine Kette in Filigran und an den Hand-
gelenken Armbänder. Sie sieht aus wie eine Königin, auch wegen
der Würde, mit der sie das Kleid und besonders den goldfarbenen
Mantel mit seinen sehr schön gestickten vielfarbigen Borten trägt.
»Du kommst mir vor wie am Tag der Hochzeit. Ich war etwas
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mehr als ein Kind, damals, aber ich erinnere mich noch, wie schön
und glücklich du warst«, sagt Elisabet.
»Aber jetzt bin ich es noch mehr . . . Und ich wollte für diese Ze-
remonie das gleiche Kleid tragen. Ich habe es immer dafür aufbe-
wahrt . . . Und ich hoffte schon nicht mehr, daß ich es je hätte tragen
können.«
»Der Herr hat dich sehr geliebt . . . « sagt Elisabet mit einem Seuf-
zer.
»Deswegen gebe ich ihm auch das Liebste, was ich habe: diese
meine Blume.«
»Wie wirst du sie dir vom Herzen reißen können, wenn die Stunde
kommt?«
»Indem ich mich daran erinnere, daß ich sie nicht hatte und Gott
sie mir gegeben hat. Ich werde nun immer glücklicher sein als zuvor.
Wenn ich sie im Tempel weiß, werde ich mir sagen: „Sie betet in
der Nähe des heiligen Zeltes; sie betet zum Gott Israels auch für
ihre Mutter“, und ich werde den Frieden haben. Und noch größeren
Frieden werde ich haben, wenn ich mir sage: „Sie ist ganz Sein.“
Wenn die beiden glücklichen Eltern, die sie vom Himmel erhalten
haben, nicht mehr sein werden, wird er, der Ewige, noch ihr Vater
sein. Glaube mir: ich bin fest überzeugt, daß diese Kleine nicht uns
gehört. Aus mir konnte ich nichts mehr . . . Er hat sie in meinen
Schoß gelegt, als göttliches Geschenk, um meine Tränen zu trocknen,
unsere Hoffnung zu stärken und uns für unsere Gebete zu belohnen.
Deswegen gehört sie ihm. Wir sind nur ihre glücklichen Hüter . . .
Und dafür sei er gebenedeit!«
Sie haben die Tempelmauern erreicht.
»Während ihr zur Pforte des Nikanor geht, melde ich uns dem
Priester. Dann werde auch ich kommen«, sagt Zacharias. Er ver-
schwindet durch einen Bogen, der in einen großen Hof führt, der
von Säulengängen umgeben ist.
Die Gruppe steigt weiter auf den sich ablösenden Terrassen em-
por; denn, ich weiß nicht, ob ich das schon einmal gesagt habe, der
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Tempelbezirk ist nicht auf ein und derselben Ebene gelegen, son-
dern steigt in aufeinanderfolgenden Etagen an. Zu jeder Etage ge-
langt man mittels breiter Treppen, und auf jeder von ihnen befinden
sich Höfe, Hallen und schön verzierte Tore aus Marmor, Bronze und
Gold.
Bevor sie zum festgelegten Ort gelangen, halten sie kurz an,
um die mitgebrachten Dinge von ihren Hüllen zu befreien: Fladen,
scheint mir, breit und dünn und stark ölgetränkt; weißes Mehl, zwei
Tauben in einem Käfig aus Weidenruten und große silberne Münzen.
Gewisse Geldstücke sind sehr schwer; aber glücklicherweise gab es
damals noch keine Taschen; sie hätten ihnen den Boden ausgerissen.
Sieh, da ist die schöne Pforte des Nikanor, voller Schnörkelwerk
in schwerer Bronze und mit Silberplatten. Dort steht schon Zachari-
as an der Seite eines Priesters, würdevoll in seinem Linnengewande.
Anna wird mit Wasser, offenbar Weihwasser, besprengt und aufge-
fordert, sich dem Opferaltar zu nähern.
Das Kindlein ist nicht mehr auf ihren Armen. Elisabet hat es ge-
nommen; sie bleibt vor der Pforte zurück. Joachim hingegen tritt
hinter seiner Gemahlin ein: er zieht ein unglückliches, blökendes
Schäflein hinter sich her. Und ich . . . ich tue das, was ich schon
bei der Reinigung Marias tat: ich schließe die Augen, um nicht das
Schlachten mitansehen zu müssen.
Nun ist Anna gereinigt.
Zacharias flüstert seinem Kollegen etwas zu und dieser nickt lä-
chelnd, schließt sich dann der Gruppe an, die sich draußen wieder
versammelt hat, beglückwünscht Vater und Mutter zu ihrer Freude
und zu ihrem Vertrauen gegenüber den Verheißungen und nimmt
das zweite Lamm mit dem Mehl und dem Kuchen in Empfang.
»Diese Tochter ist also dem Herrn geweiht? Sein Segen sei mit ihr
und mit euch. Sieh, da kommt Hanna. Sie wird eine ihrer Lehrerin-
nen sein. Hanna, die Tochter des Penuël, vom Stamm Ascher. Komm,
Frau! Diese Kleine ist dem Tempel als Lobopfer geweiht worden. Du
wirst ihre Lehrerin sein, und sie wird unter deiner Führung heilig
heranwachsen.«
72
Die schon ganz weißhaarige Hanna des Penuël liebkost das Kind-
lein, das erwacht ist und mit seinen unschuldigen und erstaunten
Äuglein all das Weiß und das Gold betrachtet, das die Sonne auf-
leuchten läßt.
Die Zeremonie scheint beendet zu sein. Ich habe keinen besonde-
ren Ritus bei der Opferung Marias gesehen. Vielleicht genügt es, daß
es dem Priester gesagt wurde und vor allem Gott, an seiner heiligen
Stätte.
»Ich möchte diese Gabe dem Tempel darbringen und dorthin ge-
hen, wo ich im vergangenen Jahr das Licht gesehen habe«, sagt An-
na.
Sie gehen hin in Begleitung der Hanna des Penuël. Sie treten nicht
in den eigentlichen Tempel ein; da sie Frauen sind und es sich um
ein Mädchen handelt, gehen sie natürlich auch nicht dorthin, wo Ma-
ria ihren Sohn darbrachte. Aber nahe an der halbgeöffneten Tür ste-
hend, blicken sie in das halbdunkle Innere, wo die lieblichen Gesän-
ge eines Mädchenchors erklingen, und kostbare Leuchter goldenes
Licht verbreiten über zwei Reihen weiß verhüllter Köpfchen: zwei
wahre Lilienbeete.
»In drei Jahren wirst auch du da sein, meine Lilie« spricht Anna
zu Maria, die wie fasziniert ins Innere schaut und zu dem leisen
Gesang lächelt.
»Sie scheint zu verstehen«, sagt Hanna des Penuël. »Sie ist ein
schönes Kind! Sie wird mir teuer sein, als wäre sie mein eigenes. Ich
verspreche es dir, Mutter. Möge nur mein Alter erlauben, daß es so
sei.«
»Es wird so sein, Frau«, sagt Zacharias. »Du wirst sie aufnehmen
unter die geweihten Mädchen. Ich werde auch dabei sein. Ich will
an jenem Tag hier sein, um ihr zu sagen, daß sie für uns alle beten
soll, vom ersten Tag an . . . «
Und er schaut auf seine Gattin, die versteht und seufzt.
Die Zeremonie ist zu Ende, und Hanna des Penuël zieht sich zu-
rück, während die andren, sich unterhaltend, den Tempel verlassen.
Ich höre Joachim sagen:
73
»Nicht nur zwei, und zwar die besten, sondern alle meine Schäf-
lein hätte ich gerne hergegeben für diese Freude und zum Lob Got-
tes!« Anderes sehe ich nicht mehr.
10 »Sieh die vollkommene Magd mit dem Herzen einer Taube«
Jesus spricht:
»Salomon läßt die Weisheit sagen: „Wer ein Kind ist, komme zu
mir!“ [Spr 9,4]. Und wirklich, aus der Festung, aus den Mauern ih-
rer Stadt sagte die Ewige Weisheit zum Ewigen Kind: „Komm zu
mir!“ Sie brannte danach, es zu haben. Später wird der Sohn des
reinsten Kindes sagen: „Lasset die Kinder zu mir kommen, denn
ihrer ist das Himmelreich, und wer ihnen nicht ähnlich wird, wird
meines Reiches nicht teilhaftig werden.“ Die Stimmen begegnen sich,
und während die Stimme des Himmels nach der kleinen Maria ruft,
„Komm zu mir“, sagt die Stimme des Gottmenschen, indem er an
seine Mutter denkt: „Kommt zu mir, wenn ihr versteht, Kinder zu
sein.“
Das Beispiel gebe ich euch in meiner Mutter.
Sie ist das vollkommene Kind mit dem einfachen und reinen Her-
zen einer Taube. Sie haben die Jahre der Berührung mit der Welt
nicht in die Barbarei eines verdorbenen, verschlagenen, lügenhaften
Geistes verwildern lassen. Weil sie es nicht will. Kommt zu mir, in-
dem ihr Maria folgt.
Du, die du sie siehst, sage mir: „Ist ihr kindlicher Blick sehr ver-
schieden von dem, den sie hatte zu Füßen des Kreuzes, im Jubel des
Pfingstfestes oder in der Stunde, da sich die Lider zum letzten Schlaf
über ihre Gazellenaugen schlossen? Nein! Hier siehst du den unbe-
stimmten, erstaunten Blick des Kindes; dann wird es der erstaunte
und ehrfurchtsvolle Blick bei der Verkündigung sein; dann der seli-
ge der Mutter von Betlehem; dann der anbetende meiner ersten erha-
benen Jüngerin; dann jener der herzzerreißenden Qual auf Golgota;
dann der strahlende Blick bei der Auferstehung und am Pfingsttag;
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und schließlich der vom ekstatischen Schlaf verhüllte Blick der letz-
ten Vision. Aber sei es, daß sich die Augen zum ersten Mal öffnen,
sei es, daß sie sich müde zum letzten Mal schließen, nachdem sie
soviel Freude und soviel Schreckliches geschaut, sie sind der heitere,
reine und sanfte Saum des Himmels, der immer gleich strahlt unter
der Stirne Marias. Zorn, Lüge, Stolz, Sinnlichkeit, Haß und Neugier-
de beschmutzen sie nie mit ihren dunklen Wolken.
Es sind die Augen, die mit Liebe zu Gott aufschauen. Ob sie nun
weinen oder lachen, es sind die Augen, die aus Liebe zu Gott lieb-
kosen und verzeihen und alles ertragen. Durch die Liebe zu ihrem
Gott sind sie unangreifbar geworden für die Angriffe des Bösen, der
sich sooft der Augen bedient, um ins Herz einzudringen. Das ist der
reine, ruhige, segnende Blick der reinen, heiligen, in Gott verliebten
Menschen.“
Ich habe es bereits gesagt: „Das Licht deines Körpers ist das Au-
ge. Wenn das Auge rein ist, wird dein ganzer Körper erleuchtet sein.
Wenn aber das Auge trübe ist, so wird deine ganze Person in der
Finsternis sein“ [Mt 6,22–23]. Die Heiligen haben dieses Auge ge-
habt, das dem Geist Licht ist und dem Fleisch Heil. Denn wie Maria
haben sie ihr ganzes Leben hindurch auf Gott geschaut und mehr
noch: sie haben sich Gottes erinnert!
Ich werde dir erklären, kleine Stimme, welchen Sinn diese Worte
haben.«
11 »Meine Freude, woher weißt du diese heiligen Dinge?
Wer hat sie dir gesagt?«
Ich sehe wieder Anna. Seit gestern abend sehe ich sie so: sie sitzt am
Eingang der schattigen Laube bei einer Näharbeit. Sie ist ganz in
sandgrau gekleidet, in ein sehr einfaches, lockeres Kleid; vielleicht
wegen der großen Hitze, die herrscht.
Am Ende der Laube sieht man Schnitter, die mit Sicheln das Gras
mähen. Doch es kann wohl kein Maiheu sein, denn die Weintrau-
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be beginnt sich schon zu färben, und ein großer Apfelbaum zeigt
zwischen dunklen Blättern seine Früchte, die beginnen, wachsgelb
und rosa zu werden. Das Kornfeld ist nur mehr ein Stoppelfeld, auf
dem sich die Flämmchen der Mohnblumen wiegen, während sich
die Kornblumen steif und frei aufrichten, strahlend wie die Sterne
in einem Blau, das dem des orientalischen Himmels ähnelt.
Aus der schattigen Laube kommt eine ganz kleine, aber schon flin-
ke und selbständige Maria. Ihr kurzer Schritt ist sicher, und die Fü-
ße in den weißen Sandälchen stolpern nicht über die Steinchen. Sie
hat schon andeutungsweise den lieblichen, leicht wiegenden Gang
der Taube; sie ist weiß wie ein Täubchen in ihrem Leinenkleidchen,
das bis zu den Fußknöcheln reicht und weit ist. Es ist durch him-
melblaue Schnürchen aufgekrempelt am Hals und an den kurzen
Ärmeln, die die rosigen und molligen Vorderärmchen sehen las-
sen. Mit ihrem seidiges Haar, das honigblond leuchtet, nicht dicht
ist, aber sanfte Wellen hat, die in Löckchen enden; mit ihren him-
melblauen Augen und dem lieblichen, leicht geröteten, lächelnden
Antlitz gleicht sie einem kleinen Engel. Auch der zarte Wind, der in
ihre weiten Ärmel greift und das Linnen ihres Kleidchens an den
Schultern bläht, trägt dazu bei, ihr das Aussehen eines Engelchens
mit schon zum Flug geöffneten Flügeln zu verleihen.
In ihren Händchen hat sie Mohn- und Kornblumen und andere
Blümchen, die zwischen dem Korne wachsen, deren Namen ich aber
nicht kenne. Als sie in die Nähe der Mutter kommt, beginnt sie zu
laufen, stößt mit ihrem Stimmchen einen kurzen, freudigen Schrei
aus und eilt wie ein Turteltäubchen im Flug an die Knie der Mutter,
die sich ein wenig geöffnet haben, um sie zu empfangen. Die Mutter
hat ihre Arbeit beiseitegelegt, damit sich das Kind nicht steche. Sie
hat ihm die Arme entgegengestreckt, um es zu umarmen.
»Mama, Mama!« Das weiße Täubchen ist nun ganz im Nest der
mütterlichen Knie, mit den Füßchen auf dem niedrigen Gras und
dem Gesichten im mütterlichen Schoß. Und man sieht nichts als das
blasse Gold ihrer Härchen im feinen Nacken, den Anna liebevoll
76
küßt, wozu sie sich niederbeugt. Dann erhebt das Täubchen sein
Köpfchen und gibt ihr Blumen. Alle gibt sie der Mutter und zu jeder
Blume erzählt sie eine Geschichte, die sie sich selbst erdacht hat:
»Diese, blau und groß, ist ein Stern, der vom Himmel herunterge-
kommen ist, um den Kuß des Herrn seiner Mutter zu überbringen.
Küsse, küsse sie auf das Herz, küsse das Herz dieses himmlischen
Blümleins, und du wirst fühlen, daß es den Duft Gottes hat.
Diese andere hingegen ist blaßblau, wie die Augen Papas; auf ih-
ren Blütenblättern steht geschrieben, daß der Herr Papa sehr liebt,
weil er so gut ist.
Und dieses kleine, kleine, das einzige, das ich gefunden habe (ein
Vergißmeinnicht), hat der Herr gemacht, um Maria zu sagen, daß er
sie lieb hat.
Und diese roten, weißt du, Mama, was das für Blumen sind? Das
sind Stücke vom Kleid des Königs David, eingetaucht in das Blut
der Feinde Israels, gesät auf den Kampfes- und Siegesfeldern. Sie
sind aus dem Saum des heroischen Königsgewandes entsprungen,
das zerrissen ward im Kampf für den Herrn [2 Sam 5–8].
Dieses weiße und liebliche Blümchen hingegen, das aus sieben
Seidenschalen gemacht zu sein scheint, die von Wohlgeruch erfüllt
zum Himmel schauen, und das dort geboren wurde, dort bei der
Quelle – Papa hat es ihr aus dem Dorngebüsch herausgeholt – ist
aus dem Gewand gemacht worden, das der König Salomon in dem-
selben Monat trug, als ihm sein Enkelkind geboren wurde . . . aber
viele, viele Jahre früher, als er in der weißen Pracht seiner Gewänder
einherging mit einer großen Schar aus Israel vor der Bundeslade
und dem Zelt, aufjubelte wegen der Wolke, die zurückgekehrt war,
um seinen Ruhm zu umgeben, und den Lobgesang anstimmte und
das Gebet seiner Freude verrichtete. Ich will immer wie diese Blume
sein, und wie der weise König will ich singen das ganze Leben und
beten vor dem Zelt.« [1 Kön 8]. Damit schloß sich der kleine Mund
Marias.
»Mein Schatz! Woher weiß du diese heiligen Dinge? Wer hat sie
dir gesagt? Dein Vater?«
77
»Nein, ich weiß nicht, wer es ist. Es scheint mir, als ob ich sie
immer gewußt hätte. Aber vielleicht ist es einer, der sie mir sagt
und den ich nicht sehe. Vielleicht einer der Engel, die Gott schickt,
um mit den Menschen zu reden, die gut sind. Mama, erzählst du
mir noch mehr davon? . . . «
»Oh, meine Tochter! Von was soll ich dir erzählen?«
Maria denkt nach, ernst und gesammelt. Man sollte sie malen, um
den Ausdruck festzuhalten. In den kindlichen Geschichten spiegeln
sich die Schatten ihrer Gedanken wieder: Lächeln und Seufzer, Strah-
len der Sonne und Schatten der Wolken bei dem Gedanken an die
Geschichte Israels . . . Dann wählt sie: »Noch einmal die Geschich-
te von Gabriel und Daniel, in der der Gesalbte versprochen wird«
[Dan 9].
Und nun hört sie mit geschlossenen Augen zu und wiederholt
leise die Worte der Mutter, um sie besser behalten zu können. Nach-
dem Anna ihre Erzählung beendet hat, fragt sie: »Wieviel fehlt noch,
bis Immanuel kommt?«
»Ungefähr noch dreißig Jahre, mein Liebling.« »Oh, wie lange
noch! Dann werde ich im Tempel sein . . . Sage mir, wenn ich beten
würde, viel, sehr viel, Tag und Nacht, Nacht und Tag, und wenn ich
ganz Gottes sein wollte, das ganze Leben lang, würde mir der Ewi-
ge dann die Gnade schenken und den Messias seinem Volk schneller
geben?«
»Das weiß ich nicht, meine Liebe; der Prophet sagt: siebzig Wo-
chen. Ich glaube, daß die Prophezeiung nicht irrt. Aber der Herr
ist so gut«, beeilt Anna sich hinzuzufügen, als sie sieht, daß sich
schon Tränenperlen auf den goldigen Wimpern ihres Kindleins bil-
den, »daß ich glaube, wenn du viel, viel, viel betest, wird er dich
erhören.«
Das Lächeln kehrt auf ihr Gesichtchen zurück, das zur Mutter
aufschaut, und ein Sonnenstrahl, der zwischen zwei Weinblättchen
durchscheint, läßt die Tropfen des schon gestillten Weinens aufleuch-
ten, wie Tautröpfchen an den so feinen Stengelchen des Bergmooses.
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»Dann will ich beten, und werde mich als Jungfrau dafür weihen.«
»Aber weißt du, was das besagen will?«
»Das will besagen, nicht die Liebe eines Mannes kennenlernen,
sondern nur die Liebe Gottes. Das will besagen, keinen Gedanken
haben, der sich nicht auf Gott bezieht. Das will besagen, Kind im
Fleisch bleiben und Engel im Herzen. Das will besagen, die Augen
nur zu gebrauchen, um auf Gott zu schauen; die Ohren, um auf ihn
zu hören; den Mund, um ihn zu loben; die Hände, um sich ihm als
Opfer darzubringen; die Füße, um ihm schnell zu folgen; das Herz
und das Leben, um sie ihm zu schenken.«
»Oh, du Gesegnete! Aber dann wirst du nie Kindlein haben, du,
die du die Kinder so liebst, und die Lämmlein und die Täubchen . . .
Weißt du, ein Kindlein ist für eine Frau wie ein weißes, krauses
Lämmlein; wie ein Täubchen mit Flaumfedern aus Seide und einem
Korallenmündchen, das man lieben und küssen kann, und das zu
einem sagt: „Mama.“«
»Das macht nichts. Ich will Gottes sein. Im Tempel werde ich be-
ten, und dann werde ich vielleicht eines Tages Immanuel sehen. Die
Jungfrau, die seine Mutter sein wird, muß, wie der große Prophet
sagt, schon geboren und im Tempel sein . . . Ich werde ihre Gefähr-
tin sein . . . und ihre Magd! O ja! Wenn ich sie nur erkennen könnte
im Licht Gottes, ich würde ihr dienen, der Glücklichen! Dann wür-
de sie mir ihren Sohn bringen, und ich würde ihm dienen. Denke
dir, Mama! . . . Dem Messias dienen!« Maria ist ganz überwältigt
von diesem Gedanken, der sie erhebt und zugleich vernichtet. Mit
den auf der Brust gekreuzten Armen, dem ein wenig vorgebeugten
Köpfchen und vor Aufregung entzückt, wie sie ist, scheint sie eine
kindliche Nachbildung der Annunziata, die ich einmal in ihrem Hei-
ligtum in Florenz gesehen habe. Sie fährt fort: »Aber wird es mir der
König von Israel, der Gesalbte Gottes, erlauben, ihm zu dienen?«
»Daran zweifle nicht! Sagt der König Salomon nicht: „Sechzig sind
die Königinnen und achtzig die übrigen Frauen, und die Mädchen
sind ohne Zahl?“ [Hld 6,8]. Du siehst, im Palast des Königs werden
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zahllose Jungfrauen und Mädchen sein, die ihrem Herrn dienen wer-
den.«
»Oh! Siehst du nun, daß ich Jungfrau sein muß? Ich muß es sein,
ich muß! Wenn er als Mutter eine Jungfrau haben will, ist das ein Zei-
chen dafür, daß er die Jungfräulichkeit über alles liebt. Ich will, daß
er mich liebt, mich, seine Dienerin, wegen meiner Jungfräulichkeit;
daß er mich ein wenig seiner geliebten Mutter ähnlich macht . . . das
will ich . . . Ich möchte aber auch Sünderin sein, eine große Sünderin,
wenn ich nicht fürchten muß, den Herrn dadurch zu beleidigen . . .
Sage mir, Mama, kann man Sünderin sein aus Liebe zu Gott?«
»Aber was sagst du, Schatz? Ich verstehe dich nicht.«
»Ich will sagen: sündigen, um von Gott geliebt zu werden; damit
er zum Erlöser wird. Man rettet den, der verloren ist, nicht wahr? Ich
möchte gerettet werden vom Erlöser, um seinem Blick der Liebe zu
begegnen. Deswegen möchte ich sündigen; aber ohne eine Sünde zu
begehen, die ihm mißfallen könnte. Wie kann er mich retten, wenn
ich nicht verlorengehe?«
Anna ist ganz verblüfft. Sie weiß nicht, was sie sagen soll.
Da kommt ihr Joachim zu Hilfe, der, auf dem Gras schreitend,
sich geräuschlos hinter dem Zaun der niederen Weinreben genähert
hatte. »Er hat dich schon im voraus gerettet, weil er weiß, daß du
ihn liebst und ihn allein lieben willst. Deswegen bist du schon erlöst
und kannst Jungfrau sein, wie du es willst«, sagt Joachim.
»Wirklich, mein Vater?« Maria umschlingt seine Knie und blickt
ihn an mit den hellen Sternlein ihrer Augen, die den väterlichen
Augen so sehr ähneln und die nun glücklich sind in der Hoffnung,
die ihr der Vater gegeben hat.
»Wirklich, meine Liebe. Schau! Ich bringe dir hier dieses Spätz-
lein. Es kam bei seinem ersten Flug zum Quellbrunnen. Ich hätte es
sich selbst überlassen können; aber die schwachen Flügel und die
Füßchen aus Seide hatten nicht die Kraft, sich zu neuem Flug zu
erheben oder sich aufrecht zu erhalten auf dem moosigen, schlüpf-
rigen Stein. Es wäre in die Quelle gefallen. Ich habe nicht gewartet,
80
bis es soweit kam. Ich habe es genommen und gebe es dir. Tu damit,
was du willst! So ist es gerettet worden, bevor es in der Gefahr um-
gekommen ist. Dasselbe hat Gott mit dir getan. Jetzt sage mir, Maria:
Habe ich das Vöglein mehr geliebt, indem ich es jetzt gerettet habe,
oder hätte ich es mehr geliebt, wenn ich es später gerettet hätte . . . ?«
»Du hast es mehr geliebt, indem du es jetzt gerettet hast; denn du
hast nicht erlaubt, daß es sich weh tue im kalten Wasser.«
»Auch Gott hat dich mehr geliebt, indem er dich gerettet hat, bevor
du sündigen konntest.«
»Und nun werde ich ihn ganz lieben. Ganz! Ganz! Schönes Spätz-
lein, ich bin wie du. Der Herr hat uns in gleicher Weise geliebt; er
gab uns das Heil . . . Jetzt werde ich dich aufziehen, und dann lasse
ich dich fliegen. Und du wirst im Wald und ich im Tempel das Lob
des Herrn singen, und wir werden sagen: „Schicke, schicke deinen
Verheißenen dem, der ihn erwartet!“ Oh, Papa! Wann wirst du mich
in den Tempel führen?«
»Bald, meine Perle. Aber schmerzt es dich nicht, deinen Vater zu
verlassen?«
»Sehr! Aber du wirst kommen . . . ! Wenn es mir nicht Schmerz
bereiten würde, wäre es dann noch ein Opfer?«
»Und wirst du dich unser erinnern?«
»Immer. Nach dem Gebet für Immanuel werde ich für euch beten.
Möge Gott euch Freude und ein langes Leben schenken . . . bis zum
Tag, da er der Erlöser sein wird. Dann werde ich ihm sagen, daß er
euch nehme, um euch ins himmlische Jerusalem zu bringen.«
Die Vision entschwindet, während Maria von den väterlichen Ar-
men umschlungen wird.
81
12 »Hat nicht der Sohn die Weisheit auf die Lippen der
Mutter gelegt?«
Jesus spricht:
»Ich höre schon die Bemerkungen spitzfindiger Gelehrter: „Wie
kann ein Kind von weniger als drei Jahren schon so sprechen? Das
ist eine Übertreibung!“ Sie bedenken nicht, daß sie in dieser Weise
aus mir ein Wunderwesen machen, wenn sie meiner Kindheit Hand-
lungen eines Erwachsenen zuschreiben.
Intelligenz haben nicht alle in derselben Weise und zur selben Zeit.
Die Kirche hat die Verantwortungsfähigkeit auf das 7. Lebensjahr
festgesetzt; denn das ist das Alter, in dem auch ein zurückgebliebe-
nes Kind im großen und ganzen das Gute und das Böse zu unter-
scheiden vermag. Aber es gibt auch Kinder, die schon viel früher
fähig sind zu unterscheiden, zu verstehen und zu wollen, und das
mit einer genügend ausgebildeten Vernunft. Die kleine Imelda Lam-
bertini, Rosa von Viterbo, Nelly Organ und Nenulina geben euch
Beispiele dafür, ihr skeptischen Doktoren. Ich habe nur vier Namen
genannt, unter Tausenden heiliger Kinder, die mein Paradies bevöl-
kern, nachdem sie auf Erden über kürzere oder längere Jahre wie
Erwachsene geurteilt haben.
Was ist der Verstand? Ein Geschenk Gottes. Gott kann ihn daher
in dem Maß schenken, in dem er will, wem er will und wann er will.
Der Verstand ist ja eines der Dinge, die euch Gott, dem intelligen-
ten und denkenden Geist, ähnlich machen. Vernunft und Intelligenz
waren Gaben, die den Menschen im irdischen Paradies gegeben wur-
den; und wie waren sie lebendig, als die Gnade noch unberührt und
wirksam im Geiste der beiden ersten Menschen vorhanden war!
Im Buch des Jesus Sirach steht geschrieben: „Alle Weisheit kommt
von Gott, dem Herrn; sie ist stets bei ihm gewesen, auch vor den
Jahrhunderten“ [Sir 1,1].
Welche Weisheit hätten die Menschen daher besessen, wenn sie
Kinder Gottes geblieben wären?
82
Die Mängel eurer Intelligenz sind die Frucht des Verfalles eurer
Gnade und eurer Lauterkeit. Durch den Verlust der Gnade habt ihr
euch in den Jahrhunderten von der Weisheit entfernt. Wie ein Me-
teor sich verbirgt hinter kilometerlangen Nebeln, so ist die Weisheit
mit ihrem klaren Schimmer nicht mehr zu euch gelangt wegen der
Nebel, die eure Vergehen immer dichter werden ließen.
Dann ist Christus gekommen und hat euch die Gnade, das schön-
ste Geschenk der Liebe Gottes, zurückgebracht. Versteht ihr, dieses
Juwel klar und rein zu erhalten? Nein. Wenn ihr es nicht zersplit-
tert mit eurem persönlichen Willen zur Sünde, beschmutzt ihr es
durch beständige kleine Fehler, Schwächen und Neigungen zum La-
ster. Auch durch Sympathien, die, wenn sie auch eigentlich nicht mit
den sieben Hauptlastern verbunden sind, doch eine Schwächung
des Lichtes und der Wirksamkeit der Gnade bedeuten. So habt ihr
das großartige Licht der Intelligenz, das Gott den ersten Menschen
gegeben hatte, durch Jahrhunderte der Verdorbenheit geschwächt,
die eine zerstörende Wirkung auf euer physisches und psychisches
Leben gehabt haben.
Aber Maria war nicht nur die Reine, die neue Eva, zur Freude
Gottes wieder erschaffen: sie ist auch die Über-Eva; sie ist das Mei-
sterwerk des Allerhöchsten, die Gnadenvolle, die Mutter des Wortes
im Geist Gottes.
„Das Wort ist die Quelle der Weisheit“, sagt Jesus Barsirach [Sir
1,5]. Wird Jesus also nicht die Weisheit auf die Lippen der Mutter
gelegt haben?
Wenn einem Propheten, der den Menschen die Worte sagen muß,
die ihm das Wort, die Weisheit, anvertraut hat, der Mund mit glü-
henden Kohlen gereinigt wird [Jes 6,6–7], wird dann nicht die Liebe
die Sprache der noch kindlichen Braut, die das Wort überbringen
sollte, gereinigt und erhoben haben, so daß sie nicht wie ein Kind
und später wie eine Frau, sondern nur und immer als himmlisches
Geschöpf sprach, das geformt wurde durch das große Licht und die
Weisheit Gottes?
83
Das Wunder liegt nicht in der höheren Intelligenz, die Maria im
kindlichen Alter an den Tag legte, wie später auch ich. Das Wunder
liegt in dem Verbergen einer unendlichen Weisheit, in den Einschrän-
kungen, die verhindern sollten, die Menschen zu sehr in Staunen zu
versetzen und die Aufmerksamkeit Satans auf sie zu lenken.
Ich werde darüber noch sprechen. Es gehört in das Kapitel des
„Sich-Erinnerns“, das die Heiligen von Gott haben.
13 Mariä Darstellung im Tempel
Ich sehe Maria zwischen Vater und Mutter auf dem Weg nach Jeru-
salem.
Die Vorübergehenden bleiben stehen, um das schöne Kind anzu-
schauen, das schneeweiß gekleidet und eingehüllt ist in ein leichtes
Gewebe, das mit seinen dunklen Blatt- und Blumenmustern auf zar-
tem Untergrund dasselbe zu sein scheint, das Anna am Tag ihrer
Reinigung trug. Während es aber bei Anna nicht über den Gürtel
hinausreichte, wallt es bei der noch ganz jungen, kleinen Maria fast
bis zum Boden und hüllt sie in ein leichtes, leuchtendes Wölkchen
von seltener Lieblichkeit. Ihr blondes Haar, das über die Schulter,
oder richtiger, über den feinen Nacken lose herabfällt, leuchtet an
den Stellen durch, wo keine Damastverzierungen im Schleier sind.
Der Schleier ist an der Stirn festgehalten von einem hellblauen Band,
auf dem offenbar von der Mutter kleine silberne Lilien aufgestickt
worden sind.
Das erwähnte blütenweiße Kleid reicht bis zur Erde, so daß die
mit weißen Sandalen bekleideten Füßchen bei ihren Schritten kaum
sichtbar werden. Die Händchen, die aus den langen Ärmeln hervor-
ragen, gleichen zwei Blütenblättchen der Magnolie. Abgesehen von
der himmelblauen Gürtelbinde ist keine andere Farbe sichtbar. Ma-
ria ist wie in Schnee gekleidet.
Joachim trägt dasselbe Kleid wie am Tag von Annas Reinigung;
sie hingegen ist ganz in Violett gekleidet. Auch der Mantel, der ihr
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zugleich das Haupt bedeckt, ist dunkelviolett; sie läßt ihn weit über
die Augen herabhängen. Zwei arme Mutteraugen, rot vom Weinen,
die nicht weinen wollen und vor allem nicht weinend gesehen wer-
den möchten, und denen es doch nicht möglich ist, nicht zu weinen
unter dem Schutz des Mantels. Sie schützt sich so gegen die Blicke
der Vorübergehenden und auch gegen jene von Joachim, dessen Au-
gen sonst stets heiter sind; heute aber sind auch sie gerötet und trübe
wegen der vergossenen und immer noch fließenden Tränen. Er geht
sehr gebeugt unter seinem Kopftuch, das er wie einen Turban zu-
sammengebunden hat und dessen Seitenflügel rechts und links von
seinem Gesicht herabhängen. Er ist jetzt ein Greis, Joachim. Wer ihn
sieht, hält ihn für den Großvater oder Urgroßvater der Kleinen, die
er an der Hand führt. Der Schmerz, sie zu verlieren, gibt dem armen
Vater einen schleppenden Schritt; eine Müdigkeit in seiner ganzen
Haltung, die ihn um zwanzig Jahre älter erscheinen läßt. Sein Ge-
sicht scheint das Gesicht eines Kranken zu sein, nicht nur das eines
Alten, so müde und traurig ist es mit dem leicht zitternden Mund
zwischen den beiden Falten, die heute seitlich der Nase so ausge-
prägt sind.
Die beiden versuchen, ihr Weinen zu verbergen. Aber wenn es
ihnen auch bei vielen gelingt, bei Maria, die wegen ihrer kleinen
Gestalt von unten nach oben blickt, gelingt es ihnen nicht; das klei-
ne Haupt erhebend, sieht sie abwechselnd auf Vater und Mutter,
die sich bemühen, ihr mit zitterndem Mund zuzulächeln. Jedesmal,
wenn ihr Töchterlein sie anschaut und lächelt, drücken sie ihr das
kleine Händchen. Sie denken: »Noch ein Lächeln weniger von denen,
die wir noch zu sehen bekommen.«
Sie gehen langsam, immer langsamer. Es scheint, als wollten sie
so langsam wie möglich ihres Weges dahinziehen. Alles läßt sie halt-
machen . . . Aber die Straße muß doch einmal enden. Und das Ziel
ist jetzt schon nahe. Sieh da, auf der Höhe dieses letzten Teiles der
steigenden Straße erscheinen die Ringmauern des Tempels. Anna
seufzt und umklammert das Händchen Marias stärker.
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»Anna, meine Teure, ich bin bei dir!« sagt eine Stimme aus dem
Schatten eines niedrigen Bogens an einer Straßenkreuzung. Es ist
Elisabet, die offenbar auf sie gewartet hat. Sie geht auf sie zu und
drückt sie an ihr Herz. Und da sie Anna weinen sieht, sagt sie zu ihr:
»Komm! komm für kurze Zeit in dieses Freundeshaus. Dann gehen
wir zusammen weiter. Auch Zacharias ist dort.«
Alle treten in eine niedere und dunkle Stube ein, in der ein großes
Feuer als Beleuchtung dient. Die Hausfrau, sicher eine Freundin Eli-
sabets, Anna aber fremd, zieht sich höflich zurück, um die Neuan-
kömmlinge allein zu lassen. »Glaube nicht, daß ich es bereue oder
unwillig bin, meinen Schatz dem Herrn zu weihen«, erklärt Anna
unter Tränen . . . »Aber mein Herz . . . oh! mein Herz! Wie weh tut
es ihm, meinem alten Herzen, das zurück muß in die kinderlose
Zeit! Ach, wenn du es mitfühlen könntest! . . . «
»Ich verstehe dich, meine liebe Anna . . . aber du bist so gut, und
Gott wird dich stärken in deiner Einsamkeit. Maria wird beten für
den Frieden ihrer Mama, nicht wahr?«
Maria liebkost die mütterliche Hand und küßt sie, führt sie sich
über das Gesicht, um von ihr geliebkost zu werden, und Anna
nimmt dieses Gesichtchen in ihre Hände und küßt es. Sie wird nicht
müde, es zu küssen.
Zacharias tritt ein und grüßt: »Den Gerechten der Friede des
Herrn!«
»Ja«, sagt Joachim, »erflehe für uns den Frieden, denn unser Inne-
res erzittert vor dem Opfer, wie das unseres Vaters Abraham, wäh-
rend er den Berg bestieg [Gen 22,1–14], und wir finden keine andere
Opfergabe, um uns loszukaufen. Wir möchten es auch nicht, denn
wir wollen Gott treu bleiben. Aber wir leiden darunter; Zacharias,
Priester des Herrn, verstehe uns und erzürne nicht über uns!«
»Nein, im Gegenteil, euer Schmerz, der die erlaubten Grenzen
nicht überschreitet und euch nicht zur Untreue verführt, ist mir ein
Vorbild der Liebe zum Allerhöchsten; aber faßt Mut! Die Prophe-
tin Hanna wird reichlich Sorge tragen für diese Blüte Davids und
86
Aarons. In diesem Augenblick ist sie die einzige Lilie des heiligen
Stammes Davids im Tempel; und sie wird behütet wie eine könig-
liche Perle. Und da die Zeiten dem Ende entgegeneilen, sollten die
Mütter des Stammes darauf achten, ihre Töchter dem Tempel zu wei-
hen, denn aus einer Jungfrau des Stammes Davids wird der Messias
hervorgehen, auch wenn auf Grund des Glaubensschwundes viele
Plätze der Jungfrauen leer sind. Allzu wenige sind im Tempel, und
von diesem königlichen Stamm niemand, seit vor drei Jahren Sara
ihn als Braut des Elischa verließ. Es ist wahr, daß noch sechs Lustren
(dreißig Jahre) bis zum Ende fehlen; nun aber hoffen wir, daß Ma-
ria die erste von vielen Jungfrauen aus dem Haus Davids vor dem
heiligen Vorhang sein wird. Und dann . . . wer weiß . . . «
Zacharias spricht nicht weiter; er betrachtet gedankenvoll Maria.
Dann fährt er fort: »Auch ich werde über sie wachen. Ich bin Priester,
und ich habe dort auch eine gewisse Macht. Ich werde sie für diesen
Engel verwenden. Und Elisabet wird sie oft besuchen . . . «
»Oh! sicher! Ich habe so ein großes Verlangen nach Gott, und ich
werde kommen, es diesem Kind mitzuteilen, damit sie es dem Ewi-
gen sage.«
Anna fühlt sich etwas erleichtert. Um sie noch mehr aufzumun-
tern, fragt Elisabet: »Ist das nicht dein Brautschleier? Oder hast du
einen neuen gewoben?«
»Er ist es. Ich weihe ihn zusammen mit ihr dem Herrn. Ich habe
keine guten Augen mehr . . . Und auch die Reichtümer sind sehr
geschwunden, der Steuern und der Unglücksfälle wegen . . . Ich
konnte keine großen Ausgaben machen. Ich habe nur für eine gu-
te Aussteuer für ihren Aufenthalt im Haus Gottes gesorgt und für
später . . . ; denn ich denke nicht, daß ich es sein werde, die für ihre
Hochzeitskleider sorgen wird. Und ich will, daß es die Hände ihrer
Mama sind, auch wenn sie kalt und unbeweglich geworden, die sie
für die Hochzeit ausstatten und ihr die Leinen und die Brautkleider
weben.«
»Oh! Warum so denken?!«
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»Ich bin alt, meine Kusine. Nie fühlte ich mich so alt wie unter die-
sem Schmerz. Die letzten Kräfte meines Lebens habe ich dieser Blu-
me gewidmet, um sie tragen und ernähren zu können, und jetzt . . .
und jetzt am Ende läßt der Schmerz, sie zu verlieren, alle meine
Kräfte schwinden.«
»Aber sprich nicht so, um Joachims willen!«
»Du hast recht. Ich will darauf achten, für meinen Mann zu le-
ben.«
Joachim tut, als ob er nichts gehört und auf Zacharias gelauscht
hätte. Aber er hat es gehört und seufzt schwer mit vor Tränen glän-
zenden Augen.
»Wir sind zwischen der dritten und sechsten Stunde. Ich glaube,
es wäre Zeit, zu gehen«, sagt Zacharias.
Alle erheben sich, um die Mäntel anzuziehen und zu gehen. Bevor
sie aber hinausgehen, kniet Maria auf der Schwelle nieder und fleht
mit ausgebreiteten Armen, wie ein kleiner Kerub: »Vater! Mutter!
Euren Segen!«
Sie weint nicht, die tapfere Kleine. Aber ihre kleinen Lippen zit-
tern und die von einem inneren Schluchzen bebende Stimme gleicht
mehr denn je dem bangen Klagen der Turteltaube. Das Gesichtchen
ist bleicher; das Auge hat den Ausdruck der ergebenen Angst, die
ich noch viel stärker auf dem Kalvarienberg sah, wo man sie nicht
mehr ansehen konnte, ohne tief darunter zu leiden.
Die Eltern segnen und küssen sie. Einmal, zweimal, zehnmal. Sie
können es nicht genug tun . . . Elisabet weint still, und Zacharias ist,
obwohl er es nicht zeigen will, gerührt.
Sie verlassen das Haus, Maria zwischen Vater und Mutter, davor
Zacharias und seine Frau. Sieh, schon sind sie innerhalb der Tempel-
mauern.
»Ich gehe zum Hohenpriester. Ihr steigt hinauf zur großen Terras-
se.«
Sie durchqueren drei Höfe und drei übereinanderliegende Vorhal-
len, und nun sind sie zu Füßen des mit Gold beschlagenen, großen
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Marmorwürfels gelangt. Jede Kuppel, gewölbt wie eine riesige, hal-
be Orange, blitzt in der Sonne, die jetzt am Mittag senkrecht auf
den weiten Vorhof fällt, der das feierliche Gebäude umgibt. Auch
der weite Platz und die breite Treppe, die zum Tempel führt, sind
mit Licht erfüllt. Nur die Säulenhalle, die der Fassade entlang der
breiten Treppe gegenüberliegt, liegt im Schatten, und die hohe Pfor-
te aus Bronze und Gold erscheint noch dunkler und feierlicher bei
soviel Licht.
Maria leuchtet stärker als Schnee in dieser hellen Sonne. Nun ist
sie zwischen Vater und Mutter zu Füßen der breiten Treppe. Wie
muß den dreien das Herz schlagen! Elisabet befindet sich auf der
Seite Annas, ein wenig hinter ihr.
Ein silberner Trompetenklang und die Pforte dreht sich in den
bronzenen Angeln. Das Innere zeigt sich mit seinen Lampen im Hin-
tergrund, und ein festlicher Zug kommt auf den Ausgang zu. Ein
feierlicher Zug unter dem Schall der silbernen Trompeten, den Wol-
ken von Weihrauch und den Lichtern.
Nun ist der Zug auf der Schwelle, angeführt vom Hohenpriester.
Ein würdevoller Greis, gekleidet in feinste Leinwand, darüber eine
kürzere Tunika, ebenfalls aus Leinwand, und über dieser eine Art
Priestergewand, ein Mittelding zwischen dem Priestergewand und
jenem eines Diakons, sehr farbenreich: Purpur und Gold, Violett und
Weiß wechseln sich ab und leuchten wie Edelsteine in der Sonne.
Zwei echte Juwelen glänzen noch viel lebhafter auf den Schultern
des Hohenpriesters; vielleicht sind es Schnallen in einer kostbaren
Fassung. Auf der Brust ein breites Schild mit strahlenden Edelstei-
nen, das an einer goldenen Kette hängt. Quasten und Verzierungen
leuchten unten an der kurzen Tunika, und Gold glänzt auf der Stirn
über der Kopfbedeckung, die mich an die der orthodoxen Priester
erinnert, deren Mitra kuppelförmig ist und nicht spitz wie die der
Katholiken.
Die feierliche Persönlichkeit tritt allein hervor bis zur Freitreppe
und steht nun im Gold der Sonne, die sie noch mächtiger erscheinen
89
läßt. Die anderen warten, einen Halbkreis bildend, vor der Pforte im
Schatten des Säulenganges. Auf der linken Seite befindet sich eine
weiße Gruppe von Mädchen mit der Prophetin Hanna und anderen
älteren Frauen, offenbar Erzieherinnen.
Der Hohepriester schaut auf die Kleine und lächelt. Sie muß ihm
sehr klein erscheinen zu Füßen der großen Treppe, die eines ägypti-
schen Tempels würdig ist! Er erhebt die Arme zum Himmel, um zu
beten. Alle neigen ihr Haupt, wie überwältigt von der priesterlichen
Majestät, die mit der ewigen Majestät in Verbindung steht.
Und sieh da. Er macht Maria einen Wink. Sie löst sich von Mutter
und Vater wie verzückt und steigt empor und lächelt. Sie lächelt
im Schatten des Tempels, dort, wo der kostbare Vorhang herabwallt.
Jetzt ist sie oben angelangt vor den Füßen des Hohenpriesters, der
ihr die Hände auf das Haupt legt.
Das Opfer ist angenommen worden. Hatte der Tempel je eine rei-
nere Opfergabe gesehen?
Dann wendet sich der Hohepriester um; er legt ihr die Hand auf
die Schulter, wie um sie, das makellose Lämmlein, zum Altar zu füh-
ren; er geleitet sie zum Tor des Tempels, und bevor er sie eintreten
läßt, fragt er sie: »Maria, Tochter Davids, kennst du dein Gelübde?«
Auf das mit dem silbernen Stimmchen gesprochene »Ja«, ruft er:
»Tritt ein, wandle in meiner Gegenwart und sei vollkommen!« [Gen
17,1]. Maria tritt ein, der Schatten verschlingt sie, und die Gruppen
der Jungfrauen und der Meisterinnen, dann auch die der Leviten,
verdecken sie immer mehr und trennen sie . . .
Sie ist verschwunden . . . Jetzt drehen sich auch die Pfortenflügel
in ihren harmonischen Angeln. Ein immer enger werdender Spalt
erlaubt, den festlichen Zug noch zu sehen; jetzt ist es nur noch ein
Faden, jetzt nichts mehr. Das Tor ist geschlossen.
Auf den letzten Akkord der klangvollen Angeln antwortet ein
Schluchzen der beiden betagten Eltern und ein einziger Ruf: »Maria,
Tochter!« Dann ein Seufzen der beiden, die sich gegenseitig anrufen:
»Anna!«, »Joachim!« und schließlich sagen: »Ehre sei dem Herrn, der
sie aufnimmt in sein Haus und sie auf ihren Wegen leitet!«
90
14 »Die ewig Jungfräuliche hat nur einen Gedanken: ihr Herz
hinzurichten auf Gott«
Jesus spricht:
»Der Hohepriester hatte gesagt: „Wandle in meiner Gegenwart
und sei vollkommen!“ Der Hohepriester wußte nicht, daß er zu einer
Frau sprach, die in ihrer Vollkommenheit nur Gott nachstand. Aber
er sprach im Namen Gottes, und daher war seine Anweisung heilig.
Heilig ganz besonders ihr gegenüber, die „voll der Weisheit“ war.
Maria hatte es verdient, daß die „Weisheit sich ihrer annahm und
sich ihr zuerst zeigte“, denn „von Anbeginn hatte sie an ihrer Pforte
gewacht, und im Verlangen, unterwiesen zu werden, wollte sie rein
sein, um die vollkommene Liebe zu erlangen und zu verdienen und
sie als Lehrmeisterin zu haben“ [Spr 8,17–34].
In ihrer Demut wußte sie nicht, daß sie sie schon besaß, bevor sie
geboren wurde (d. h. schon bei der Empfängnis), und daß die Ver-
einigung mit der Weisheit nur die Fortsetzung der göttlichen Herz-
schläge im Paradiese war. Sie konnte sich das nicht vorstellen. Und
als Gott geheimnisvolle Worte in der Stille ihres Herzens sprach, so
dachte sie in ihrer Demut, es seien vom Hochmut eingeflößte Gedan-
ken. Sofort erhob sie ihr unschuldiges Herz zu Gott und flehte ihn
an: „Habe Erbarmen mit deiner Dienerin, o Herr!“
Oh! wirklich, die wahre Weise, die ewig Jungfräuliche, hat von
Anfang an nur einen Gedanken gehabt: Ihr Herz zu Gott hinzuwen-
den, zu wachen für den Herrn, zu beten vor dem Allerhöchsten, um
Verzeihung zu bitten für die Schwächen ihres Herzens, an die sie
in ihrer Demut glaubte; und sie wußte dabei noch nicht, daß sie im
voraus für die Sünder um Vergebung bat, wie sie es später zu Füßen
des Kreuzes zusammen mit ihrem sterbenden Sohn getan hatte.
„Wenn dann der große Herr es will, wird sie erfüllt sein vom Geist
der Einsicht“ [Sir 39,6]. Dann wird sie auch ihre erhabene Sendung
begreifen. Jetzt ist sie nichts weiter als ein Kind, das im heiligen
Frieden des Tempels immer mehr ihr Reden, ihre Gefühle und ihre
Erinnerungen mit Gott verbindet.
91
Das ist für alle.
Und dir, kleine Maria Valtorta, hat der Meister dir nichts Persönliches zu sagen?
„Wandle in meiner Gegenwart und sei vollkommen!“ Ich ändere diesen heiligen
Ausspruch leicht und richte ihn an dich, als Befehl: „Sei vollkommen in der Liebe,
vollkommen in der Hochherzigkeit, vollkommen im Leiden!“
Schau noch einmal auf die Mutter und betrachte das, was so viele nicht wissen
oder nicht wissen wollen, weil der Schmerz für ihren Geschmack und für ihren
Geist zu bitter ist. Der Schmerz! Maria hat ihn gekannt von der ersten Stunde ih-
res Lebens an. Vollkommen sein, wie sie es war, bedeutete auch, eine vollkommene
Empfindsamkeit besitzen. Daher mußte ihr das Opfer viel schwerer erscheinen; des-
halb aber war es auch verdienstvoller. Wer Reinheit besitzt, besitzt Liebe; wer Liebe
hat, hat Weisheit; wer Weisheit besitzt, besitzt Hochherzigkeit und Heldentum; er
weiß, warum er sich opfert.
Erhebe deinen Geist, auch wenn das Kreuz dich niederdrückt, dich zerreißt, dich
tötet! Gott ist mit dir!«
15 Der Tod von Joachim und Anna
Jesus spricht:
»Wie bei einer schnellen Abenddämmerung im Winter, bei der
ein Schneesturm die Wolken am Himmel häuft, so wurde es über
dem Leben meiner Großeltern schnell Nacht, nachdem ihre „Sonne“
sich vor dem heiligen Vorhang des Tempels niedergelassen hatte, um
dort zu erstrahlen.
Aber ist nicht gesagt worden: „Die Weisheit gibt Leben ihren Kin-
dern, nimmt unter ihren Schutz diejenigen, die sie suchen . . . Wer
sie liebt, liebt das Leben, und wer vor ihr wacht, erfreut sich ihres
Friedens. Wer sie besitzt, der wird das Leben erben . . . Wer ihr dient,
wird dem Heiligen gehorchen, und wer sie liebt, wird von Gott sehr
geliebt . . . Wer an sie glaubt, wird sie zur Erbschaft haben, und sie
wird seiner Nachkommenschaft sicher sein. Zuerst erwählt sie ihn;
dann sendet sie ihm Ängste, Furcht und Prüfungen; sie wird ihn
quälen mit der Geißel ihrer Zucht, bis seine Gedanken von ihr erfüllt
sind und sie ihm trauen kann. Dann aber wird sie ihm Beständigkeit
geben; sie wird sich ihm wieder zuwenden, ihn geradeaus führen
92
und ihm Zufriedenheit geben. Sie wird ihm ihre Geheimnisse auf-
decken, wird in ihn die Schätze ihres Wissens und ihrer Einsicht in
die Gerechtigkeit legen.“ [Sir 4,12–21].
Ja, all das ist schon gesagt worden. Die Bücher der Weisheit gelten
für alle Menschen, da sie in ihnen einen Spiegel ihrer Lebensführung
und einen Führer haben. Glücklich aber sind jene, die unter die gei-
stigen Liebhaber der Weisheit gezählt werden können.
Ich habe mich in meiner irdischen Verwandtschaft mit Weisen um-
geben. Anna, Joachim, Josef, Zacharias und noch mehr Elisabet und
der Täufer, waren sie nicht wirklich weise? Ich will nicht von meiner
Mutter sprechen, in der die Weisheit sich niedergelassen hatte.
Von der Jugend bis zum Grab hatte die Weisheit meine Großeltern
eine gottgefällige Lebensweise gelehrt, und wie ein Zelt vor den Fu-
rien der Elemente schützt, so wurden sie von jener vor der Gefahr
der Sünde bewahrt. Die heilige Gottesfurcht ist die Wurzel des Bau-
mes der Weisheit, der seine Zweige ausstreckt, um mit seinem Gipfel
die stille Liebe in ihrem Frieden zu erreichen, die friedliche Liebe in
ihrer Sicherheit, die sichere Liebe in ihrer Treue, die treue Liebe in
ihrer Glut, die vollkommene, hochherzige, tätige Liebe der Heiligen.
„Wer die Weisheit liebt, liebt das Leben“, sagt der Ekklesiastikus
[Sir 4,13–14]. Aber dasselbe besagt auch mein Wort: „Wer sein Le-
ben verliert um meiner Liebe willen, wird es retten“ [Mt 16,25; Mk
8,35; Lk 9,24]. Denn da ist nicht die Rede vom armen Leben dieser
Erde, sondern von dem ewigen; nicht von den Freuden einer Stunde,
sondern von den unsterblichen.
Joachim und Anna haben sie in diesem Sinn geliebt. Und sie war
mit ihnen in ihren Prüfungen. Oh, wie viele von euch möchten, ohne
von Grund auf böse zu sein, nie weinen und leiden müssen! Wieviel
aber hatten diese Gerechten zu leiden, die es verdienten, Maria als
Tochter zu besitzen!
Politische Verfolgungen, die sie aus dem Land Davids vertrieben,
ließen sie aufs äußerste verarmen. Die Traurigkeit, ihre Jahre verflie-
ßen zu sehen, ohne daß eine Blüte ihnen gesagt hätte: „In mir lebt
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ihr weiter!“ Und später das Bangen, sie nie als Frau aufblühen zu
sehen, da sie ihnen erst im Alter geschenkt worden war. Schließlich
der Schmerz, sie sich vom Herzen reißen zu müssen, um sie auf dem
Altar Gottes niederzulegen. Nun mußten sie in einem noch größeren
Schweigen leben, nun, da sie sich an das Gurren ihrer Turteltaube,
an das Geräusch ihrer Schrittchen, an das Lächeln und an die Küsse
ihres Kindes gewöhnt hatten. In diesen Erinnerungen sollten sie die
Stunde Gottes abwarten. Und weiter: Krankheiten, Heimsuchungen
durch Unwetter, durch die Anmaßung der Mächtigen . . . So viele
Rückschläge in der schwachen Burg ihres bescheidenen Wohlstan-
des. Damit noch nicht genug: die Sorge um ihr fernes Kind, das al-
lein und arm ist, und das trotz aller Mühe und Opfer nur mit einem
Rest des väterlichen Besitztums zurückbleiben wird. Und wie wird
sie es vorfinden, wenn es jahrelang unbebaut geblieben ist, verschlos-
sen in Erwartung ihres Kommens? Befürchtungen, Ängste, Prüfun-
gen und Versuchungen. Aber Treue, Treue, immer Treue Gott gegen-
über. Die Versuchung war groß: nicht zu verzichten auf den Trost
der Tochter in der Zeit, da ihr Leben sich seinem Ende zuneigte.
Aber die Kinder gehören noch vor den Eltern Gott. Und jedes
Kind kann sagen: „Weißt du nicht, daß ich die Belange des Vaters im
Himmel tun muß?“ [Lk 2,49]. Jeder Vater und jede Mutter muß ler-
nen, sich so zu verhalten, wie Maria und Josef im Tempel, wie Anna
und Joachim im Haus von Nazaret, das immer leerer und trauriger
wurde, in dem aber eins sich nicht verminderte und vielmehr immer
anwuchs: die Heiligkeit der beiden Herzen, die Heiligkeit einer Ehe.
Was bleibt dem kranken Joachim und seiner leidenden Gattin als
Lichtstrahl an den langen und stillen Abenden, in denen sie den na-
hen Tod fühlen? Die Kleidchen, die ersten Sandälchen, das einfache
Spielzeug ihrer fernen Kleinen und die Andenken, die Erinnerun-
gen. Aber es erfüllt sie auch ein großer Friede; denn sie können sich
sagen: „Ich leide, aber ich habe meine Pflicht getan aus Liebe zu
Gott.“
Und sieh, da steigt in ihnen eine übermenschliche Freude auf in
94
einem himmlischen Licht, das den Kindern der Welt unbekannt ist
und das sich nicht verdunkelt, wenn es auf die schweren Augen-
lider zweier Sterbender fällt, sondern in der letzten Stunde noch
heller leuchtet und Wahrheiten offenbart, die während des ganzen
Lebens in ihrer Seele geschlummert haben, sozusagen wie die in
den Puppen eingeschlossenen Schmetterlinge, die nur durch leicht
schimmernde Bewegungen von ihrem Dasein Zeichen geben, wäh-
rend sie jetzt ihre Sonnenschwingen öffnen, so daß die Worte sicht-
bar werden, die zur Zierde auf ihnen stehen. Und das Leben erlöscht
in dem Bewußtsein einer seligen Zukunft für sie und ihre Nachkom-
menschaft und mit einem Segensspruch auf den Lippen für ihren
Gott.
So war der Tod meiner Großeltern. So entsprach er ihrem heili-
gen Leben. Wegen ihrer Heiligkeit verdienten sie, die ersten Hüter
der von Gott Geliebten zu sein, und erst als sich an ihrem Lebens-
abend eine noch größere Sonne zeigte, erahnten sie die Gnade, die
Gott ihnen zuteil hatte werden lassen. Wegen ihrer Heiligkeit hat-
te Anna keine Geburtswehen ertragen müssen und stattdessen die
von ekstatischem Glück begleitete Geburt der Makellosen erlebt. Für
beide gab es keine Agonie, nur eine Mattigkeit, die erlosch, wie ein
Stern sanft erlöscht, wenn die Sonne in der Morgenröte aufgeht. Und
wenn sie auch nicht den Trost hatten, mich, die fleischgewordene
Weisheit, zu besitzen wie Josef, so war ich doch bei ihnen und sagte
ihnen, gebeugt über ihre Kissen, erhabene Worte, um sie in Frieden
einschlafen zu lassen in der Erwartung des Triumphes.
Da höre ich jemanden fragen: „Warum brauchten sie nicht zu
leiden beim Gebären und in der Todesstunde, da sie doch Kin-
der Adams waren?“ Und ich antworte ihm: „Wenn der Täufer, als
Adamssohn mit der Erbsünde empfangen, vor seiner Geburt gehei-
ligt wurde, weil er in meine Nähe gekommen war, der ich im Schoß
meiner Mutter gegenwärtig war, sollte da keinen Gnadenvorzug ha-
ben die heilige Mutter der Heiligen, der Makellosen, der von Gott
Bewahrten, die einen Gott in sich trug in ihrem fast göttlichen Geist
95
und in ihrem keimenden Herzen, die sich nie von ihm getrennt hat-
te, seit sie vom Vater erdacht worden war und schließlich heimkehr-
te, um Gott vollkommen zu besitzen im Himmel in der glorreichen
Ewigkeit?“ Und ich füge noch hinzu: „Das gute Gewissen verleiht
einen guten Tod, und die Gebete der Heiligen erlangen euch ein
seliges Sterben.“
Joachim und Anna hatten ein ganzes Leben guten Gewissens hin-
ter sich, und dieses diente ihnen als Führer zum Himmel; und sie
hatten die „Heilige“ in Anbetung vor dem Altar Gottes. Sie betete
für die von ihr getrennten Eltern, die bei ihr nach Gott, dem höch-
sten Gut, kamen; sie liebte sie, wie es das Gesetz und auch das un-
endliche Herz verlangen, jedoch mit einer übernatürlich vollkomme-
nen Liebe.«
16 »Du sollst die Mutter des Gesalbten sein«
Erst gestern, Freitagabend, wurde mein Geist erleuchtet zum Schauen; ich habe
aber nichts anderes gesehen als . . .
. . . eine ganz junge Maria: eine höchstens zwölfjährige Maria, de-
ren Gesichtchen nicht mehr das Rundliche der Kindheit hat, wohl
aber schon die künftigen Züge der Frau im Oval, das sich verlän-
gert. Auch die Haare fallen nicht mehr mit ihren Locken aufgelöst
über den Hals herab; sie sind in zwei schwere Zöpfe von blassem
Gold geflochten und wie mit Silber gemischt, so hell sind sie; sie
bedecken die Schultern und reichen bis zu den Hüften. Der Blick ist
nachdenklicher und reifer geworden, obgleich das Gesicht noch im-
mer kindliche Züge aufweist. Ein schönes, reines Mädchen, das ganz
in Weiß gekleidet in einer kleinen, weißen Kammer näht. Durch das
weit geöffnete Fenster ist das mächtige zentrale Gebäude des Tem-
pels sichtbar mit allen Treppen, den Höfen und den Säulengängen;
dann die Umfassungsmauern und jenseits die Stadt mit ihren Gas-
sen, Häusern und Gärten, und im Hintergrund der grüne Gipfel des
Ölberges.
96
Sie näht und singt mit leiser Stimme. Ich weiß nicht, ob es ein
heiliger Gesang ist. Er lautet:
»Wie ein Stern im klaren Gewässer,
ein Licht mir leuchtet im Herzensgrund.
Seit meiner Kindheit weicht es nicht von mir,
und es geleitet mich sanft, voller Liebe.
Im Grund des Herzens tönt ein Gesang.
Woher mag er wohl kommen?
O Mensch, du weißt es nicht.
Von dort, wo der Heilige wohnt.
Ich schaue auf meinen hellen Stern,
ich will nichts, was nicht so ist,
und sei es noch so süß und teuer,
wie dieses sanfte Licht, das ganz mir gehört.
Du hast mich getragen von den Himmelshöhen,
Stern, hinein in einen Mutterschoß.
Du lebst jetzt in mir, doch hinter den Schleiern
sehe ich das Antlitz des Vaters.
Wann gibst du deiner Magd die Ehre,
die demütige Magd des Erlösers zu sein?
Sende uns, sende uns vom Himmel den Messias!
Heiliger Vater, nimm das Opfer Marias an!«
Maria schweigt, lächelt und seufzt; dann fällt sie zum Gebet auf
die Knie. Ihr Antlitz ist ganz Licht. Hochaufgerichtet zum klaren
Blau eines schönen Sommerhimmels scheint sie die ganze Lichtfülle
97
einzuatmen und wieder auszustrahlen. Oder besser noch: aus ihrem
Inneren scheint eine verborgene Sonne Licht auszustrahlen, den ro-
sa Schnee der Haut Marias zu entzünden und sich über die Dinge
zu ergießen, selbst über die Sonne, die auf die Erde scheint, Segen
spendet und viel Gutes verheißt.
Während Maria sich anschickt, sich nach ihrem liebeglühenden
Gebet zu erheben, und ihr Antlitz in leuchtendem Entzücken glüht,
tritt die Greisin Hanna des Penuël ein. Erstaunt oder wenigstens vol-
ler Bewunderung über die Haltung und den Anblick Marias bleibt
sie stehen. Dann ruft sie: »Maria!«, und das Mädchen wendet sich
um mit einem Lächeln, das neu, aber nicht weniger schön ist, und
grüßt: »Hanna, der Friede sei mit dir!«
»Hast du gebetet? Hast du nie das Gefühl, genug gebetet zu ha-
ben?«
»Das Gebet würde mir genügen, aber ich spreche mit Gott. Hanna,
du kannst nicht wissen, wie nahe ich mich ihm fühle. Mehr als nahe:
er ist in meinem Herzen. Gott möge mir solchen Übermut verzei-
hen. Aber ich fühle mich nicht allein. Siehst du, dort in jenem Haus
von Gold und von Schnee, hinter dem doppelten Vorhang, befindet
sich der Heilige der Heiligen. Nie vermag ein Auge, abgesehen von
dem des Hohenpriesters, auf den Sühnealtar zu blicken, auf dem
die Herrlichkeit des Herrn ruht. Aber ich brauche diesen doppelten
Vorhang, der sich bewegt beim Gesang der Jungfrauen und Leviten
und duftet von kostbarem Weihrauch, nicht mit ehrfurchtsvoller See-
le anzuschauen, wie um das doppelte Gefüge zu durchbohren und
das Zeugnis des Bundes durchleuchten zu lassen. Ja, ich schaue ihn
an. Fürchte nicht, daß ich es nicht mit ehrfürchtigem Auge tue, wie
jeder Sohn Israels! Fürchte nicht, daß der Stolz mich blende bei dem
Gedanken an das, was ich dir sage! Ich schaue ihn an, und es gibt
keinen Knecht im Volk Gottes, der das Haus Gottes, seines Herrn,
demütiger anschaut, als ich es tue, die ich überzeugt bin, die Ge-
ringste von allen zu sein. Aber was sehe ich? Was stelle ich mir vor
hinter dem Vorhang? Ein Zelt. Und was hinter ihm? . . .
98
Wenn ich mir aber ins Herz blicke, da sehe ich Gott leuchten in sei-
ner Herrlichkeit der Liebe, und er sagt zu mir: „Ich liebe dich“, und
ich sage zu ihm: „Ich liebe dich“, und ich schmelze dahin und richte
mich auf bei jedem Herzschlag bei diesem gegenseitigen Kuß . . .
Ich bin mitten unter euch, meine teuren Lehrmeisterinnen und
Gefährtinnen. Aber ein Kreis von Flammen sondert mich von euch
ab. In dem Kreis befinden sich Gott und ich. Und ich sehe euch
durch das Feuer Gottes, und so liebe ich euch . . . Aber ich kann
euch nicht dem Fleisch nach lieben und nie werde ich jemanden dem
Fleisch nach lieben. Meine einzige Liebe ist Er, der mich liebt, und
zwar dem Geiste nach. Ich kenne mein Los. Das Gesetz Israels will,
daß jedes Mädchen eine Braut werde, und jede Braut eine Mutter
[Gen 1,28; 9,1; Tob 8,9; Num 36,6–10; 1 Tim 5,14]. Ich will dem Gesetz
gehorchen; ich gehorche aber auch der Stimme, die mir sagt: „Ich
will dich.“ Jungfrau bin ich und werde ich sein. Wie werde ich es
machen können? Die süße, unsichtbare Gegenwart, die mit mir ist,
wird mir helfen, denn sie will es; ich fürchte mich nicht.
Ich habe keinen Vater und keine Mutter mehr . . . und der Ewige
allein weiß, wie dieser Verlust alles, was menschlich in mir war, ver-
brannt hat. Es verbrannte, und ich erlitt einen tiefen Schmerz. Jetzt
habe ich nichts mehr als Gott. Ihm gehorche ich daher blindlings . . .
Ich hätte es auch gegen den Willen des Vaters und der Mutter getan;
denn die Stimme lehrt mich, daß der, der ihr folgen will, an Vater
und Mutter, an den lieben Wächtern der äußeren Mauern eines Kin-
derherzens, vorüberschreiten muß. Die Eltern wollen ihre Kinder
auf ihre Weise zum Glück führen . . . und sie wissen nicht, daß es
andere Wege gibt, deren Freude und Friede unendlich sind . . . Ich
hätte auf Kleider und Mantel verzichtet, um der Stimme zu folgen,
die mir sagt: „Komm, du meine Geliebte, meine Braut!“ Alles hät-
te ich zurückgelassen, sowohl die Tränen – denn ich hätte geweint,
weil ich ihnen nicht hätte gehorchen können – als auch die Rubinen
meines Blutes – denn auch dem Tod hätte ich getrotzt, um der rufen-
den Stimme zu folgen; sie hätten ihnen gesagt, daß es noch etwas
99
Größeres und Süßeres gibt als die Liebe zu Vater und Mutter: die
Stimme Gottes.
Aber jetzt hat mich sein Wille auch von diesen Banden der Kin-
desliebe gelöst. Meine Eltern waren zwei Gerechte, und Gott sprach
sicher in ihnen, wie er in mir spricht. Sie waren der Gerechtigkeit
und der Wahrheit gefolgt. Wenn ich an sie denke, stelle ich sie mir
in der Ruhe der Erwartung unter den Patriarchen vor, und ich be-
schleunige mit meinem Opfer die Ankunft des Messias, um ihnen
die Pforten des Himmels zu öffnen. Auf Erden bin ich es, die mich
lenkt, oder vielmehr, es ist Gott, der seine arme Dienerin lenkt und
ihr seine Gebote vorschreibt; und ich erfülle sie, denn sie zu erfüllen
ist eine Freude. Wenn die Stunde kommt, werde ich meinem Bräuti-
gam mein Geheimnis mitteilen . . . und er wird es annehmen.«
»Aber Maria . . . welche Worte werden dir helfen, ihn zu überre-
den? Du wirst die Liebe eines Menschen, das Gesetz und das Leben
gegen dich haben.«
»Auf meiner Seite aber habe ich Gott . . . Gott wird das Herz des
Bräutigams dem Licht öffnen . . . Das Leben wird die Stachel der
Sinne verlieren und eine Blume werden, die den Duft der Liebe hat.
Das Gesetz . . . Hanna, nenne mich nicht eine Gotteslästerin . . . aber
ich glaube, das Gesetz wird geändert werden. Von wem, fragst du,
da es göttlich ist? Von dem einzigen, der es ändern kann: von Gott.
Die Zeit ist nahe, näher als ihr denkt, ich sage es euch. Denn bei
der Lesung Daniels [Dan 9,24] entzündet sich im Innersten meines
Herzens ein großes Licht, und mein Geist erfaßt den Sinn der ge-
heimnisvollen Worte. Abgekürzt werden die siebzig Wochen durch
die Gebete der Gerechten. Verändert sich so die Zahl der Jahre? Nein.
Prophezeiungen lügen nicht. Aber weder der Lauf der Sonne, noch
der des Mondes ist das Maß der prophetischen Zeit; daher sage ich:
„Die Stunde ist nah, die das Wimmern des von der Jungfrau Gebore-
nen hören wird.“
Oh! Oh! möchte dieses Licht, das mich liebt und das mir soviel
mitteilt, mir sagen, wo die Glückliche ist, die ihrem Volk den Sohn
100
und den Messias gebären wird! Barfuß würde ich die Welt durch-
eilen, weder Kälte und Eis, noch Hitze und Staub, noch Tiere und
Hunger würden mich daran hindern, zu ihr zu gelangen und ihr
zu sagen: „Gestatte deiner Dienerin und der Magd der Knechte des
Gesalbten, unter deinem Dach zu leben. Ich werde den Mühlstein
drehen und die Presse; als Sklavin mich an die Mühle stellen; deine
Herde will ich hüten und die Windeln deines Kindes waschen; set-
ze mich in deine Küche, stelle mich an deinen Ofen . . . wohin du
willst; aber nimm mich an! Damit ich ihn sehe! Seine Stimme höre!
Seinen Blick auffange!“ Und wenn sie mich nicht wollte, so würde
ich an ihrer Tür von Almosen und Spott leben, unter freiem Himmel
und heißer Sonne, nur um die Stimme des Messiaskindes und das
Echo seines Lachens zu hören; um ihn vorübergehen zu sehen und
vielleicht eines Tages von ihm ein Scherflein Brot zu erhalten . . . Oh!
wenn auch der Hunger meine Eingeweide zerreißen und ich ohn-
mächtig werden sollte nach den größten Entbehrungen: ich würde
dieses Brot nicht essen! Ich würde es wie ein Säcklein voller Perlen
an mein Herz drücken und es küssen, um den Wohlgeruch der Hän-
de des Gesalbten zu spüren, und ich hätte keinen Hunger und keine
Kälte mehr; denn diese Berührung würde mir Verzückung und Wär-
me, Verzückung und Speise sein . . . «
»Du solltest die Mutter des Gesalbten sein, da du ihn so liebst!
Willst du deshalb Jungfrau bleiben?«
»Oh! nein. Ich bin Elend und Staub. Ich wage nicht, den Blick
zur Herrlichkeit Gottes zu erheben. Und das ist der Grund, weshalb
ich lieber in das Innere des Herzens schaue als auf den doppelten
Vorhang, auf dessen anderer Seite ich die unsichtbare Gegenwart
Jehovas weiß. Dort ist der furchtbare Gott des Sinai; hier aber in
mir sehe ich unseren Vater, ein liebevolles Antlitz, das mir zulächelt
und mich segnet; denn ich bin klein wie ein Vöglein, das der Wind
mit sich trägt, ohne seine Schwere zu fühlen, und schwach wie der
Stiel des wilden Maiblümchens, das nur zu blühen und Duft zu ver-
breiten weiß und dem Wind keine andere Kraft entgegenstemmt als
101
die seiner duftenden und reinen, süßen Sanftmut. Gott, mein Liebes-
hauch! Dem von Gott und einer Jungfrau geborenen, dem Heiligsten,
kann nichts anderes gefallen als das, was er im Himmel zur Mutter
erwählt hat und was ihm auf Erden vom himmlischen Vater spricht:
die Reinheit. Wenn das Gesetz dies betrachten würde, wenn die Rab-
bis, die es mit all den Spitzfindigkeiten ihrer Lehren versehen haben,
ihren Sinn auf höhere Horizonte hinwenden würden, wenn sie sich
eintauchen würden in das Übernatürliche, ohne das Menschliche
und den eigenen Vorteil zu suchen, worüber sie das höchste Ziel
vergessen . . . wenn sie das aufgeben würden, dann würden sie ihre
Unterweisung vor allem auf die Reinheit hinrichten, damit der Kö-
nig Israels bei seiner Ankunft diese vorfinde. Mit dem Ölbaum des
Friedfertigen, mit den Palmen des Triumphators streut Lilien, Lilien
und immer wieder Lilien!
Wieviel Blut wird er vergießen müssen, um uns zu erlösen, der
Heiland! Wieviel! Aus den tausend und tausend Wunden, die Jesaja
am Mann der Schmerzen sah! [Jes 53,5]. Sieh, wie der Tau aus einem
porösen Gefäß, fällt nun ein Regen von Blut.
Möge es nicht hinfallen, wo es Entheiligung und Gotteslästerung
vorfindet, dieses göttliche Blut, sondern in Kelche von leuchtender
Reinheit, die es aufnehmen und sammeln, um es dann über seelisch
Kranke zu sprengen, über die Aussätzigen im Geiste und die für
Gott Gestorbenen! Reicht ihm Lilien, Lilien, um mit dem weißen Ge-
wand reiner Blütenblätter den Schweiß und die Tränen des Gesalb-
ten zu trocknen! Gebt Lilien, gebt Lilien für das heilige Fieber des
Märtyrers! Oh! Wo wird die Lilie sein, die dich trägt? Die deinen
Durst stillen wird? Wo ist jener, den dein Blut röten und der sterben
wird, indem er dich sterben sieht? Wo ist der, der weint über deinem
blutentleerten Leib? Oh, Christus! Christus! Meine Sehnsucht! . . . «
Maria schweigt, weinend und überwältigt.
Auch Hanna schweigt und sagt dann mit der reinen Stimme
der bewegten Greisin: »Hast du mich noch anderes zu lehren, Ma-
ria? . . . «
102
Maria schüttelt sich. Sie muß wohl in ihrer Demut glauben, daß
ihre Meisterin sie tadelt, denn sie sagt: »Oh! Verzeihung! Du bist die
Meisterin, und ich bin ein armes Nichts. Aber diese Stimme steigt
mir aus dem Herzen empor. Ich überwache sie gut, um nicht zu spre-
chen. Aber wie ein Fluß, dessen Wasser über die Ufer tritt und die
Dämme durchbricht, so hat es mich erfaßt und ist durchgebrochen.
Achte nicht auf meine Worte und demütige meine Anmaßung! Die
geheimnisvollen Worte sollten verborgen bleiben in der geheimen
Lade des Herzens, die Gott in seiner Güte beschenkte. Aber sie ist
so liebreich, diese unsichtbare Gegenwart, daß ich davon trunken
bin . . . Hanna verzeihe mir, deiner kleinen Magd!«
Hanna drückt sie an sich, und das faltenreiche, alte Antlitz bebt
und glänzt vom Weinen. Die Tränen bahnen sich zwischen den Fal-
ten einen Weg, wie Wasser auf einem trockenen Erdreich. Aber die
alte Meisterin erregt kein Lachen; vielmehr bewirkt ihr Weinen höch-
ste Verehrung.
Maria liegt in ihren Armen, das Gesichtchen an die Brust der grei-
sen Meisterin gelehnt, und alles endet so.
17 »Sie schaute wieder, was ihr Geist in Gott gesehen hatte«
Jesus spricht:
»Maria dachte an Gott. Sie träumte von Gott; sie glaubte zu träu-
men. Sie tat nichts anderes, als wiederzusehen, was ihr Geist im
Glanz des Himmels Gottes geschaut hatte, da sie erschaffen wurde,
um mit dem auf der Erde empfangenen Leib vereinigt zu werden.
Sie teilte mit Gott, wenn auch in viel geringerem Maß, so wie die Ge-
rechtigkeit es verlangt, eine der Eigenschaften Gottes: die des Sich-
Erinnerns, des Schauens und Vorausschauens, durch eine erhabene
und vollkommene, nicht durch die Erbsünde verletzte Intelligenz.
Der Mensch ist nach dem Bild Gottes erschaffen worden. Eine der
Ähnlichkeiten besteht in der Fähigkeit des von der Gnade erfüllten
Geistes, sich zu erinnern, zu sehen und vorauszusehen. Das erklärt
103
die Fähigkeit, in der Zukunft zu lesen: eine Fähigkeit, die oft direkt
aus dem Willen Gottes entspringt, andere Male aus der Erinnerung,
die auftaucht, wie die Sonne am Morgen, und einen bestimmten
Punkt des Horizontes der Jahrhunderte beleuchtet, der schon gese-
hen ward vom Schoß Gottes aus. Dies sind Geheimnisse, die zu hoch
sind, als daß ihr sie voll begreifen könntet.
Aber denkt einmal nach! Diese höchste Intelligenz, dieser Gedan-
ke, der alles weiß, diese Schau, die alles sieht, die euch erschuf durch
einen Willensakt und mit einem Hauch seiner unendlichen Liebe
und euch zu seinen Kindern machte durch euren Ursprung und zu
seinen Söhnen durch eure Bestimmung: könnte sie etwas geben, was
von ihr verschieden ist? Sie gibt es euch in unendlich kleinem Maß
(nicht im pantheistischen, sondern im theologischen Sinn „einer Teil-
nahme an der göttlichen Natur“ zu verstehen). Denn das Geschöpf
könnte den Schöpfer nicht umfassen. Aber dieser Teil ist vollkom-
men und vollständig in seiner Kleinheit.
Welch einen Schatz von Intelligenz hat Gott dem Menschen, dem
Adam gegeben! Die Schuld hat sie verringert, aber mein Opfer ver-
vollständigt sie wieder und öffnet euch ihrem Leuchten, ihrem Strö-
men und ihrem Wissen.
Erhabenheit des menschlichen Geistes, der durch die Gnade mit
Gott verbunden ist. Er ist teilhaftig der Fähigkeit Gottes, zu erken-
nen.
Es gibt keinen andren Weg. Das sollen alle bedenken, die überna-
türliche Geheimnisse begreifen möchten. Jede Erkenntnis, die nicht
aus einer von der Gnade erfüllten Seele kommt – der aber ist nicht in
der Gnade, der gegen das Gesetz Gottes handelt, das klar in seinen
Geboten ist – kann nur von Satan kommen und entspricht schwer-
lich der Wahrheit, auch wenn sie Menschliches zum Gegenstand hat.
Nie entspricht sie der Wahrheit, wenn es um Übermenschliches geht;
denn der Dämon ist der Vater der Lüge und zieht euch mit auf den
Pfad der Lüge. Es gibt keinen andren Weg, das Wahre zu erkennen,
als den von Gott stammenden, der redet und spricht oder uns etwas
104
ins Gedächtnis ruft, wie ein Vater dem Sohn sein Vaterhaus ins Ge-
dächtnis ruft und sagt: „Erinnerst du dich, als du mit mir dieses oder
jenes tatest, dieses sahst oder jenes hörtest? Erinnerst du dich daran,
als du von mir den Abschiedskuß erhieltst? Erinnerst du dich, als
du mich das erste Mal sahst, die strahlende Sonne meines Antlitzes
auf deiner jungfräulichen, eben erschaffenen und noch reinen Seele,
die du, kaum daß sie aus mir hervorgegangen, befleckt und damit
geschwächt hast? Erinnerst du dich, daß du in einer Regung der Lie-
be verstanden hast, was die Liebe ist, was das Geheimnis unseres
Seins und unserer Entwicklung ist?“ Und was die beschränkte Fas-
sungskraft des Menschen in der Gnade nicht erreicht, das ergänzt
der Geist des Wissens, der spricht und unterweist.
Aber, um den Heiligen Geist zu besitzen, bedarf man der Gnade!
Um die Wahrheit und das Wissen zu besitzen, bedarf es der Gnade.
Um den Vater mit sich zu haben, ist Gnade erforderlich. Das Zelt,
in dem die drei Personen wohnen, ist der Ort der Versöhnung, an
dem der Ewige ruht und nicht aus einer Wolke spricht, sondern dem
getreuen Sohn sein Antlitz enthüllt.
Die Heiligen (die Gerechten) erinnern sich Gottes und der Worte,
die sie gehört haben vom Schöpfergeist und die die göttliche Liebe
in ihrem Herzen erweckt, um sie wie Adler zur Betrachtung des
Wahren und zur Erkenntnis der Zeit zu erheben.
Maria war die Gnadenvolle. Die ganze Gnade des Dreieinigen war
in ihr. Die ganze Gnade des Einen und Dreieinen bereitete sie als
Braut für die Hochzeit vor, als Brautgemach für das Kind, als Göttli-
che zur Mutterschaft und zu ihrer Sendung. Sie ist es, die den Kreis
der Prophetinnen des Alten Testaments schließt und den der „Wort-
träger Gottes“ im Neuen Testament eröffnet.
Wahre Arche des Wortes Gottes, schaut sie hinein in ihr in Ewig-
keit unverletztes Innere, entdeckt sie, geschrieben vom Finger Gottes
auf ihr unbeflecktes Herz, die Worte des ewigen Wissens und erin-
nert sich wie alle Heiligen, sie bereits in ihrem unsterblichen Geist
gehört zu haben beim Geborenwerden, von Gott, dem Vater und
105
Schöpfer allen Lebens. Und wenn sie sich nicht an alle ihre künfti-
gen Aufgaben erinnert, so geschieht das, weil Gott in jeder mensch-
lichen Vollkommenheit Lücken läßt nach dem Gesetz der göttlichen
Klugheit, die Güte ist und Verdienst bedeutet für das Geschöpf.
Die zweite Eva, Maria, mußte sich ihren Verdienstanteil als Mutter
Christi durch einen treuen, guten Willen erwerben, den Gott auch in
seinem Gesalbten haben wollte, um ihn zum Erlöser zu machen.
Der Geist Marias war im Himmel, Gemüt und Fleisch auf der Erde,
und sie mußte Erde und Fleisch mit Füßen treten, um den Geist zu
erreichen und ihn mit dem Heiligen Geist in fruchtbarer Umarmung
zu verbinden.«
18 »Gott wird dir den Bräutigam geben, und er
wird heilig sein, denn du vertraust auf Gott.
Du sollst ihm dein Gelübde bekennen«
Welch eine Höllennacht! Es schien wirklich, als wären die Teufel auf die Erde ge-
kommen. Kanonendonner, Lärm, Blitze, Gefahr, Furcht, Schmerz und das Leid,
nicht in meinem eigenen Bett zu sein (infolge kriegerischer Ereignisse); und mit-
tendrin, wie eine ganz weiße und liebliche Blume im Rauch und Durcheinander,
Maria; Maria, ein wenig erwachsener als in der gestrigen Vision, aber immer noch
sehr jung, mit blonden Zöpfen auf den Schultern, in ihrem weißen Kleid, mit ih-
rem sanften, gesammelten Lächeln: einem inneren Lächeln, hingerichtet auf das
glorreiche Geheimnis, das sie im Herzen birgt. Ich verbringe die Nacht, indem ich
Vergleiche zwischen ihrem sanften Anblick und der Grausamkeit der Welt anstelle,
und ihre Worte von gestern morgen überdenke, ein Lied lebendiger Liebe, das ich
mit dem Haß, der sich zerfleischt . . . vergleiche . . .
Heute morgen, zurückgekehrt in das Schweigen meines Zimmers, erlebe ich die
folgende Szene:
Maria ist immer noch im Tempel. Jetzt kommt sie mit anderen
Jungfrauen heraus aus dem wahren und eigentlichen Tempel Gottes,
aus den Räumen in der Nähe des Heiligtums.
Es muß dort irgendeine Zeremonie stattgefunden haben, denn der
Weihrauch breitet sich in der Luft aus, die rötlich gefärbt ist vom
schönen Sonnenuntergang, ich möchte sagen, eines vorgerückten
106
Herbstes; denn der Himmel hängt an diesem heiteren Oktobertag
ziemlich müde über den Gärten Jerusalems, in denen das Ockergelb
der herabfallenden Blätter blondrote Flecken zwischen das Silber-
grün der Olivenbäume legt.
Die Schar, vielmehr der weiße Schwarm der Mädchen durchquert
den hinteren Säulengang, ersteigt die Stufen, durchrauscht einen
Säulengang und betritt einen anderen, weniger prunkvollen, qua-
dratischen Hof, der keine andere Öffnung hat als diesen Eingang.
Es muß die Pforte zu den kleinen Behausungen jener Jungfrauen
sein, die dem Tempeldienst geweiht sind; denn jedes Mädchen eilt
auf seine Zelle zu wie ein Täubchen zu seinem Nest, und es sieht
genau so aus, wie wenn ein Schwarm von Tauben sich auflöst. Vie-
le, beinahe alle reden leise, aber fröhlich miteinander, bevor sie sich
trennen. Maria schweigt. Bevor sie sich aber von den andren trennt,
grüßt sie mit freundlicher Stimme, und begibt sie sich dann zu ih-
rem Kämmerlein, in einen Winkel zur Rechten.
Eine Lehrerin nähert sich ihr, nicht so alt wie Hanna des Penuël,
aber doch schon in einem fortgeschrittennen Alter: »Maria, der Ho-
hepriester erwartet dich.«
Maria schaut sie etwas erstaunt an, stellt aber keine Frage. Sie
antwortet nur: »Ich werde mich schnell zu ihm begeben.«
Ich weiß nicht, ob der weite Saal, in den sie eintritt, zum Haus
des Hohenpriesters gehört oder ob er noch ein Teil der Frauenwoh-
nungen im Tempel ist. Ich weiß nur, daß er weit, hell und gut ein-
gerichtet ist und daß sich in ihm außer dem prächtig gekleideten
Hohenpriester auch Zacharias und Hanna des Penuël befinden.
Maria macht an der Schwelle eine tiefe Verneigung und bleibt
stehen, bis der Hohepriester zu ihr sagt: »Tritt näher, Maria, fürch-
te dich nicht!« Nun richtet Maria sich auf, erhebt ihr Antlitz und
schreitet langsam vorwärts, nicht widerwillig, sondern mit einem
ungewöhnlichen Ausdruck von Feierlichkeit, der sie fraulicher er-
scheinen läßt.
Hanna lächelt ihr zu, um sie zu ermutigen, und Zacharias grüßt
sie mit einem: »Der Friede sei mit dir, meine Base.«
107
Der Hohepriester beobachtet sie aufmerksam und sagt, zu Za-
charias hingewendet: »In ihr erkennt man den Stamm Davids und
Aarons.«
Dann fährt er fort: »Tochter, ich kenne deine Anmut und Güte. Ich
weiß, daß du täglich in den Augen Gottes und der Menschen an Wis-
sen und Gnade zunimmst. Ich weiß, daß die Stimme Gottes deinem
Herzen die lieblichsten Worte zuraunt. Ich weiß, daß du die Blume
des Tempels Gottes bist und daß ein dritter Kerub vor dem Taber-
nakel steht, seit du hier bist. Ich möchte gerne, daß dein Duft auch
weiterhin mit dem Weihrauch aller Tage vor Gott aufsteige. Aber
das Gesetz spricht andere Worte. Du bist nun kein Kind mehr, son-
dern eine Frau. Und jede Frau in Israel muß Gattin werden, um dem
Herrn Knaben darzubringen. Du mußt dem Gesetz folgen. Fürchte
dich nicht, erröte nicht! Ich kenne deine königliche Abstammung.
Aber das Gesetz schützt dich mit der Verordnung, daß jedem Mann
eine Frau aus seinem Stamm gegeben werde [Num 36,6–10]. Aber
selbst, wenn es das nicht gäbe, ich würde dafür sorgen, daß dein
edles Blut nicht verdorben wird. Kennst du niemanden aus deinem
Stamm, der dir Bräutigam sein könnte?«
Maria erhebt ein von Schamhaftigkeit gerötetes Gesicht, während
in den Winkeln der Augenwimpern erste Tränen aufschimmern, und
mit zitternder Stimme antwortet sie: »Niemanden.«
»Sie kann niemanden kennen, denn sie trat in ihrer Kindheit hier
ein, und der Stamm Davids ist zu sehr heimgesucht worden und zer-
streut, als daß es möglich wäre, daß sich die verschiedenen Zweige
zusammenfinden, um die Krone der königlichen Palme zu bilden«,
sagt Zacharias.
»Dann überlassen wir Gott die Wahl!«
Die bisher zurückgehaltenen Tränen quellen nun hervor und flie-
ßen auf den zitternden Mund, und Maria wirft einen flehentlichen
Blick auf ihre Meisterin.
»Maria hat sich dem Herrn geweiht zu seiner Ehre und zur Ret-
tung Israels. Sie war noch ein Kind, das kaum zu buchstabieren ge-
108
lernt hatte, und schon hatte sie sich an das Gelübde gebunden . . . «
sagt Hanna, um ihr zu helfen.
»Ist das der Grund deines Weinens? Nicht der Trotz gegen das
Gesetz?«
»Deswegen, wegen nichts anderem . . . Ich gehorche dir, Hoher-
priester Gottes.«
»Das bekräftigt, was mir immer von dir gesagt wurde. Seit wie
langer Zeit bist du Gott als Jungfrau geweiht?«
»Seit jeher, glaube ich. Ich war noch nicht im Tempel, und schon
hatte ich mich dem Herrn geschenkt.«
»Aber bist du nicht die Kleine, die mich vor zwölf Frühlingen
gebeten hat, eintreten zu dürfen?«
»Ich bin es.«
»Aber wie kannst du sagen, daß du schon damals Gott gehörtest?«
»Soweit ich zurückschaue, sehe ich mich als Jungfrau . . . Ich erin-
nere mich nicht an die Stunde, da ich geboren wurde; auch nicht dar-
an, wie ich langsam begann, meine Mutter zu lieben und zu meinem
Vater zu sagen: „O Vater, ich bin deine Tochter . . . “ Aber ich erinne-
re mich, obwohl ich nicht sagen kann, wann es geschah, daß ich Gott
mein Herz geschenkt habe. Vielleicht war es beim ersten Kuß, den
ich zu geben vermochte, beim ersten Wort, das ich sprechen, beim er-
sten Schritt, den ich machen konnte . . . Ja, ich glaube, daß die erste
Erinnerung an diese Liebe mit meinen ersten, sicheren Schritten ver-
bunden ist . . . Mein Haus . . . mein Haus hatte einen Garten voller
Blumen . . . hatte einen Obstgarten und Felder . . . Und eine Quelle
im Hintergrund war dort, am Fuß des Hügels, und sprudelte hervor
aus einem ausgehöhlten Felsen, der eine Grotte bildete . . . Der Hü-
gel war mit langen und feinen Gräsern bedeckt, die wie ein grüner
Wasserfall von allen Seiten herabregneten, und es schien, als ob die
leichten Blättchen und Zweige, die einer Verzierung glichen, wein-
ten, wenn ihre Wassertröpfchen beim Niederfallen wie kleine Glöck-
lein anklangen. Auch die Quelle sang. Und es gab dort auch Vöglein
auf den Ölbäumen, die auf dem Bergvorsprung oberhalb der Quelle
109
wuchsen, und die weißen Tauben kamen, sich zu waschen in dem
klaren Spiegel dieser Quelle . . . Ich erinnere mich nicht mehr an
alles, denn ich hatte mein Herz ganz in Gott versenkt, und außer Va-
ter und Mutter, die ich liebte während ihres Lebens und nach ihrem
Tod, war alles auf dieser Erde fern von meinem Herzen . . . du läßt
mich nun daran denken, Hoherpriester . . . Ich muß suchen, wann
ich mich Gott weihte . . . Und die Dinge der ersten Jahre tauchen in
mir wieder auf . . .
Ich liebte diese Grotte, denn viel lieblicher noch als der Gesang
des Wassers und der Vögel erklang dort eine Stimme, die zu mir
sagte: „Komm, meine Geliebte!“ Ich liebte diese Gräser mit ihren
klingenden Diamanttröpfchen, denn ich sah in ihnen das Zeichen
meines Herrn, und ich verlor mich in den Worten: „Siehst du, wie
groß dein Gott ist, meine Seele? Er, der die Zedern des Libanon
gemacht hat für die großen Adler. Er hat diese Blättchen, die sich
neigen unter der Last einer Fliege, zu deiner Augenweide und zum
Schutz für deinen kleinen Fuß gemacht.“
Ich liebte das Schweigen der reinen Dinge: den leichten Wind, das
silberne Wasser, die Einfalt der Tauben . . . Ich liebte diesen Frieden,
der auf der kleinen Grotte ruhte, der von den Apfel- und Olivenbäu-
men herabzuregnen schien, die bald in Blüten waren, bald alle köst-
liche Früchte trugen . . . Und ich weiß nicht . . . es schien mir, daß
die Stimme zu mir, eigens zu mir, sagte: „Komm, du meine niedliche
Olive; komm, du mein süßer Apfel; du verschlossener Quell; komm,
du meine Traube!“ . . . Süß ist die Liebe des Vaters und der Mutter,
süß die Stimme, die mich rief . . . Aber diese! Diese! Oh! Ich glaube,
daß im irdischen Paradies jener, der dann schuldig wurde, diesel-
be gehört hat, und ich weiß nicht, wie er das Zischen einer Schlange
dieser Stimme der Liebe vorziehen, wie er ein anderes Wissen begeh-
ren konnte, das nicht von Gott war . . . Mit den Lippen, die noch der
Milch der Mutter bedurften, aber schon mit einem Herzen trunken
von himmlischem Honig habe ich damals gesagt: „Sieh, ich komme!
Dein bin ich! Kein anderer Herr wird meinen Leib besitzen außer
110
dir, o Herr; wie auch mein Geist keine andere Liebe kennt.“ Als ich
diese Worte sagte, schien es mir, als hätte ich sie schon gesagt, als
vollendete ich nur einen Ritus, der bereits vollzogen war, als wäre
mir der vorausbestimmte Bräutigam nicht fremd; denn ich kannte
schon seine Glut, meine Augen hatten sich in seinem Licht gebildet
und meine Fähigkeit zu lieben hatte sich erfüllt in seinen Armen.
Wann? . . . Ich weiß es nicht. Jenseits des Lebens, möchte ich sagen;
denn ich fühle, daß ich ihn immer besessen habe und daß er mich
immer besessen hat und daß ich bin, weil er mich gewollt hat zur
Freude seines und meines Geistes . . .
Ich gehorche, Priester. Sage du mir, wie ich handeln soll . . . Ich
habe weder Vater noch Mutter. Sei du mein Führer!«
»Gott wird dir den Bräutigam geben, und er wird heilig sein, da
du dich Gott anvertraust. Du sollst ihm dein Gelübde mitteilen.«
»Wird er es annehmen?«
»Ich hoffe es. Bete, Tochter, daß er dein Herz verstehe! Geh und
bete! Gott möge dich immer begleiten!«
Maria zieht sich mit Hanna zurück, während Zacharias bei dem
Oberpriester bleibt.
So endet die Vision.
19 Josef wird zum Bräutigam der Jungfrau bestimmt
Ich sehe einen reichen Saal mit schönem Fußboden, Vorhängen, Tep-
pichen und mit Intarsien verzierten Möbeln. Er muß noch zum Tem-
pel gehören, denn es sind Priester darin, unter ihnen auch Zacharias
und viele Männer jeden Alters (zwischen 20 und 50 Jahren).
Sie sprechen leise, aber lebhaft miteinander. Sie scheinen in ängstli-
cher Erwartung, aber ich weiß nicht warum. Alle sind festlich geklei-
det mit neuen Gewändern, oder wenigstens mit ganz frisch gewa-
schenen, als wären sie eigens für ein Fest hergerichtet. Viele haben
die Kopfbedeckung, ein Leinentuch, abgenommen; andere haben sie
noch auf dem Kopf, besonders die Alten, während die Jungen ihren
111
unbedeckten Kopf mit den dunkelblonden oder braunen Haare zei-
gen; nur einer ist kupferrot. Die Haare sind meist kurz geschnitten;
aber es gibt auch einige mit langen, bis auf die Schultern wallenden
Haaren. Es scheint, daß sich nicht alle kennen, denn viele beobach-
ten sich neugierig. Aber sie scheinen doch irgendwie verwandt zu
sein, denn man merkt, daß sie alle ein einziger Gedanke beherrscht.
In einem Winkel sehe ich Josef. Er spricht mit einem rüstigen äl-
teren Mann. Josef ist etwas über dreißig. Ein schöner Mann mit kur-
zen, etwas krausen Haaren, die kastanienbraun sind, wie auch der
Schnurrbart und der Bart, die ein schönes Kinn und die rotbraunen
Wangen umschatten. Er hat dunkle, schöne, tiefe und sehr ernste, ich
möchte fast sagen, etwas melancholische Augen. Wenn er aber lacht,
wie jetzt, werden sie lebendig und jugendlich. Er ist ganz hellbraun
gekleidet; einfach, aber sehr ordentlich.
Eine Gruppe von jungen Leviten kommt herein und stellt sich
zwischen der Tür und einem langen schmalen Tisch auf, der nahe
der Wand steht, in deren Mitte sich die weitgeöffnete Tür befindet.
Nur ein Vorhang, der bis auf 20 cm zum Boden herabhängt, bedeckt
die Leere.
Die Neugierde wächst. Sie wächst noch mehr, als eine Hand den
Vorhang zur Seite zieht, um einen Leviten eintreten zu lassen, der
auf den Armen ein Bündel trockener Zweige trägt, auf das ganz vor-
sichtig ein blühender Zweig gelegt worden ist; ein leichter Schaum
weißer Blütenblätter, die kaum rötlich angehaucht sind. Der Levit
legt das Bündel der Zweige mit großer Sorgfalt auf den Tisch, um
das Wunder dieses blühenden Zweiges inmitten von so vielen dür-
ren Ästen nicht zu beschädigen.
Ein Raunen geht durch den Saal. Die Hälse recken sich. Die Blicke
werden durchdringender. Auch Zacharias, der mit den Priestern
dem Tisch näher ist, sucht etwas zu erkennen. Aber er sieht nichts.
Josef in seinem Winkel wirft kaum einen Blick auf das Bündel von
Zweigen, und als sein Nachbar ihm etwas sagt, macht er eine abwei-
sende Gebärde, als wollte er sagen: »Unmöglich!«, und lächelt.
112
Ein Trompetenstoß jenseits des Vorhanges! Alle schweigen und
stellen sich in guter Ordnung auf, mit dem Blick zum Ausgang, der
jetzt halbgeöffnet erscheint. Umgeben von den Ältesten tritt der Ho-
hepriester ein. Alle verneigen sich tief. Der Priester geht zum Tisch
und spricht aufrechtstehend:
»Ihr Männer aus dem Haus Davids, die ihr auf meine Ausschrei-
bung hier versammelt seid, hört zu! Der Herr hat gesprochen, er sei
gepriesen. Von seiner Herrlichkeit ist ein Strahl herabgestiegen, und
wie die Frühlingssonne hat er einem trockenen Zweig Leben gege-
ben. Dieser hat auf wunderbare Weise geblüht, obwohl kein Zweig
auf Erden heute in Blüte ist, am letzten Tag des Lichterfestes, wäh-
rend der Schnee, der auf den Höhen von Juda liegt, noch nicht ge-
schmolzen ist; und so ist dieser der einzige weiße Glanz zwischen
Zion und Betanien. Gott hat gesprochen und sich zum Vater und
Beschützer der Jungfrau Davids gemacht, die keinen anderen zum
Schutz hat als ihn. Heiliges Mädchen, Ruhm des Tempels und des
Stammes Davids! Sie hat es verdient, daß durch ein Gotteswort der
Name des Bräutigams bekannt wurde, der dem Ewigen genehm ist.
Ein gerechter muß derjenige sein, der vom Herrn als Hüter
der ihm teuren Jungfrau erwählt wird! Somit mildert sich unser
Schmerz, sie zu verlieren, und wird uns jede Sorge um ihr Schick-
sal als Braut genommen. Und dem von Gott Bezeichneten vertrauen
wir mit aller Sicherheit die Jungfrau an, auf der Gottes Segen und
auch der unsrige ruht. Der Name des Bräutigams ist Josef, der Sohn
Jakobs aus Betlehem, vom Stamm Davids, Zimmermann zu Nazaret
in Galiläa. Josef, komm her, der Hohepriester befiehlt es dir!«
Stimmengewirr. Köpfe, die sich drehen, Augen und Hände, die
auf ihn weisen, enttäuschte Gesichter, Worte der Erleichterung. Der
eine oder andere besonders unter den Älteren, muß froh sein, daß
ihn dieses Los nicht getroffen hat.
Josef, rot und verlegen, tritt hervor. Jetzt befindet er sich vor dem
Tisch, dem Priester gegenüber, den er ehrfürchtig grüßt.
»Kommt alle und schauet den Namen, der auf dem Zweig einge-
113
ritzt ist; ein jeder nehme seinen Zweig, um sicher zu sein, daß kein
Betrug vorliegt!«
Die Männer gehorchen. Sie blicken auf den Zweig, den der Hohe-
priester behutsam in der Hand hält, und nehmen ihren eigenen, den
der eine zerbricht, der andere aufbewahrt. Alle schauen auf Josef.
Der eine schaut und schweigt, der andere wünscht ihm Glück. Der
ältere Mann, mit dem er vorher gesprochen hat, sagt: »Habe ich es
dir nicht gesagt, Josef? Wer sich am unsichersten fühlt, siegt!« Alle
sind an dem blühenden Zweig vorbeigegangen.
Der Hohepriester gibt ihn Josef; dann legt er ihm die Hände auf
die Schulter und spricht: »Sie ist nicht reich, du weißt es, die Braut,
die Gott dir gibt. Aber sie ist reich an Tugenden. Sei ihrer immer
mehr würdig! Es gibt keine Blume in Israel, so lieblich und rein wie
sie. Geht jetzt alle! Es bleibe Josef! Und du, Zacharias, als Verwand-
ter, führe die Braut herbei!«
Alle gehen mit Ausnahme des Hohenpriesters und Josefs. Der Vor-
hang wird über den Ausgang gezogen.
Josef steht demütig neben dem majestätischen Hohenpriester. Ein
kurzes Schweigen, dann sagt dieser zu ihm: »Maria hat dir ein Ge-
lübde zu bekennen. Hilf ihr in ihrer Schüchternheit! Sei gut mit der
Guten!«
»Ich werde meine Mannhaftigkeit in ihren Dienst stellen, und kein
Opfer für sie wird mir zu schwer sein. Sei dessen versichert!«
Maria tritt ein mit Zacharias und Hanna des Penuël.
»Komm, Maria!« sagt der Priester. »Sieh, das ist der Bräutigam,
den Gott für dich bestimmt hat. Es ist Josef von Nazaret. Du kehrst
daher in deine Stadt zurück. Jetzt verlasse ich euch. Gott gebe euch
seinen Segen! Der Herr möge euch behüten und segnen; er möge
sich euch zeigen und allezeit Erbarmen mit euch haben! Er möge
euch sein Antlitz zuwenden und euch den Frieden geben!«
Zacharias geht hinaus; er begleitet den Priester. Hanna beglück-
wünscht den Bräutigam, dann geht auch sie.
Die beiden Verlobten stehen nun einander gegenüber. Maria, die
114
errötet ist, steht mit geneigtem Haupt da. Josef, auch er etwas er-
rötet, beobachtet sie und sucht nach den ersten Worten, die er an
sie richten kann. Endlich findet er sie, und ein leuchtendes Lächeln
überstrahlt sein Gesicht, als er sagt: »Ich grüße dich, Maria; ich habe
dich als kleines Kind gesehen . . . Ich war ein Freund deines Vaters,
und der Neffe meines Bruders Alphäus war befreundet mit deiner
Mutter. Er war ihr kleiner Freund, denn jetzt zählt er erst achtzehn
Jahre, und als du noch nicht geboren warst, war er ein wirklich klei-
nes Geschöpf; und doch erfreute er deine Mutter in ihrem Kummer;
sie liebte ihn sehr. Du kennst uns nicht, weil du als kleines Mädchen
hierher gekommen bist. Aber in Nazaret haben dich alle lieb und
denken an dich; sie reden immer noch von der kleinen Maria des
Joachim, deren Geburt ein Wunder des Herrn war, der die Unfrucht-
bare aufblühen ließ . . . Und ich erinnere mich noch des Abends,
an dem du geboren wurdest . . . Wir erinnern uns alle noch des
Wunders: eines gewaltigen Regens, der die Felder rettete, und eines
heftigen Gewitters, bei dem die Blitze nicht einen einzigen Stengel
des Heidekrautes niederschmetterten. Alles endete mit dem größ-
ten und lieblichsten Regenbogen, der je gesehen worden ist. Und
dann . . . wer erinnert sich nicht der Freude des Joachim? Er zeigte
dich überall seinen Nachbarn . . . Wie eine Blume seist du vom Him-
mel gekommen, und er bewunderte dich und wollte, daß alle dich
bewundern. Noch kurz vor dem Tod erzählte der glückliche, alte
Vater von seiner Maria, die so schön und gut sei, und von ihren Wor-
ten, die voll der Anmut und der Weisheit seien. Er hatte recht, als er
dich bewunderte und sagte, daß es keine Schönere gäbe als dich! . . .
Und deine Mutter? Sie erfüllte mit ihrem Singen den Erdenwinkel,
in dem ihr Haus lag. Sie schien eine Lerche im Frühjahr, während sie
dich trug, und später, als sie dich auf ihrem Schoß hatte. Ich habe dir
die Wiege gezimmert: eine kleine Wiege, ganz mit geschnitzten Ro-
sen verziert; denn so wollte deine Mutter sie haben. Vielleicht ist sie
noch in der verschlossenen Wohnung zu finden . . . Ich bin bejahrt.
Maria, als du geboren wurdest, verfertigte ich meine ersten Arbeiten.
115
Ich arbeitete schon . . . Wer hätte mir damals sagen können, daß ich
dich einmal zur Braut haben werde! Vielleicht wären die Deinigen
glücklicher gestorben; denn wir waren befreundet. Ich habe deinen
Vater begraben und ihn aufrichtigen Herzens beweint; denn er war
mir ein guter Lehrmeister im Leben gewesen.«
Maria erhebt langsam ihr Gesicht und wird immer unbefangener,
als sie Josef so reden hört; und als er die Wiege erwähnt, lächelt sie
ein wenig. Als Josef von ihrem Vater spricht, reicht sie ihm die Hand
mit den Worten: »Danke, Josef!« Es ist ein schüchternes und sanftes
Danke.
Josef nimmt das Lilienhändchen in seine kurzen und starken Zim-
mermannshände und drückt es mit einer Verehrung, die sie ermu-
tigen soll. Vielleicht erwartet er noch andere Worte. Aber Maria
schweigt von neuem. So fährt er fort: »Das Haus, das du kennst,
ist unversehrt geblieben, abgesehen von dem Teil, der auf Befehl des
Konsuls abgerissen wurde, um aus dem kleinen Weg eine Straße für
die Wagen aus Rom zu machen. Und das Feld, das dir geblieben
ist, ist ein wenig vernachlässigt worden; du weißt ja, die Krankheit
des Vaters hat euer Besitztum sehr verringert. Es sind jetzt schon
mehr als drei Frühlinge vergangen, daß die Bäume und Weinstöcke
nicht mehr beschnitten worden sind, und der Boden ist ungepflegt
und hart. Aber die Bäume, die du als kleines Mädchen gesehen hast,
sind noch da, und wenn du mir erlaubst, werde ich mich ihrer sofort
annehmen.«
»Danke, Josef. Aber du hast ja schon andere Arbeit . . . «
»Ich werde deinen Garten in den ersten und letzten Stunden des
Tages pflegen. Jetzt nehmen die Tage mehr und mehr zu.
Für den Frühling werde ich alles zu deiner Freude in Ordnung
bringen. Schau: dies ist ein Zweig des Mandelbaumes, der vor dem
Haus steht; ich habe ihn mitbringen wollen . . . Man kann von über-
all her durch den verfallenen Zaun eintreten; aber jetzt werde ich
ihn ausbessern und befestigen. Ich habe diesen genommen, weil ich
dachte, wenn ich der Erwählte sein sollte . . . aber ich wagte es nicht
116
zu hoffen, da ich ja ein Nazoräer bin [Num 6]. Ich habe nur dem
Ruf des Hohenpriesters gehorcht. Da habe ich gedacht, es könnte
dir Freude bereiten, einen Zweig aus deinem Garten zu erhalten.
Sieh ihn hier, Maria! Mit ihm gebe ich dir mein Herz, das bis heute
nur für den Herrn geblüht hat; nun blüht es für dich, meine Braut.«
Maria nimmt den Zweig. Sie ist gerührt und schaut Josef mit ei-
nem immer festeren und strahlenderen Blick an. Sie fühlt sich sicher
bei ihm. Als er sagte: »Ich bin Nazoräer«, leuchtete ihr Gesicht förm-
lich auf, und sie faßte Mut. »Auch ich gehöre ganz Gott an, Josef. Ich
weiß nicht, ob der Hohepriester es dir gesagt hat . . . «
»Er hat nur gesagt, daß du gut und rein seist, daß du mir von
einem Gelübde reden wollest und daß ich gut mit dir sein soll.
Sprich, Maria, dein Josef will dich glücklich machen in all deinen
Wünschen! Ich liebe dich nicht dem Fleisch nach. Ich liebe dich dem
Geist nach, du heiliges Kind, das David mir gibt! Sieh in mir einen
Vater und einen Bruder, nicht nur den Bräutigam! Und vertraue mir
wie einem Vater, wie einem Bruder.«
»Seit meiner Kindheit habe ich mich dem Herrn geweiht. Ich weiß,
daß man so etwas in Israel nicht tut. Aber ich hörte eine Stimme, die
meine Jungfräulichkeit als Opfer forderte, aus Liebe zum kommen-
den Messias. Schon so lange wird er erwartet in Israel! . . . Es ist
nicht zuviel, um seinetwillen auf die Mutterschaft zu verzichten!«
Josef schaut sie fest an, als wolle er in ihrem Herzen lesen; dann
nimmt er ihre beiden kleinen Hände, die noch den aufgeblühten
Zweig halten, und spricht: »Und ich vereinige mein Opfer mit dem
deinen, und wir werden mit unserer Keuscheit den Ewigen so sehr
lieben, daß er der Erde den Erlöser schneller schickt und uns erlaubt,
sein Licht in der Welt leuchten zu sehen. Komm, Maria, gehen wir
in sein Haus und geloben wir ihm, uns zu lieben wie die Engel sich
lieben. Dann werde ich nach Nazaret gehen und in deinem Haus al-
les für dich vorbereiten, wenn du gerne dorthin zurückkehren willst;
sonst anderswo, nach deinem Wunsch.«
»In mein Haus . . . Es war dort eine Grotte im Hintergrund . . . Ist
sie noch dort?«
117
»Ja, doch sie ist nicht mehr dein Eigentum . . . Aber ich mache
dir eine, wo du dich erfrischen und dich in den heißen Stunden zu-
rückziehen kannst. Ich will sie soweit möglich der anderen ähnlich
gestalten. Und nun sage mir: Wen willst du bei dir haben?«
»Niemand, ich habe keine Furcht. Die Mutter des Alphäus, die
mich immer besucht, wird mir tagsüber ein wenig Gesellschaft lei-
sten, und in der Nacht möchte ich lieber allein sein. Es kann mir
nichts Schlimmes zustoßen.«
»Und dann bin ich ja da . . . Wann soll ich kommen, um dich zu
holen?«
»Wann du willst, Josef.«
»Dann werde ich kommen, sobald das Haus in Ordnung ist. Ich
werde nichts anrühren. Ich will, daß du es vorfindest, wie deine Mut-
ter es verlassen hat. Aber ich will, daß es viel Sonne hat und ganz
sauber ist, um dich ohne Traurigkeit aufzunehmen. Komm, Maria!
Gehen wir, um dem Allerhöchsten zu sagen, daß wir ihn lobprei-
sen!«
Weiter sehe ich nichts mehr. Aber im Herzen bleibt mir das Gefühl
der Sicherheit, das Maria empfindet . . .
20 Die Vermählung der Jungfrau mit Josef
Wie schön ist Maria in ihrem Brautgewand unter ihren festlichen
Freundinnen und Lehrerinnen! Auch Elisabet befindet sich unter ih-
nen.
Mit reinstem Linnen ist sie bekleidet, so fein, daß es kostbare Sei-
de zu sein scheint. Ihr Gürtel mit in Gold und Silber gestochenem
Schmuck ist aus Medaillons zusammengesetzt, die von Kettchen zu-
sammengehalten werden; jedes einzelne Medaillon ist ein aus Gold-
und Silberfäden bestehendes Zierwerk, das schon von der Zeit ge-
bräunt ist. Der Gürtel umgibt die schmalen Lenden, und da er für
das zarte Mädchen wohl zu lang ist, hängen vorne zwischen den
Falten des weiten Gewandes drei Medaillons herab. Hinten wirkt
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das Gewand wie eine Schleppe, so lang ist es. An den kleinen Füßen
trägt Maria Sandalen aus schneeweißem Fell mit silbernen Schnal-
len.
Am Hals wird das Kleid von einem Kettchen aus goldenen Roset-
ten und silbernem Filigran gehalten, das im kleinen das Motiv des
Ledergürtels wiederholt. Es ist durch breite Knopflöcher gezogen,
um den Halsausschnitt zusammenzuhalten, und bildet so eine klei-
ne Rüsche. Der Hals Marias ragt aus diesem gefalteten Blütenweiß
mit der Grazie eines in kostbare Gaze gewickelten Stieles hervor und
scheint noch schmächtiger zu sein: ein Blumenstiel, der in einem li-
lienweißen Antlitz endet, das noch bleicher und reiner geworden ist
unter der inneren Bewegung. Ein Gesicht wie eine reine Hostie.
Die Haare fallen nicht mehr über die Schultern herab. Die Zöp-
fe sind zu einem Knoten geflochten, der von kostbaren Haarnadeln
aus gebräuntem Silber, alle mit Filigran verziert, zusammengehalten
wird. Der Schleier der Mutter ruht auf diesen Flechten und fällt vom
kostbaren Stirnreifchen in schönen Falten nach unten; hinunter bis
zu den Hüften, denn Maria ist nicht so groß wie ihre Mutter, bei der
der Schleier nur bis zum Gürtel reichte. An den Händen trägt sie
nichts, an den Handgelenken Armbänder. Aber die Gelenke sind so
fein und zart, daß ihr die schweren Armbänder der Mutter bis auf
die Handrücken rutschen; sie würden, wenn sie die Hände schüttel-
te, zu Boden fallen.
Die Gefährtinnen bestaunen sie von allen Seiten. Ihr Reden und
Fragen hört sich an wie munteres Vogelgezwitscher.
»Sind die von deiner Mutter?«
»Alt, nicht wahr?«
»Wie schön ist dieser Gürtel, Sara!«
»Und der Schleier, Susanne! Schau, wie fein! Schau die Lilien, die
hineingewoben worden sind!«
»Laß mich die Armbänder sehen, Maria! Gehörten sie deiner Mut-
ter?«
»Sie trug sie, aber sie sind von der Mutter Joachims, meines Va-
ters.«
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»Oh! Schau! Sie hat das Siegel Salomons, verwoben mit Palmen-
und Olivenzweigen, und dazwischen sind Lilien und Rosen. Oh, wer
hat diese fehlerlose und präzise Arbeit geleistet?«
»Sie stammen aus dem Haus Davids«, erklärt Maria. »Seit Jahr-
hunderten schmücken sich die Frauen dieses Geschlechtes mit ih-
nen, wenn sie sich vermählen, und dann bleiben sie im Erbschatz
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